Test: Kia Picanto 1.0 T-GDI

Ja es gibt noch solche Fahrzeuge. Solche die Spaß machen, die einen aktiven Fahrer verlangen und auf die man sich schon auf dem Weg zum Parkplatz freuen kann. Und die sogar bezahlbar sind. Zumindest, wenn man den Preis nicht nach Längenzentimetern berechnet.

Wissen Sie noch, wann Sie das letzte Mal so richtig Spaß hatten? Wir meinen natürlich beim Autofahren. Mit dem SUV in der City oder mit der Luxuslimousine im Autobahnstau oder doch mit dem Cabriolet in diesem verregneten Frühling? Wir wissen auf jeden Fall noch ganz genau, wann und welches Fahrzeug uns letztmals einfach so ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Es war vor einigen Wochen, es war ein kleines, enges, vergleichsweise unkomfortables Modell: Es war ein Kia Picanto.

Winzling

Was, ein Kia Picanto? Okay, nicht irgendein Picanto, sondern schon das leistungsstärkste Angebot. Was bei diesem 3,60-Meter-Winzling allerdings bescheiden anmutende 100 PS meint. Auch die maximal erreichbare Geschwindigkeit haut einen nicht gerade von den Socken – bei 180 km/h und bis auf die Fahrbahn heruntergedrücktem Gasfuß zieht die Armada hoch motorisierter Diesel der Business-Class kaltlächelnd an einem vorbei. Huch, hätte uns der Fahrer des 5er-Touring überhaupt gesehen, wenn wir nicht rechtzeitig die linke Spur geräumt hätten?

Nee, auf der Autobahn ist das Leben im Picanto nicht so würzig. Der Spaß fängt an, wenn er mit anderen, größeren, stärkeren Modellen aufhört: in der Stadt, auf Landstraßen, auf einem mit engen Kehren gespickten Alpen-Pass. Dann spielt der kleine Koreaner seine Vorzüge aus, windet sich dreizylindrig knurrend um eine Asphaltschleife, scharrt an der Ampel mit seinen schicken 16-Zoll-Alus. Mit dem Einliter-Turbo unter der Haube macht der Fünfsitzer auf Wunsch gerne den Wadenbeißer, 175 Newtonmeter zerren schon ab 1.500 Umdrehungen und dann immer weiter bis 4.000 U/min an der Vorderachse. Die etwa 1,1 Tonnen Leergewicht sind da schnell auf Touren gebracht. Und das knackige Fünfgang-Getriebe will gerne und häufig benutzt werden.

Alternativen

Hach, es ist ein Spaß mit dem Kleinen. Vor allem, weil derzeit nicht nur der Alltag wenig Freuden bereithält, sondern auch, weil es von seiner Art nicht mehr allzu viele gibt. Mal sehen: Da wären der Renault Twingo TCe mit 90 PS, der etwas stärkere (und teurere) VW Up GTI mit 115 Pferdchen und natürlich das gleichstarke Schwestermodell Hyundai i10 T-GDI. Das wär`s in der Dreieinhalbmeter-Klasse auch schon. Oder haben wir was vergessen? Danke Kia – und natürlich auch Hyundai, VW und Renault.

Natürlich kostet der Spaß, auch weil der Realverbrauch mit 7,5 Litern ein Auto ganz anderer Dimension erwarten lässt. Auch, weil mindestens 16.850 Euro in der GT-Line, sogar 18.050 Euro in der von uns getesteten X-Line fällig werden. Man darf ja nicht vergessen, dass es sich immer noch um ein Modell der kleinsten definierten Fahrzeugklasse handelt. Nur theoretisch mit Platz für fünf Personen, tatsächlich ist Raum für zwei Erwachsene vorne und zwei noch nicht allzu große Kinder hinten vorhanden. Und für ein wenig Handgepäck. Natürlich kommt auch viel Hartplastik zum Einsatz und ein Radstand von 2,40 Metern lässt sich durch keine noch so gelungene Abstimmung verschleiern. Vor allem, wenn es sich um eine gelungen-sportliche Grundabstimmung handelt und unsere Straßen so sind, wie sie nun halt einmal sind.

Gute Serienausstattung

Aber für den äußert selbstbewussten Preis wird nicht nur Fahrspaß geboten. Sondern auch zum Beispiel in der X-Line eine sehr komplette Ausstattung, mit Dingen, die man vor einigen Jahren in den erwähnten Geschäfts-Dieseln nicht mal gegen Aufpreis bekam, wie eine Lenkradheizung oder induktives Laden des Smartphones. Serienmäßig sind auch Klimaautomatik, Navi, 8-Zoll-Display, Sitzheizung und Parksensoren hinten. Den sportlichen Unterschied machen die Alu-Pedalerie, Sitze in Ledernachbildung, das unten abgeflachte Sportlenkrad (mit echtem Leder bezogen) und spezielle Stoßfänger. Wichtiger sind aber die Nebelscheinwerfer und die Tatsache, dass Kia vorne wie hinten Scheibenbremsen einbaut, die zupackend aber wohl dosierbar zur Sache gehen.

Aber wir hatten nicht nur Spaß an der sportlichen Fortbewegung, der großzügigen Ausstattung der übrigens ebenso großzügigen Sieben-Jahres-Garantie. Zwei Wochen mit dem Picanto haben auch gezeigt, dass weniger manchmal mehr ist. Zum Beispiel das rückwärtige Einparken in unsere alte Garage, was bei einer Breite von 1,91 Meter mit Außenspiegeln (!) so schnell und einfach ging, dass wir uns über unsere Fahrkünste fast ein wenig selbst wunderten.
Der Picanto ist gerade in dieser Version einfach ein wunderbarer Gegensatz, so wenig Auto gibt es sonst fast nirgendwo mehr, weil die Hersteller in dieser Klasse glauben, kein Geld mehr verdienen zu können. So klein und so fahrspaßig, das ist – siehe oben – sogar noch seltener. Gleichzeitig weckt dieser Klecks von Autos so viel Vorfreude, schon wenn man sich ihm nähert, das ist ja fast schon unbezahlbar. Wer also wenig Platzbedarf hat, nicht knauserig auf die Welt kam und wer Fahrspaß nicht von Endgeschwindigkeit abhängig macht, dem sei der Picanto 1.0 T-GDI mit einem warmen Lächeln empfohlen.

Technische Daten

Fünftüriger, fünfsitziger Kleinstwagen; Länge: 3,60 Meter, Breite: 1,63 Meter (mit Außenspiegeln: 1,91 Meter), Höhe: 1,50 Meter, Radstand: 2,40 Meter, Laderaumvolumen: 255 – 1.010 Liter
1,0-Liter-Dreizylinder-Turbobenziner, 74 kW/100 PS, maximales Drehmoment: 175 Nm bei 1.500 – 4.000 U/min, Fünfgang-Handschaltgetriebe, 0-100 km/h: 10,3 s, Vmax: 180 km/h, Normverbrauch: 4,6 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 104 g/km, Effizienzklasse: B, Abgasnorm: Euro 6d-ISC-FCM, Testverbrauch: 7,5 Liter/100 Kilometer
Preis: ab 18.050 Euro (X-Line)

Kurzcharakteristik

Warum: knackiges Getriebe; spontaner Turbo; viel Fahrspaß, großzügige Garantie
Warum nicht: wenig Platz in Fond; hoher Preis; hoher Verbrauch; viel hartes Plastik 
Was sonst: Hyundai i10 T-GDI N-Line, Renault Twingo TCe 90, VW Up GTI

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