Test: McLaren GT

Vor Supersportwagen mit sehr viel Leistung sollte man Respekt haben, zumal sie sich häufig auch nicht ganz einfach fahren lassen. Der McLaren GT ist hier geradezu vorbildlich anders. Wir sind sogar geneigt, im Zusammenhang mit dem Engländer das Wort „Komfort“ fallen zu lassen.

Na klar doch. Man nehme einfach einen Supersportwagen, bastele ein bisschen daran rum, gebe ihm ein wenig mehr Platz für Gepäck mit auf den Weg und behaupte dann, es handele sich um einen GT (Gran Turismo), also einen Wagen für die große Fahrt. Und das mit zwei Türen, einer „Zieh-den-Kopf-ein“-Höhe von 1,21 Metern sowie einem Seitenschweller, der einen zu einem nicht gerade eleganten Plumps in die Slim-Fit-Sportsitze zwingt. Von den 620 Höllen-PS im Rücken ganz zu schweigen. Die bei McLaren können viel erzählen. Aber wissen Sie was? Die Ingenieure und Designer der kleinen Marke mit dem großen Klang nach Formel 1 haben recht: Der McLaren GT ist tatsächlich so etwas wie ein Supersportwagen für jeden Tag. Ein Attribut, das man in dieser Leistungsklasse bislang fast ausschließlich einem Porsche 911 Turbo zugestehen mochte.

Motor und Leistung

Okay, von dessen Alltagstauglichkeit ist der GT doch noch ein bisschen entfernt. Aber für einen McLaren und im Vergleich – sagen wir zum Schwestermodell 720 S – kommt er geradezu kommod daher. Und das liegt sicher nicht am Motor. Auch der GT hat den 4,0-Liter-V8 unter der Haube, hier im Vergleich zum 720S lediglich um 100 PS auf 456 kW/620 PS gezähmt und in der Spitze „nur“ noch 326 statt 341 km/h schnell. Da würden wir mal sagen: Das ist verkraftbar.

 

Da auch der GT wie bei McLaren üblich ein ausgesprochenes Leichtgewicht ist und vor allem dank des Carbon-Chassis auf nur 1.530 Kilogramm kommt, muss ein PS hier noch nicht mal 2,5 Kilo bewegen. Gegenüber einem Aston Martin DB11 und dessen rund 1.800 Kilo ein großer Vorteil. Und so fährt sich der GT auch: natürlich sehr schnell, sehr agil und auch handlich. Und dabei wie erwähnt im Rahmen dieser Fahrzeugklasse auch richtig komfortabel. Hier hilft die serienmäßige proaktive Dämpfung, vor allem wenn man im alltagstauglichen Komfort-Modus unterwegs ist.

Ansonsten werden stattliche 630 Newtonmeter Drehmoment an die Hinterräder geleitet. Wer es drauf anlegt, fährt aus dem Stand in 3,2 Sekunden auf Tempo 100 und in weniger als 10 Sekunden auf 200. Leider konnten wir das angesichts des rheinländischen Verkehrs nicht überprüfen. Ebenso wenig wie die erwähnte Höchstgeschwindigkeit von 326 km/h. Knapp 280 waren es auf abendlicher freier Autobahn mal kurz und wir hatten durchaus das Gefühl, dass wir noch weit von der Leistungsgrenze des Fahrzeugs entfernt waren.

Design und Innenraum

An Grenzen kommt das Fahrzeug lediglich im Stadtverkehr – enge Straßen und Wendemanöver sind seine Sache nicht. Immerhin beträgt die Außenbreite mit Spiegeln lockere 2,10 Meter. Aufpassen beim Parken: Die spektakulären Flügeltüren nehmen geöffnet zwar weniger Raum ein als eine offene normale Türe, das elegante Hochschwingen könnte aber dazu verführen, den Raumbedarf falsch einzuschätzen.

Innen findet man sich auf Anhieb gut zurecht im GT. Das kleine senkrecht angebrachte Infotainment-Display erfordert etwas Eingewöhnung, überfordert aber nicht. Vielmehr ist es schön, dass McLaren hier kein riesiges Display verbaut, schließlich handelt es sich hier trotz komfortablerer Auslegung immer noch um einen Supersportwagen. Das Komfortgefühl wird auch durch die Luftigkeit des Innenraums unterstrichen, kein Vergleich etwa mit einem Lamborghini. Zaubern können aber auch die Interieurdesigner nicht – für Ablagen war im schön gestalteten Cockpit kaum mehr Platz.

Dafür ist man bei McLaren besonders stolz auf die beiden Gepäckabteile. Vorne gibt es eine manuell zu öffnende Klappe, unter der es ähnlich wie bei einem Porsche Platz (150 Liter) für einen Trolley gibt. Die Heckklappe lässt sich sogar elektrisch öffnen, bietet 420 Liter Stauraum. Allerdings erstreckt sich dieser recht flach über dem Mittelmotor, große Koffer lassen sich hier nicht unterbringen.

Trotzdem bietet sich der McLaren GT zumindest für einen Wochentrip auch als Reisefahrzeug an. Lenkung, Bremsen und Bodenfreiheit wurden alltagstauglicher gestaltet als bei anderen Fahrzeugen der Marke, so dass man viel entspannter und stressfreier unterwegs ist. Wer es drauf anlegt, kann den Engländer sogar zumindest in die Nähe der rund 12 Liter Normverbrauch fahren. Wer die sich hinterm Rücken entwickelnde Leistung auch nutzen will, wird wohl wie wir eher mit 15 Litern rechnen müssen. Spätestens hier zeigt sich, dass auch der komfortabelste McLaren immer noch ein Sportwagen der Superlative ist – mit allen Vor- und Nachteilen. Zu denen auch der wettbewerbsübliche Grundpreis von 198.000 Euro gehört, die man problemlos um einige zehntausend Euro für Dinge aus der Optionsliste erhöhen kann. Der GT ist nicht nur ein Traumwagen, sondern leider auch einer, von dem wir nur träumen können.

Technische Daten

Zweisitziger, zweitüriger Supersportwagen; Länge: 4,68 Meter, Breite: 2,05 Meter (mit Außenspiegeln: 2,10 Meter), Höhe: 1,21 Meter, Radstand: 2,68 Meter, Kofferraumvolumen: 570 Liter (v: 150/h: 420)

4,0-Liter-V8-Twinturbo in Mittelmotor-Anordnung, 456 kW/620 PS, maximales Drehmoment: 630 Nm bei 5.500 – 6.500 U/min, Hinterradantrieb, 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, 0-100 km/h: 3,2 s, Vmax: 326 km/h, Normverbrauch: 11,9 Liter/100 km (WLTP), CO2-Ausstoß: 270 g/km (WLTP), Abgasnorm: Euro 6d-temp, Effizienzklasse: G, Testverbrauch: 15,2 Liter/100 Kilometer

Preis: ab 198.000 Euro

Kurzcharakteristik

Warum: ein Supersportwagen mit GT-Qualitäten, seltener als ein Ferrari oder Lambo

Warum nicht: hoher Grundpreis, teurer Unterhalt, dünnes Händlernetz

Was sonst: Aston Martin DB11, AMG GT R, Lamborghini Huracán, Ferrari Roma

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