Test: Seat Leon ST Cupra 280

Das Renn-Laster

Sie sind Familienmensch? Sie wollen jedoch zum Transport von Kind und Kegel keinen SUV oder Van? Brauchen aber trotzdem Platz und Leistung, weil sie meistens zu spät dran sind, um die eigene Brut noch rechtzeitig vor Kindergarten oder Schule abzusetzen? Seat hat da was für Sie, den Leon ST Cupra. Was das ist? Ein fünftüriger Kombi mit mächtig Schmalz unter der Haube. Doch Leistung allein ist ja bekanntlich heute schon lange nicht mehr alles. Denn kann der kompakte Lademeister auch Fahrspaß? Um das herauszufinden, sind wir genau dorthin gereist, wo deutsche Familien im Sommer eben so sind: nach Mallorca.

Fahrbericht 31 seat leon cupra st

ST macht den Leon geräumig, Cupra schnell

Ach ja, Kombis, ein wenig Wehmut kommt auf. Denn früher, als gefühlt noch alles besser war, da hat diese Fahrzeuggattung Generationen von Familien in den Urlaub, zu den Großeltern oder ins Wochenende gebracht. Mercedes-Benz machte mit dem T-Modell den Kombi dann irgendwann edel und Audi mit den Avants hübsch. Und heute? Ist der Kombinationskraftwagen hauptsächlich ein europäisches Phänomen. Amerikaner finden Autos mit nahezu senkrechter Heckklappe und Ladefläche im Innenraum mittlerweile spießig und die kaufwütigen Chinesen wollen lieber eine Limousine mit Beinfreiheit im Fond statt Laderaum im Heck. Allen Völkern gemein ist aktuell nur die Liebe zum Sport Utility Vehicle. Man muss den Spaniern also dankbar sein, dass sie mit dem Seat Leon ST Ende 2013 nicht nur einen wirklich ansprechenden Kombi auf den Markt gebracht haben, sondern Anfang 2015 mit dem ST Cupra auch noch einen richtigen Rennlaster nachgeschoben haben.

Gute Mischung: 1.470l Ladevolumen und 280 iberische Pferdestärken

Doch um wirklich herzhaft mit dem Cupra Kombi racen zu können, muss man etwas genauer in die Preisliste schauen, denn zwischen einfach-nur-zügig-sein und ich-bin-ein-Sleeper-mit-1.470-Liter-Gepäckraum liegen ein paar entscheidende technische Details und mindestens 5.000 Euro, die vom Finanzvorstand im Familienrat erst einmal freigegeben werden müssen. Doch der Reihe nach. Der Spaß beginnt beim Seat Leon ST Cupra 265 mit 32.950 Euro. Wie der Name schon verrät, stehen (meistens) Mann und (seltener) Frau dann 265 PS zur Verfügung. Wir wollen auf diese Variante jedoch gar nicht näher eingehen, denn ihr Verkaufsanteil liegt bei unter 10%. Der Rest greift gleich zur 280 PS Version. Doch Vorsicht, genau hier kann jetzt der erste Fehler gemacht werden, der den Fahrspaß spürbar eintrübt. Unser Tipp: 1.700 Euro sparen, auf das sechsstufige Direktschaltgetriebe verzichten und für 34.250 Euro den handgerissenen Langheck Spanier wählen. Warum? Ja, das DSG schaltet fein, spart auf dem Papier bis zu vier Zehntel Liter Sprit, emittiert weniger CO2 und beschleunigt 0,1 Sekunden schneller auf 100 km/h, doch im sportlichen Einsatz macht das DSG im manuellen Modus kurz vor dem Drehzahlbegrenzer genau das, was speziell die richtigen Rennväter nicht wollen: es schaltet hoch. Für eines der schnellsten Fahrzeuge der Marke, die den Namen „Cupra“ von „Cup Racer“ herleitet, eine bedauerliche Programmierung der Getriebesteuerung. Da hilft nur eins: selber Hand anlagen und immer Herr der Schaltlage sein. Und das kann man im bis zu 250 km/h schnellen Spanier wunderbar. Die sechs Gänge lassen sich präzise in jeder noch so wilden Fahrsituation einlegen und sind wunderbar abgestuft. Schade nur, dass sich das ESP, trotz des Versprechens der Presseabteilung, nicht komplett deaktivieren lässt und manchmal etwas unwirsch das motivierte Treiben am Lenkrad unterbindet.

Fahrbericht 50 seat leon cupra st

Goldener Schnitt: Handschaltung und Performance-Paket

Woher wir das wissen? Nun, auf der Baleareninsel gibt es eine Rennstrecke. Das wussten Sie nicht? Keine 15 Minuten vom Ballermann entfernt, findet man den 3,2 km lange Circuito Mallorca. Natürlich ist das kein FIA Rundkurs für den internationalen Motorsport, aber um dem Cupra auf den Zahn zu fühlen, ist der winkelige Rundkurs genau richtig. Dort „erfuhren“ wir auch den nächsten Tipp für Racer-Mum & Dad: Unbedingt das durch die Getriebewahl gesparte Geld in das Performance-Paket investieren. Für 2.530 Euro bekommt man nicht nur ein wenig Optik & Farbakzente, sondern eine mächtig zubeissende Brembo 4-Kolben-Bremsanlage vorne mit innen belüfteten und gelochten 370 mm Bremsscheiben. Damit sitzt dann auch der Bremspunkt noch bei 30°C Außentemperatur und 70°C Reifentemperatur. Was bei allen Motor-Getriebe-Kombinationen dagegen serienmäßig ist und überraschend gut funktioniert, ist die elektronisch gesteuerte Vorderachsdifferentialsperre. Diese filtert ohne Bremseingriff beim Herausbeschleunigen den Schlupf am kurveninneren Rad heraus und wandelt ihn gekonnt in Traktion um. Unterstützt wird dies durch die an Bord befindliche adaptive Fahrwerksregelung DCC. Per Touchscreen in der Mittelkonsole kann man hier zwischen Comfort, Sport, Individual und Cupra wählen. Wobei mit letzteren Modus keine übertriebene Härte in den 4,54m langen Sportlaster einzieht. Nur die darauf abgestimmte Progressivlenkung bleibt stets etwas gefühllos und dürfte ruhig etwas mehr Präzision und Rückmeldung liefern.

Fahrbericht 37 seat leon cupra st

Michelin Semi-Slicks: der Bauch sagt ja, der Verstand nein.

Und noch etwas stört: der Motorensound. Ja, wir wissen, ein Vierzylinder Turbobenziner wird nie wie ein freisaugender V8 klingen können. Doch trotz der mächtig zupackenden 350 Newtonmeter klingt der 2,0l Motor stets etwas nölig und bei gedrückter Cupra Taste – Dank Soundaktuator – eigentlich nur noch albern. Doch unabhängig davon ist der handgeschaltete Seat Leon ST Cupra 280 eine Wohltat im aktuellen SUV-Wahn. Dieser Kombi ist dank VW-Konzern-Genen nicht nur praktisch, sondern macht auch unter querdynamischen Gesichtspunkten so viel Spaß, dass man die optionalen Schalensitze einfach mitbestellen muss. Das ist dann auch unser letzter Fahrspaß Tipp, denn für 1.350 Euro erhält man in der ersten Reihe ein Gestühl, das den Seitenhalt deutlich steigert, ohne die Alltagstauglichkeit einzuschränken. Nur bei einer Fahrdynamik Option bleiben wir unschlüssig: die 530 Euro teuren Michelin Pilot Sport Cup 2 Semi-Slicks. Diese herrlich klebrigen Pneus im Maß 235/35-19 sind bei sommerlichen Temperaturen auf dem spanischen Eiland zwar schnell auf Betriebstemperatur und funktionieren dann prächtig, doch im grauen deutschen Alltag ist diese Reifenwahl vielleicht nicht immer der Weisheit letzter Schluss für eilige Eltern.

Fazit:

Seat hat mit dem Leon ST Cupra 280 für die Familien eine Lücke gefunden, die einen praktischen Kombi wollen, denen ein Skoda Octavia Combi RS (220 PS, 31.150 Euro) oder Ford Focus ST Turnier (250 PS, 30.050 Euro) aber nicht stark genug und ein VW Golf R Variant (300 PS, 42.925 Euro) einfach zu teuer ist. Diese Rechnung scheint aufzugehen, denn der ST Anteil der in Deutschland verkauften Cupras (Dreitürer, Fünftürer, Kombi) liegt mittlerweile bei rund 50%.

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