Test: Toyota GR Yaris

Denkt man an den Toyota Yaris, kommt als erstes wohl die sparsame Hybridversion in den Sinn. Der Yaris kann aber auch anders als brav.

Kleinwagen in Deutschland warten im Schnitt mit einem Motorenangebot im Leistungsband von 75 PS bis 130 PS auf. Hin und wieder sind auch Ausreißer nach oben vertreten: Polo GTI und Ford Fiesta ST mit je 200 PS oder Hyundai i20N mit 204 PS zum Beispiel. Neuerdings mischt aber ein Japaner die Liga der potenten Kleinwagen richtig auf. Der Toyota GR Yaris leistet 192 kW/261 PS, in Worten ausgeschrieben, damit niemand an einen Tipper glaubt: zweihunderteinundsechzig. Und noch ein hoher Wert hintendran: Mindestens 33.200 Euro kostet der Kleine, mit dem Perfomance-Paket mit sind es 37.700 Euro. 

Freude für PS-Fans

Auf unseren Testwagen mit 261 PS gab es eigentlich nur zwei Reaktionen. Die einen nutzten die Scheibenwischer-Gestik, um ihr Unverständnis zu kommentieren. Die anderen bekamen große Augen, in Vorfreude auf mentalen Fahrspaß schon feuchte Hände und fragten nach weiteren technischen Daten. 

Erfüllen wir die Wünsche von begeisterungsfähigen Petrol-Heads und listen die technischen Daten auf. Das Triebwerk des Dreitürers ist ein 1,6-Liter-Dreizylinder (ja, richtig gelesen: 3-Zylinder), den die Rennsportspezialisten von Gazoo Racing (GR) auf Leistung getrimmt haben. Permanenter Allradantrieb ist immer an Bord; in der von uns gefahrenen Perfomance-Variante gehört noch ein Torsen-Sperrdifferenzial zum Serienumfang, so dass das Drehmoment auch auf der jeweiligen Achse zwischen den Rädern verteilt wird. Apropos Drehmoment: Das maximale Drehmoment von 360 Nm liegt zwischen 3.000 und 4.600 Umdrehungen an. Geschaltet wird manuell, 6 Vorwärtsgänge stehen bereit. Den Standardspurt absolviert der Rennzwerg in 5,5 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit ist bei Tempo 230 abgeregelt. Den Durchschnittsverbrauch gibt Toyota nach WLTP mit 8,2 Litern an. 

Damit kann man richtig Fahren

Soweit die beeindruckenden Daten. Noch mehr imponiert der sportliche Zwerg in der Praxis. Bevor es ans Fahren geht, steht jedoch zunächst ein wenig Gymnastik an. Da die Sportsitze mit definierten Seiten- und Sitzteilen vergleichsweise hoch montiert sind und sich nicht in der Höhe verstellen lassen, gilt es zunächst mit gebeugtem Kopf und geschmeidigem Oberkörper einzusteigen. Ob diese dezent an eine Demutshaltung erinnernde Einstiegspose gewollt ist? Eins ist klar: Das Fahrzeug ist nichts für Fahranfänger oder Gelegenheitsfahrer – und auch nichts für Menschen, die ihre Emotionen nicht unter Kontrolle haben. Denn mit dem ersten leichten Druck aufs Gaspedal vermittelt der kleine Sportler seinen Willen, Fahrfreude, wenn nicht sogar Fahrlust, zu vermitteln. Natürlich kann er geradeaus schnell gefahren werden, auf einer freien Autobahn ist schnell die Marke 200 km/h und mehr erreicht. Macht dies Laune? Naja, geht so. Die Paradedisziplin des GR Yaris sind Kurven. Im engen Geläuf stellt er sein Können unter Beweis. Die Lenkung agiert sehr präzise, die Bremsen packen ordentlich zu, die knackige Schaltung ist eine Freude und das Fahrzeug liegt wie ein Brett auf der Straße. 

Stichwort Brett: Der Fahrkomfort ist bei diesem sportiven Kurvendurcheilen eingeschränkt. Das liegt zum einen an den 18-Zöllern, zum anderen an dem für das Fahren auf Rundstrecken abgestimmte Fahrwerk. Jede Unebenheit wird recht direkt an Gesäß und Rücken weitergegeben. Egal, weiter geht es mit breitem Grinsen im Gesicht. Einzig der Blick auf den Tacho bremst die Fahrfreude ein. Und das Wetter. Bei regennassen und verschmutzen Fahrbahnen sollte man die Grenzen der Physik nicht ausreizen, trotz Allrad. Dieser lässt sich übrigens per Druck-Drehschalter mittels drei Fahrmodi mehr frontlastig (Normal), mehr heckbetont (Sport) oder ausgeglichen (Track) einstellen. Im Zweifelsfalle reagiert aber die Elektronik und bestimmt, was sinnvoll ist. 

Viel Sprit für wenig Auto

Ein Blick auf die Verbrauchsanzeige ernüchtert derweil. Dass der Durchschnittsverbrauch von 8,2 Litern nicht zu halten ist, verwundert nicht. Dass sich der Kleine bei gemäßigten Fahrten gute 11 Liter zieht, schon eher. 14 bis 15 Liter sind es, wenn man ihm ein wenig die Sporen gibt, bei „artgerechter“ Bewegung auf einem Rundkurs dürfte der Verbrauch noch weiter steigen. Wer einen sparsamen Yaris möchte, greift lieber zur Hybrid-Variante. Die lässt sich mit unter 4 Liter im Schnitt bewegen. 

Der GR Yaris unterscheidet sich nicht beim Verbrauch von seinen zivilen Geschwistern. Eigentlich sind es auch eher Cousins. Der GR nutzt zwei verschiedene Plattformbauteile, die für Kleinwagen und für Kompaktwagen kommen zum Einsatz. Optisch hält er sich nicht zurück: Breite Schweller, große Lufteinlässe, rote Bremssättel und Doppelendauspuffendrohre sorgen für Aufmerksamkeit. Innen geht es dezenter zu. Hier haben wir aber eine digitale Tachoanzeige oder ein Head-up-Display für die Geschwindigkeitsanzeige vermisst. Dass der GR nicht unbedingt als Alltagsauto konzipiert wurde, zeigt sich an dem kleinen Kofferraum (174 Liter) und an dem Zugang in den Fond. Die im Vergleich zum normalen Yaris um fast 10 Zentimeter abfallende Dachlinie erschwert den Einstieg auf die zwei hinteren Plätze zusätzlich. 

Der einzige seiner Art

Mit gut 33.000 Euro ist der GR fair eingepreist, neben den Rennsportgenen gehören auch unter anderem Zweizonen-Klimaanlage, Sportpedale, Rückfahrkamera und eine klassische Handbremse (mit der Option zum Wenden auf der Stelle) zum Serienumfang. Das Performance-Paket wartet neben dem Torsen-Sperrdifferenzial und den rot lackierten Bremssätteln noch statt Dunlop Sport Maxx- mit Michelin Pilot Sport-Reifen auf. 

Keine Frage: Der kleine Racer ist aus der Zeit gefallen. Fahrspaß gehört nur bedingt zu gesellschaftlich akzeptierten Kaufgründen. Im normalen Straßenverkehr lässt sich zudem sein Potential aufgrund der Verkehrsdichte und aus Achtung vor Verkehrsregeln nicht „erfahren“. Er sollte seinen Besitzern in der Freizeit auf der Rennstrecke zum Vergnügen dienen. Für den Alltag ist die Hybridvariante die bessere Wahl. 

Technische Daten

Dreitüriger, viersitziger Kleinwagen; Länge: 4,00 Meter, Breite: 1,81 Meter (mit Außenspiegeln: k.A.), Höhe: 1,46 Meter, Radstand: 2,56 Meter, Kofferraumvolumen: 141 Liter

1,6-Liter-Dreizylinder-Turbobenziner, 192 kW/261 PS, maximales Drehmoment: 360 Nm bei 3.000 – 4.600 U/min, Sechsgang-Handschaltgetriebe, Allradantrieb, 0-100 km/h: 5,5 s, Vmax: 230 km/h (abgeregelt), Normverbrauch: 8,2 Liter/100 Kilometer (WLTP), CO2-Ausstoß: 186 g/km (WLTP), Testverbrauch: 11,6 Liter, Abgasnorm: Euro 6d, Effizienzklasse: G, 
Preis: ab 33.200 Euro (mit Performance-Paket: 37.690 Euro)

Kurzcharakteristik

Warum: 261 PS!
Warum nicht: 261 PS!
Was sonst: zurzeit in seinem Segment konkurrenzlos

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