Test: VW Golf R

Noch immer ist für viele Autofahrer der Golf GTI die Krönung der Baureihe. Dabei gibt es ja schon seit 2003 auch die R-Modelle. In der achten Generation leistet der Turbobenziner nun 235 kW/320 PS. Seine wahren Stärken liegen aber gar nicht unbedingt allein bei den Fahrleistungen.

Besonders sportliche Versionen von im Grunde recht zivilen Basisfahrzeugen ziehen häufig mehr Blicke auf sich als „echte“ Sportwagen. Ein Porsche 911 etwa gehört heute einfach zum normalen Straßenbild und ruft kaum noch große Begeisterungsstürme hervor. Wer es auf Aufmerksamkeit anlegt, fährt paradoxerweise mit einem Golf besser, allerdings nicht mit einem schnöden Diesel oder normalen Benziner, selbst ein GTI reicht da nicht.

Sportlichkeit sieht man schon von außen

Wenn allerdings im Heck ein „R“ hinter „Golf“ steht, dann sieht die Sache schon anders aus. Selbst wer die dynamische Variante des bürgerlichen Bestsellers nicht explizit kennt, dem wird die Optik gleichzeitig vertraut und irritierend anders vorkommen. Das liegt natürlich daran, dass Volkswagen schon beim Außendesign in die Vollen geht. Da gibt es zum Beispiel extra große Lufteinlässe an der Front, Frontstoßfänger mit Frontspoiler und natürlich auch eine blaue Querspange am Kühlergrill. Das Heck wird durch einen noch relativ dezenten Dachspoiler sowie den schwarz glänzenden Diffusor mit vier Endrohren versportlicht. Der im Vergleich zum Normalo-Golf um 2 Zentimeter abgesenkte, muskulöse Corpus steht zudem auf 18-Zoll-Felgen der ansehnlichen Art. 

Wem das alles nicht reicht, der ordert das Performance-Paket. Hier wird nicht nur die mögliche Höchstgeschwindigkeit von 250 auf 270 km/h angehoben (wer´s braucht), es gibt zu den vier wählbaren Fahrmodi Comfort, Sport, Race und Individuell noch zwei obendrauf: Special und Drift. Während im letztgenannten Modus die Verwendung klar sein dürfte (bitte nur auf abgesperrter Strecke probieren), versteckt sich hinter Special eine Programmierung, die eben „speziell“ auf die Nordschleife des Nürburgrings abgestimmt ist. Obendrauf gibt es einen auffälligeren Heckspoiler in Motorsport-Optik und die Felgengröße wird auf 19 Zoll angehoben. 

Klang nicht so überzeugend

Genug geschaut, es geht hinters Lenkrad. Und da wird man auf den ersten Blick leicht enttäuscht: Der R gibt sich im Großen und Ganzen von hier aus wie ein normaler Golf, vor allem aber klingt er auch so. Der Motor ist akustisch eher brav, da kann auch der alberne Soundgenerator im Innenraum nicht drüber hinwegtäuschen. Im Comfort-Modus fährt der R-Golf auch entsprechend kommod an. Das allerdings entpuppt sich während der Testzeit nicht als Schwäche, sondern als große Stärke des Modells. Die Wolfsburger haben es geschafft, den Über-Golf absolut alltagstauglich zu machen. Schließlich verbringt man die meiste Zeit auch in einem Sportwagen nicht auf einsamen Landstraßen oder Alpenpässen, sondern fährt mit 50 durch die Stadt oder hält sich in Tempolimit-Bereichen der Autobahn auf. Trotz der straffer ausgelegten Stabilisatoren und Federn fährt der R dann nachgerade komfortabel, was sicher nicht nur am Fahrwerk, sondern auch an den sportlich-kommoden Sitzen liegt, die zusätzlich viel Härte wegbügeln. 

Aber es geht natürlich auch anders, schließlich schlägt unter der Haube die neueste Ausbaustufe den 2,0-Liter-Turbobenziners. Der Vierzylinder bringt es auf 235 kW/320 PS und stellt das Maximal-Drehmoment von 420 Nm über ein breites Band zur Verfügung – von 2.100 bis 5.350 U/min. Das entspricht übrigens einem Zuwachs von 20 PS und 20 Nm gegenüber der vorherigen Generation. 

Sportlicher als der GTI

Mit dem R-Knopf am Lenkrad lassen sich die Fahrprofile auswählen, schon bei Sport geht es ganz anders zur Sache. Hier zeigt sich auch, dass im stärksten Golf viel ernsthafte Ingenieursarbeit steckt und man sich nicht mit optischem Zierwerk und einem starken Motor zufriedengibt. Wo der Golf GTI noch seinem Image als Breitensportler frönt, kann man den R schon zumindest als Halbprofi einordnen.

Und nicht vergessen darf man, dass der Golf R im Gegensatz zum GTI einen Allradantrieb an Bord hat. Das 4Motion-System hat serienmäßig ein sogenanntes „Performance Torque Vectoring“ an Bord. Das heißt: Das Hinterachsgetriebe verteilt die Antriebskraft nicht nur zwischen den Achsen, sondern auch variabel zwischen dem linken und rechten Hinterrad. So können die zwei Kupplungen bis zu 100 Prozent des Drehmoments an das kurvenäußere Rad übertragen. Zusätzlich hat VW den Allradantrieb mit der elektronischen Differenzialsperre und dem adaptiven Fahrwerk vernetzt.

Fängt schon hoch an beim Preis

So verhält sich der R selbst in sehr schnell angesteuerten Kurven äußerst stabil, es ist quasi unmöglich, das Fahrzeug in eine Untersteuerung zu bringen. Zudem macht diese Art der Agilität vor allem in Verbindung mit der serienmäßigen Progressivlenkung großen Spaß, auch wenn man sich vom ebenfalls serienmäßigen Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe manches Mal eine schnellere Reaktion wünschen würde. 

Im üppigen Basispreis von knapp über 50.000 Euro sind immerhin einige Dinge wie Navigation, Sportsitze oder Ambiente-Licht enthalten. Dass die Preisliste noch viele Optionen offeriert, die den Endpreis schnell deutlich über 60.000 Euro treiben können, ist wohl für niemanden eine Überraschung.

Falsche Fehlermeldungen verunsichern

Eher schon die mit der achten Generation des Golf einhergehenden und auch beim R-Modell vorhandenen Bedienschwächen, etwa bei der Einstellung der Temperatur mittels der bereits viel kritisierten Slider. Sie reagieren mindestens ungenau und mit Verzögerung, zudem ist es nicht möglich, sie zu bedienen, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. Richtig ärgerlich und dem R-Spaß abträglich waren die mit jedem Neustart auftretenden zwei bis drei Fehlermeldungen, die sich immer als falsch herausstellten, jedoch für Verunsicherung sorgen. Von der großen Stärke früherer Golf-Generationen – einfache, geradezu narrensicherere Bedienung – ist nicht mehr viel übriggeblieben.

Wir wollen den Testbericht aber nicht unversöhnlich schließen. Denn der Golf R kann schließlich alles das gut, wofür man ihn kauft, also was direkt mit Autofahren zu tun hat. Der druckvolle Motor, das perfekte und absolut alltagstaugliche Fahrwerk sowie der gelungene optische Gesamtauftritt bleiben in Erinnerung. Den hohen Preis, die schmale Garantie, die Bedienschwächen und den zu hohen Praxisverbrauch wird der Käufer des sportlichsten aller Gölfe gelassen hinnehmen müssen. 

Technische Daten
Fünftürige, fünfsitzige Kompaktlimousine; Länge: 4,29 Meter, Breite: 1,79 Meter (mit Außenspiegeln: 2,07 Meter), Höhe: 1,46 Meter, Radstand: 2,63 Meter, Kofferraumvolumen: 374 – 1.230 Liter
2,0-Liter-Turbobenziner, 235 kW/320 PS, maximales Drehmoment: 420 Nm bei 2.100 – 5.350 U/min, Allradantrieb, Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, 0-100: 4,7 s, Vmax: 250 km/h (mit Performance-Paket: 270 km/h), Normverbrauch: 7,8 – 8,1 Liter/100 Kilometer (WLTP), CO2-Ausstoß: 176 – 183 g/km, Abgasnorm: Euro 6d-ISC-FCM, Effizienzklasse: D, Testverbrauch: 9,4 Liter/100 Kilometer
Preis: ab 50.220 Euro

Kurzcharakteristik
Warum: hoher Fahrspaß, starker Motor, tolles Fahrwerk, große Spreizung zwischen komfortabel und sportlich  
Warum nicht: teuer in der Anschaffung, hoher Praxisverbrauch, ausgeprägte Bedienschwächen, Elektronikprobleme
Was sonst: Audi S3, BMW 340i XDrive, Mercedes AMG A35 4Matic

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