VW Passat Variant: Der König lebt

Der König der Dienstwagen verliert seit Jahren an Strahlkraft. Doch für die Herrschaft in der Mittelklasse reichen die Tugenden des VW Passat immer noch.

Der Thron des einstigen Dienstwagenkönigs wackelt: Die Mega-Trends SUV und Elektrifizierung nehmen den VW Passat aktuell kräftig in die Zange, die Zulassungszahlen sinken auf hohem Niveau. Für das Altenteil ist der Mittelklassekombi aber noch viel zu gut.

Das Ende des Passat-Zeitalters?

Mit knapp 60.000 Neuzulassungen war der Passat auch 2019 mit deutlichem Vorsprung das beliebtestes Mittelklassemodell in Deutschland. Doch den Bedeutungsverlust des Segments kann auch der Verkaufs-Primus nicht stoppen: Lediglich jeder zehnte Neuwagen in Deutschland ist noch ein klassisches Mittelklasseauto, zu Anfang des Jahrzehnts war es noch fast jeder vierte. Ein Trend, der auch den Passat-Verkaufszahlen zusetzt. Einer der Gründe für die sinkende Nachfrage: Der Siegeszug der modischeren und kaum weniger geräumigen SUV. Mit Tiguan, Tiguan Allspace und zumindest teilweise dem Touareg hat der Passat starke Konkurrenz im eigenen Haus dazubekommen.

Konkurrenz mit den E-Autos

Und nun kannibalisiert auch noch die neue Elektroauto-Flotte: Den Kompaktwagen ID3 etwa bewirbt VW höchstselbst mit einem Platzangebot auf Passat-Niveau. Zumindest, was die Passagiere angeht. Auch die Konzernlenker aus Wolfsburg rücken vor diesem Hintergrund bereits öffentlich von ihrem einstigen Parademodell ab: Zwar haben sich die Gerüchte um ein komplettes Aus für die Baureihe längst wieder verflüchtigt, doch die Produktion der neuen Generation (ab 2023) wird nach Tschechien verlegt, wo sie dann ausschließlich als Kombi und gemeinsam mit dem Skoda Superb vom Band rollt.. Im Stammwerk Emden fahren stattdessen künftig E-Autos vom Band.

Dennoch wirkt er nicht veraltet

Für einen Abgesang ist es aber zu früh, wie ein Test des aktuellen Modells zeigt. Fast 50 Jahre Tradition haben den Passat nicht alt, sondern reif werden lassen – was man bereits direkt nach dem Einsteigen deutlich merkt. Raumgefühl und Platzangebot vorne sind sehr gut, der Fahrerarbeitsplatz ist prinzipiell sachlich eingerichtet, wartet aber mit interessanten Details wie dem fast durchgehenden Lüftungsschlitz über dem Armaturenbrett oder dem rahmenlosen Innenspiegel auf. Materialien und Verarbeitung liegen auf dem hohen VW-Niveau der vergangenen Jahre.

Dass der Innenraum trotz immerhin schon sechs Jahren Bauzeit nicht altbacken wirkt, liegt an der gelungenen Integration des neuen Infotainment-Systems. Dessen hohe Auflösung und teils gefällige Grafik prägen nicht nur die Darstellung des Zentralbildschirms in der Mittelkonsole, sondern auch das Instrumenten-Display hinterm Lenkrad. Flankiert wird die Touch-Bedienung anders als im neuen Golf noch von zahlreichen klassischen Tastern und Schaltern, was die Bedienung deutlich erleichtert. Lediglich das Fehlen des Drehknopfs für die Lautstärke-Regelung wirkt auch hier wie eine eher unglückliche Zeitgeist-Entscheidung.

 

 

Ganz unabhängig von Moden ist der größte Vorzug des Passat der üppige und praktisch zugeschnittene Kofferraum. Bis zu 1.780 Liter finden hinter der vergleichsweise steil stehenden Heckklappe Platz – mehr als bei vielen Segments-Konkurrenten, die die flotte Form der optimalen Raumökonomie vorziehen. Die eher waagrechte Dachlinie kommt zudem den Fond-Passagieren zugute, die sich über deutlich mehr Kopffreiheit als etwa in der Passat-Limousine freuen können.

Wie lange der Benziner im Angebot bleibt – ist ungewiss

Ausgereift gibt sich der Passat auch auf der Straße. Der lange Radstand und die breite Spur machen es dem Fahrwerk leicht, für satte Asphaltlage und guten Federungskomfort zu sorgen. Dazu kommen durchaus ordentliche Dynamik-Fähigkeiten, die auch von dem Basisbenziner nicht übermäßig eingebremst werden. Der 110 kW/150 PS starke Vierzylinder-Turbo bietet schon aus niedrigen Touren ausreichend Durchzug, stellt hinreichende Reserven für den Zwischenspurt beim Überholen und kommt erst deutlich oberhalb der Richtgeschwindigkeit aus der Puste. Wer vernünftig fährt und das manuelle Sechsganggetriebe früh in den richtigen Gang drückt, bekommt den Spritverbrauch zudem unter die Sechs-Liter-Marke. Für einen Einstiegsmotor verlangt der 1.5 TSI bemerkenswert wenig Zugeständnisse von seinem Fahrer. Einen Diesel vermisst man eigentlich nur für ausgiebige Langstreckenfahrten mit höherem Tempo oder permanenten Stadtverkehr. Dort nämlich langt der Benziner im großen und schweren Passat deutlich energischer zu als bei gleichmäßiger Fahrt über Land. Wie lang der Motor noch im Angebot bleibt, ist aber ungewiss. Laut Datenblatt erfüllt er trotz des gerade erst erfolgen Liftings der Baureihe nur Euro 6d-Temp-EVAP-ISC – im kommenden Jahr ist er in dieser Form nicht mehr zulassungsfähig.

 

 

In Hybrid-Variante sehr lohnenswert

Preislich startet der Mittelklassekombi bei 30.260 Euro. Dafür gibt es die „Conceptline“-Ausstattung, die funktional bereits das Wichtigste bietet. Der weiteren Aufrüstung sind allerdings enge Grenzen gesetzt, viele Assistenten, Komfortfunktionen oder Designextras gibt es auch nicht für Geld, sondern erst in den höheren Linien. Wer mehr als die Grundausstattung wünscht, muss sich daher eher Richtung 35.000 Euro orientieren. Eine Automatik kostet weitere 2.200 Euro Aufpreis, wer einen Diesel (110 kW/150 PS) will, zahlt mindestens 32.750 Euro, in ordentlicher Ausstattung steigt der Preis über 37.000 Euro. Finanziell attraktiver wirkt im direkten Vergleich die Plug-in-Hybridvariante GTE, die nach Abzug des Umweltbonus für rund 38.000 Euro zu haben ist, aber bereits mit sehr umfangreicher Ausstattung aufwartet.

Ein Schnäppchen war der Passat noch nie. Aktuell macht ihn die unflexible Ausstattungspolitik vor allem bei Sonderwünschen noch etwas teurer. Im Gegenzug bietet er sehr gute Platzverhältnisse, ein wertiges und modernes Ambiente sowie ein hohes Niveau beim Fahrkomfort. Mit modischen SUV-Stil kann er zwar nicht dienen, dafür fällt der Realverbrauch vor allem auf der Autobahn niedriger aus. Ein guter Grund, den König der Dienstwagen noch eine Weile regieren zu lassen.

Technische Daten – VW Passat Variant:

Viertüriger Mittelklassekombi mit fünf Sitzplätzen. Länge: 4,77 Meter, Breite: 1,83 Meter, Höhe: 1,48 Meter. Radstand: 2,79 Meter, Ladevolumen: 650 bis 1.780 Liter.

1,4-Liter-Turbobenziner; 110 kW/150 PS, maximales Drehmoment: 250 Nm bei 1.500 – 3.500 U/min, Frontantrieb, manuelle Sechsgangschaltung, 0-100 km/h: k.A., Vmax: 220 km/h, Normverbrauch: 5,1 – 5,3 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 117 – 122 g/km, Abgasnorm: Euro 6d-TEMP-EVAP-ISC, Effizienzklasse: B – A, Testverbrauch: 6,5 Liter/100 Kilometer; Preis ab: 30.260 Euro.

Kurzcharakteristik VW Passat:

Warum: das überzeugendes Gesamtpaket

Warum nicht: hohes Preisniveau

Was sonst: Opel Insignia, Ford Mondeo, Peugeot 508

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