News: 25 Jahre Lamborghini Diablo – Teuflisch stark
Diablo! Typisch Lamborghini stand dieser Name zunächst einmal für einen teuflischen Tritt ins Kreuz bei jedem Tempobefehl. Der Sprint auf 100 km/h gelang dem 326 kW/492 PS starken V12 in exakt 4,09 Sekunden und die Vmax wurde mit 325,2 km/h angegeben. Jede Stelle hinter dem Komma zählte vor 25 Jahren, schließlich holte der dramatisch designte Diablo so den begehrten Titel „Schnellster Seriensportwagen der Welt“ zurück nach Sant’Agata Bolognese. Was zugleich eine Demütigung der meist rot lackierten Rivalen aus Maranello bedeutete. Damit nicht genug. Mit dem Kapital des neuen Lamborghini-Eigentümers Chrysler sollte der Countach-Nachfolger Diablo die Maßstäbe im Highend-Bereich der Supersportwagen grundsätzlich verschieben. Dort, wo zuletzt der Ferrari F40 mit 324 km/h die Tempospitze markiert hatte, die Käufer des 315 km/h schnellen Porsche 959 vergeblich auf einen Nachfolger hofften und sich stattdessen Jaguar XJ 220 und Bugatti EB110 scharf machten, um 1992 die 340-km/h-Marke zu knacken. Gar nicht zu reden vom noch schnelleren McLaren F1. Es war eine Ära des Geschwindigkeitsrauschs, in der sich Lamborghini mit dem Diablo als fast perfekter Symbiose aus überlegener Technik und vollendeten Formen ins 21. Jahrhundert katapultierte – und sich so plötzlich unter dem Dach der Audi AG wiederfand.
So weit, so schnell. Am Anfang der Diablo-Story stand aber im Jahr 1985 zunächst einmal die Suche nach neuen Geldgebern für das Werk in Sant’Agata und die Entwicklung eines radikalen Racers, der nicht weniger rebellisch war als die zu ersetzende automobile Rakete namens Countach. Immerhin verdankte die Marke im Zeichen des Stiers dem Countach ihren Wiederaufstieg aus den tiefen Tälern der finanziellen Katastrophen nach dem schon 1973 erfolgten Ausstieg des Unternehmensgründers Ferruccio Lamborghini. Was dem keilförmigen Countach gelungen war, sollte das neue Geschoss nun ebenfalls schaffen. Für Countach-Designer Marcello Gandini eine Herausforderung, die er nur zu gerne annahm. Tatsächlich gerieten seine ersten Entwürfe für den Diablo sogar so radikal, dass Chrysler als neuer Lamborghini-Eigentümer zur Mäßigung aufrief und Gandini von einer Glättung der Formensprache überzeugte. Euphorisierende Begeisterung beiderseits des Atlantiks entfachte dafür die Topspeed von 337 km/h, mit der bereits die Prototypen in Nardo ihre Runden drehten. Das Entwicklungsprojekt 132 schien das Potenzial für Weltrekorde zu bieten, vor allem die für Nordamerika – dem weltgrößten Luxusmarkt – so imageträchtige 200-mph-Schallmauer konnte geknackt werden. Wollten doch amerikanische Supercar-Käufer stets die Schnellsten sein – allerdings weniger in der Realität als im Wunschdenken.
In der Praxis waren es stattdessen meist Motorjournalisten, die den Diablo feierten – als einen der ersten Plus-300-km/h-Renner, der auch bei Fahrbahnunebenheiten, leichten Windböen und sanft geschwungenen Autobahnkurven auf Kurs blieb. Der Diablo war kein Papiertiger wie die vielen Powercars, die nur im Prospekt Rekorde aufstellten. Vielmehr war dieser nach einem besonders wilden Kampfstier benannte Lamborghini ein furioser Stratosphären-Jäger, der auch verfolgende Ferrari nicht fürchtete. Und der standfest blieb, wenn manch anderer Tempobolzer durch thermische oder sonstige Defekte längst liegengeblieben war. Sogar in Langstreckentests der Fachmedien gab es nur Lobeshymnen zu lesen. Qualitäten, die Ende der 1990er Jahre auch die Audi-Ingenieure und Ferdinand Piech begeisterten, als es eigentlich nur darum ging, ob das Audi-A8-Triebwerk einen sogenannten Baby-Lamborghini befeuern sollte.
Im Januar 1990 stand aber erst einmal die glamouröse Premierenparty für den Diablo auf der Agenda. Und wo hätte diese fettere Schlagzeilen gemacht und mehr kaufkräftige Millionäre angezogen als im Sporting Club von Monaco mit musikalischer Unterstützung durch Startenor José Carreras? Gastgeber der Gala war der charismatische Chrysler-Chef Lee Iacocca, der zuerst den Detroiter-Giganten aus der Asche zu neuem Glanz geführt hatte und ein solches Kunststück nun bei Lamborghini wiederholen wollte. Das verwöhnte Premierenpublikum in Monaco war begeistert von Show und Fahrzeug und tatsächlich trafen mehr Vorbestellungen für den Diablo ein als von den Auguren erwartet. Immerhin war der Diablo ein 393.000 Mark teures Auto, was 30 Prozent Preisaufschlag gegenüber dem Countach entsprach.
An diesen Vorgänger erinnerte der Diablo optisch durch das spektakuläre Designmerkmal der „Tore zum Himmel“. In dieser Form einzigartige, weit aufschwingende Scherentüren, die einen extraordinären Einstieg ins Cockpit des Fighters gewährten. Oberhalb der Hinterachse saß der neu konstruierte 362 kW/492 PS starke 5,7-Liter-V12 und vor der Achse zwei Ölkühler, die nicht weniger als 13 Liter Schmierstoff für das Kraftwerk zu temperieren hatten. Trotz einer Karosserie aus Leichtmetall und Karbonfiber und eines ebenfalls auf Leichtbau getrimmten Stahlgitterrahmenshatte der 1,6 Tonnen schwere Diablo an Gewicht gegenüber dem Countach deutlich zugelegt. Vor allem als optionale Allradversion VT, dafür glänzte der Diablo durch perfekter ausbalancierte Fahrtalente und überraschend viel Komfort. Nicht zu vergessen der imaginäre Lorbeerkranz des schnellsten Serienautos.
Dieser spielte schon 1992 kaum noch eine Rolle. Nicht weil die neuen Konkurrenten nach ihm griffen, sondern weil Lamborghini schon wieder in eine wirtschaftliche Krise schlitterte. Eine globale Rezession bremste den Luxusmarkt ein und Lamborghini verkaufte 1992/93 nur noch jeweils rund 170 Autos. Daran änderte auch ein Novitätenfeuerwerk nichts. Dazu gehörte 1992 ein heißer Sonnenwind in Form einer Diablo Roadster-Studie (der Verkauf der Serienversion des schnellsten Cabrios der Welt startete drei Jahre später), der 333 km/h rennende Diablo SE zum 30. Jubiläum von Lamborghini als Sportwagenbauer oder 1995 der Diablo Jota mit 427 kW/580 PS als Antwort auf den Ferrari F50. Als Sant’Agata für 1996 auch noch eine erfolgreiche Kunden-Sportserie mit Diablo SV-R für Läufe in Le Mans oder auf dem Nürburgring vorbereitete und die dunkelroten Bilanzfarben ins Schwarze changierten – da hatte Chrysler die Marke mit dem Kampfstier bereits verkauft.
Neuer Eigner war ein Konsortium aus Malaysia und Indonesien, Geschäftsleute, die durchaus geschickt agierten. Hätte es nicht 1997 die Asienkrise gegeben. Entsprechend schnell trennten sich die asiatischen Lamborghini-Eigentümer von der Kultmarke, als sich 1998 Audi an einer Übernahme interessiert zeigte. Die anspruchsvolle Kundschaft war begeistert. Zumal ein 6,0-Liter-V12 den betagten Diablo 338 km/h schnell machte – 18 km/h mehr als der 550 Maranello als damals flottester Ferrari bieten konnte. Nach immerhin wieder 213 Diablo im Jahr 1998 konnte Lamborghini im Jahr 2000 schon wieder rund 300 der Racer ausliefern. Tatsächlich sagen viele Fachleute und Fans der letzten bis 2001 gebauten Serie sogar nach, die Beste gewesen zu sein. So viel Entwicklungsarbeit hatte Audi noch investiert, obwohl schon im Oktober 2001 der Murciélago als Nachfolger mit scharfen Hufen scharrte.
Autor: Wolfram Nickel/SP-X
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