Die Jugend lässt sich auch mit Hilfe plastischer Chirurgie und speziellen Spritzen nicht mehr überzeugend einfangen, aber ein bisschen Schwelgen vermittelt vielleicht – für Momente – das einstige Lebensgefühl. Fiats Chefdesigner Roberto Giolito und sein Team haben sich noch einmal über den Entwurf von Dante Giacosa gebeugt und das getan, was eigentlich unter Autodesignern als verpönt gilt: sie durften mal richtig nostalgisch werden. Die Sonderedition 500 Vintage ´57 feiert mit Bicolore-Lackierungen, Weißwandoptik für die Räder und einem Retro-Innenraum das Jahr, in dem der Cinquecento debütierte und es auch in Italien wieder aufwärts ging. Fifties- und Cinquecento-Fans dürfen ihn bei Händlern ab Mitte April auch nördlich der Alpen erwarten. Preise stehen noch nicht fest, aber der kleine Latin Lover dürfte knapp unter 17.000 Euro kosten.
Die Sowjetunion war 1957 sehr mit sich zufrieden: mit ihrem Sputnik hatte sie im Rennen um die Beherrschung des Weltalls die erste Etappe gewonnen. Man mag das damals in Turin zur Kenntnis genommen haben, aber was dort eher zählte, war die Premiere eines kleinen, erschwinglichen Autos, das mit 13 PS und einem rundlichen aber kompakten Design auf Anhieb die Herzen, Brieftaschen und Straßen eroberte. Der „Nuova 500“, der den nicht minder legendären „Topolino“ ersetzen sollte, fuhr im Triumpfzug durch Turin, begleitet von vielen schönen Signorine, deren Petticoat-Kleider tatsächlich im kleinen Innenraum Platz fanden. Wie der deutsche Käfer oder die französische Ente gab der millionenfach verkaufte Fiat Cinquecento dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg und der Massenmobilität ein optimistisches Gesicht. Vor 58 Jahren wurde auch Italiens erster Supermarkt eröffnet und Federico Fellinis „La Strada“ gewann als erster ausländischer Film einen Oscar.
Um den Vintage 500 57 mit eingebautem Lebensgefühl gebührend zu inszenieren, hatte Fiat in die erste Fabrik des Turiner Unternehmens eingeladen, die heute das Museum beherbergt. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Ur-Ahnen trugen die Macher liebevoll Wohnzimmer und Küchen zusammen. Fiat baute einst neben Flugzeugmotoren auch Kühlschränke.
Der neu-alte 500 ist auch kein zukunftweisender Technologieträger, er erinnert an eine Zeit, in der Lifestyle noch Dolce vita hieß. In diesem Sinne versucht der aktuelle Vintage-Trend im sehnsüchtigen Blick zurück, die wachsende Komplexität heute zugunsten einer einfacher wirkenden Welt auszublenden.
Die Sonderedition des 500, die längst nicht mehr in Turin gefertigt wird, hat ein eigenes Farbpaket bekommen, das neben den für die damalige Zeit typischen Pastelltönen auch ein weißlackiertes Dach beinhaltet. Dazu gibt es ebenfalls weiße Felgen mit verchromten Radkappen. Der Innenraum mit klassischen Fiat-Logos ist in der ebenfalls historischen Farbe Elfenbein gehalten und bietet Kennern italienischen Möbeldesigns etwas Besonderes: die Lederbestuhlung in Braun stammt von der berühmten Manufaktur Poltrona Frau.
Das Retro-Moment gilt nur für die Erscheinung, die über die modernen Motoren, Getriebe, Assistenzsysteme und das Infotainment gestülpt wurden. Für den Antrieb stehen in Deutschland die bekannten Benziner 1.2 8V (51 kW/69 PS) und der Zweizylinder TwinAir (63 kW/85 PS) zur Auswahl.
Bald ist Sommer, die Damenmode verspricht wieder feminine weite Kleider. Man bekommt Lust auf Gelati, im Fernsehen läuft vielleicht ein Film mit Sophia Loren. Und man fängt an, im Auto „Volare“ zu singen. Aber man kann nicht alles haben: Domenico Modugnos Welthit erreichte erst 1958 die Charts.
Autor: Alexandra Felts/SP-X