Eigentlich sollte an dieser Stelle etwas über den neuen Angriff des gelifteten Ford Focus auf den Dauerbestseller VW Golf stehen. Allerdings wäre das Unsinn: Denn zumindest global gesehen hat der Kölner Kompakte seinen Wolfsburger Widersacher bei den Neuzulassungen schon längst hinter sich gelassen. Ausgerechnet in Deutschland will das mit der Marktführerschaft bislang aber nicht klappen. Warum das so ist, zeigt auch die neueste Auflage.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen Der Focus ist ein gutes Auto, seit dem Facelift sogar ein sehr gutes. Die kalte Präzision, die ausgereifte Perfektion und die klassenlose Eleganz seines Hauptwettbewerbers –und damit die Punkte, die die deutschen Käufer offenbar besonders ansprechen – gehen ihm allerdings weiterhin ab. Ein Stück weit ist das genetisch begründet. Während der Golf als deutsches Auto die Welt erobern will, ist der Focus ein Weltauto, das auch Deutschland erobern soll. Zwar wurde der Ford weitestgehend in Köln entwickelt, aber eben so, dass er auch in Knoxville, Tennessee oder Kanton, China funktioniert.
Vielleicht war das der Grund für das etwas krude Design bei der Markteinführung Mitte 2011. Das Lifting verschönert nun zumindest die Vorderseite, wo ein großer Haifischmaul-Kühler ein wenig an die Design-Sportwagen von Aston Martin denken lässt. Am weiterhin unübersichtlich gestalteten und verbauten Heck gibt es bei der Limousine aber immer noch die seltsamen Heckleuchten in Entenfuß-Optik. Ebenfalls verbessert, aber ebenfalls nicht konsequent, präsentiert sich der Innenraum, wo die unpraktische und unübersichtliche Knöpfchen-Flut endlich gewichen ist. Vor allem der neue Touchscreen ist in dieser Hinsicht ein Gewinn. Unterteilt in vier Flächen sind dort die Bedienmenüs für Audiosystem, Navigation, Klimaanlage und Bordcomputer hinterlegt. Das sieht gut aus und funktioniert intuitiv – warum allerdings die Tasten „Home“ und „Einstellungen“ so winzig sind, dass man sie kaum mit dem kleinen Finger treffen kann, bleibt ein Rätsel.
Vielleicht, weil Ford davon ausgeht, dass man für die Bedienung in erster Linie die neue Sprachsteuerung nutzt. Das klappt beim Focus tatsächlich auch besser als bei den meisten Wettbewerbern, bis zur Perfektion ist es aber noch ein gutes Stück Weg, denn die Gespräche mit der freundlichen Computerstimme dauern gefühlt ewig, zumindest wenn es um kompliziertere Inhalte geht als die Heizungstemperatur zu regulieren. Dann verfällt das digitale Gegenüber gerne ins Faseln, so dass man irgendwann doch genervt auf den Touchscreen drückt und Reiseziel oder Telefonnummer per Hand eingibt.
Aber selbst Pedanten dürften versöhnt sein, wenn sie sich hinter das Steuer setzen. Dort wird nämlich klar, dass es gar keine zigtausend Messreihen zur Fahrergröße braucht, wie sie VW bei der Entwicklung des Golf durchgeführt hat. Der Focus passt auch so. Generell ist es einer der Vorzüge des Kölners, dass er dem Fahrer ganz unaufgeregt das Gefühlt gibt, der Herr über das Fahrzeug zu sein. Die Lenkung ist direkt und präzise, das Fahrwerk straff und verbindlich, der Motor souverän und zurückhaltend. Immer noch zählt der Focus so zu den dynamischsten Modellen seiner Klasse, ohne dabei mit Fahrwerkshärte oder zu spitzem Fahrverhalten zu nerven.
Für den Antrieb sorgt im Testwagen der letzte verbliebene Zweiliter-Diesel der Baureihe (mit Ausnahme des Sportmodells ST), die übrigen sind mittlerweile durch den neueren 1,5-Liter-Selbstzünder ersetzt. Zum alten Eisen zählt der große Motor mit 110 kW/150 PS aber nicht, kombiniert er doch gute Fahrleistungen und kräftigen Durchzug mit ordentlicher Laufruhe und vertretbarem Verbrauch. Knapp 5,5 Liter genehmigt sich der Vierzylinder, wenn man ihn frühzeitig über das knackige Sechsganggetriebe zum Langsamdrehen zwingt. Das ist kein Problem, denn auch im Tourenkeller liegen dann immer noch üppige 370 Nm an.
Mindestens 25.710 Euro verlangt Ford für den kräftigen Diesel-Focus. Weil die Ausstattung auch in der Basis schon üppig ist, ein fairer Preis. An Bord sind Notwendigkeiten wie Klimaanlage und Radio, aber auch Luxus wie Navigationssystem und Lederlenkrad. Für weitere 1.150 Euro gibt es zusätzlich im Paket diverse Assistenzsysteme wie Tot-Winkel-Warner und Verkehrszeichenerkennung.
Ob das Paket aus Sportlichkeit, fairem Preis und kleineren Lässigkeiten beim Feinschliff reicht, um dem Golf auch in Deutschland und Europa gefährlich zu werden, bleibt jedoch fraglich. Dem einzelnen Autokäufer kann das letztlich aber egal sein. Der Focus ist spätestens seit dem Facelift ein richtig guter Kompaktwagen. Nicht nur auf chinesischen und amerikanischen, sondern auch auf deutschen Straßen.
Autor: Holger Holzer/SP-X