Der Genfer Salon ist nicht nur der traditionelle Start in den europäischen Autofrühling, sondern alljährlich auch eine Leistungsschau der Ideen. Die kommen nicht unbedingt nur von den Größen der Branche, dafür sind sie auch nicht alle realistisch. An den Decken der Messehallen, wo die Marken der Aussteller aufgereiht sind wie in einem Supermarkt, liest man jede Menge Namen, die man im Autoalltag selten bis gar nicht wahrnimmt.
Hier finden sich diesmal auch zwei große Namen der deutschen Automobilgeschichte. Die Marke Borgward kündigt ihr Comeback an und Quant nichts weniger als eine automobile Revolution. Dahinter stecken allerdings nicht, wie man vermuten könnte, die BMW-Quandts, zu diesen fehlt ihnen deutlich mehr als nur das „d“ im Namen.
Tatsächlich symbolisiert der Name des liechtensteiner Startups wohl so etwas wie den Quantensprung in der Antriebsentwicklung, den man bei der Nano-Flowecell AG gefunden zu haben meint. Mit 250 Litern ionisiertem Salzwasser will man dort eine Batterie betreiben, die so viel Energie erzeugt, dass der so bestromte Viersitzer in weniger als 3 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigt, eine Höchstgeschwindigkeit von 380 km/h erreicht und fast 1.000 Kilometer weit fahren kann.
Ein Exemplar hat man zugelassen und gefilmt, wie es auf einer Teststrecke Kreise dreht, drei verschiedene Prototypen wurden bislang gebaut. Allesamt sehen sehr hochwertig aus. Weil man etwaigen Kritteleien möglicher Kunden zuvorkommen will, die meinen könnten, ein Fünfmeterauto so ganz ohne Kofferraum wäre eher unpraktisch, hat man flugs zum Genfer Salon ein Gepäckset entwickelt, welches man passgenau auf die Rücksitze schnallen kann. Man sieht, die Techniker des Startups sind um originelle Lösungen nicht verlegen.
Dass wiederum die beschriebene Antriebseinheit nachgerade fantastisch ist, sollte eigentlich den Forschungschefs der etablierten Hersteller Schweißperlen auf die Stirn treiben. Allerdings zeigte sich keiner der Herren durch die Nanoflowcell-Idee irgendwie eingeschüchtert. Es könne ja jeder glauben, was er wolle, heißt es seitens Quant auf die Frage, weshalb denn bisher wohl kein etablierter Hersteller auf diese Technik gekommen sei. Glauben müssen wir allerdings auch, dass tatsächlich eine mittels Salzwasser betriebene Batterie den ersten Prototypen in Bewegung setzt. Die Antriebseinheit des angemeldeten Fahrzeugs durfte man nämlich weder sehen noch anfassen. Sie ist wohl ungefähr so groß wie ein Koffer, wenn man der beschreibenden Handbewegung des Sprechers glauben schenken mag.
Konzeptfahrzeuge, die ähnlich futuristisch aussehen wie die Flügeltürer von Quant, gibt es auf dem Genfer Salon immer wieder. Das gleich mehrere davon auf einem sehr teuren Messestand drapiert sind, fällt allerdings schon aus dem Rahmen.
Apropos Rahmen. Über einen solchen haben die Techniker von Edag eine Hülle aus einem allwettertauglichen Material des Outdoorspezialisten Jack Wolfskin gezogen, um zu zeigen, wie leicht man ein Auto bauen kann. Der Rahmen kommt aus dem 3D-Drucker. Sehr eindrucksvoll und zudem schön hinterleuchtet. Über den Antrieb schweigt man sich aus, vielleicht kann man bei Quant weiterhelfen.
Wer tatsächlich Borgward auf die Räder hilft, scheint ebenfalls noch unklar. Fantastisch sind allerdings auch hier die Pläne. Bereits auf der IAA soll ein SUV der Marke gezeigt werden, das schon 2016 in Serie geht. Produziert wird in Deutschland, für China und die BRIC-Staaten, wo man anscheinend auf eine deutsche Marke, die zwischen Volkswagen und Mercedes platziert werden soll – Premium-Light gewissermaßen – dringend wartet.
Zwei neue Modelle pro Jahr sollen folgen. Schon 2020 will man 800.000 Fahrzeuge jährlich verkaufen, 2025 sollen es 1,6 Millionen sein. Zuwächse, die man sonst eher aus der IT-Branche kennt. Aus dieser Ecke, also von Google oder Apple, ist auf dem Genfer Salon nichts Fahrbares zu sehen. Allerdings scheint man in der Branche vor einem i-Car tatsächlich Respekt zu haben. Mehr als einmal haben wir die Befürchtung gehört, Apple könne tatsächlich ein einfaches Auto für simple Transportbedürfnisse mit Anschluss ans Internet zustande bringen, und damit die Mobilitätsbedürfnisse vieler Menschen erfüllen, die mit hochtechnisierten Lösungen nur wenig anfangen können.
Für uns normale Autofahrer stellen die Hersteller allerdings mehr als genug Technik auf die Stände. Vieles, aber längst nicht alles, davon ist auch tatsächlich sinnvoll. So gesehen, muss die „alte“ Industrie (noch) keine Angst vor fantastischen Ideen haben.
Autor: Günter Weigel/SP-X