330 Turbo-PS müssen im rasanten Unikat Suzuki Swift Hayabusa inzwischen mit nur 900 kg Ballast fertigwerden. Das entsprechende Leistungsgewicht von 2,72 kg/PS liegt auf Augenhöhe mit den Supersportlern Mercedes SLS AMG Black Series und Nissan GT-R. Resultat: Der hochdrehende 1,3-Liter-Vierzylinder aus dem 300 km/h-Motorrad Suzuki Hayabusa schiebt mit ohrenbetäubend kreischender Urgewalt nach vorne – meist schräg. Rallye-Profis und Suzuki-Markenbotschafter Niki Schelle am Steuer der wildgewordenen Auto-Motorrad-Kombi „durchquert“ Kurven im wahrsten Wortsinne meist im extrem angewinkelten Drift. Die neue, schwarz-rote Lackierung mit großer Falken-Folie auf der Seite signalisiert: Hier steht ein bösartiges Renngerät, aber bei richtiger Beherrschung auch ein unheimliches Spaßfahrzeug.
Es ist drückend heiß am „Stehrodrom“ nahe Marburg, rund 35 Grad im Schatten. Hinter mir brüllt der hochdrehende Vierzylinder-Motorradantrieb infernalisch laut und katapultiert das 900 kg-Geschoss über den Asphalt, neben mir kurbelt Niki Schelle wie wild das Sportlenkrad hin und her, vor mir bauen sich immer wieder neue Kurven und Ecken auf, durch die wir gleich wie wild driften. Die von Schelle perfekt beherrschte, kontrollierte Querfahrt hat für mich zwei Vorteile: Der exorbitante Fahrspaß im Swift Hayabusa lässt einfach nicht nach, und dank Fahrtwind von der Seite dringt etwas mehr frische Luft durch die kleine Öffnung in den Plexiglas-Seitenscheiben herein. Das ist auch bitter nötig, denn das 1,3-Liter-Kraftpaket im Heck heizt das Cockpit auf Sauna-Temperatur auf.
„Hayabusa“ ist das japanische Wort für den Raubvogel Falke. Unter diesem klangvollen Namen hat sich Suzukis Sportmotorrad seit 1999 den Ruf einer Highspeed-Maschine erworben, denn sie durchbrach als erstes Serienbike die 300 km/h-Schallmauer. Als man bei Suzuki Deutschland 2013 zu fortgeschrittener Stunde über ein mögliches Rallye-Projekt sinnierte, kamen verschiedene erfinderische Geister auf die Idee: Verpflanzen wir doch den hochdrehenden Motorrad-Vierzylinder in den wieselflinken Klein-Sportwagen Swift. Heute weiß man: Die Kombination fährt sich hochexpolisiv. Und vor allem: sie funktioniert.
„Anfangs ist uns auch im eigenen Unternehmen viel Skepsis begegnet“, erinnert sich Jörg Machalitzky, Pressesprecher von Suzuki Deutschland. Und tatsächlich: Den Motor und das Getriebe aus dem Motorrad aufs Auto zu adaptieren, sei sehr schwierig gewesen auf dem Weg zum heutigen hyperagilen Swift Hayabusa. Doch heute herrscht überall schiere Begeisterung. Der Grund: Was Markenbotschafter Niki Schelle seit 2013 auf die breiten Rallye-Räder gestellt hat, funktioniert überzeugend. Die Zutaten zum Swift Hayabusa sind exquisit. Neben dem dank Turboaufladung von 197 auf 330 PS hochgezüchteten Vierzylinder-Motor mit 1.340 ccm gehören dazu: Ein in Höhe, Zug- und Druckstufe einstellbares KW-Fahrwerk, mechanisches Sperrdifferenzial, Schalensitze und Vierpunkt-Gurte, ein eingeschweißter Überrollkäfig, ein mächtiger Heckflügel für erhöhten Anpressdruck auf der angetriebenen Hinterachse, verbesserte Bremsenkühlung, ein Sportauspuff sowie Gewichtseinsparungen durch Aluminium und Carbon.
Das Besonders am Swift Hayabusa: Während mit einem gewöhnlichen Antrieb früher Schluss ist, klettert der Motorrad-Motor in noch luftigere Drehzahlregionen hoch. „Zwar haben wir jetzt bei rund 9.500/min. Grenzen gesetzt, aber damit schöpfen wir die Turboaufladung optimal aus“, so Schelle über den aktuellen Antrieb mit rund 330 PS. Zum Fahrverhalten: „Du siehst zwar einen Suzuki Swift vor Dir, aber das Auto fährt sich komplett anders. Vorne fehlt der Motor des Swift, dafür liegt dort jetzt der Tank. Trotzdem ist die gesamte Front natürlich sehr leicht. Die elektrische Unterstützung der Lenkung fehlt völlig, weil die Motorrad-Lichtmaschine des Hayabusa-Vierzylinders nur auf geringe Verbraucher ausgelegt ist. Hinten hast Du mehr Gewicht und den Druck von rund 200 Nm Drehmoment. Wenn Du so quer fährst und der Turbo einsetzt, fängt das Heck extrem schnell an zu schieben.“
Keine einfach Sache also, die Fahrt im Swift Hayabusa. Aber ein unvergleichliches Erlebnis schon auf dem schraubstock-artig engen Beifahrersitz. Und erst auf der Pilotenseite: Ich muss mich an das Motorrad-Schaltschema erst gewöhnen mit Leerlauf zwischen erstem und zweitem Gang. Die Gänge wechsle ich über Schaltwippen, muss aber unbedingt dazu auskuppeln, sonst kreischt beim anschließenden Gasgeben der Vierzylinder im Leerlauf auf wie ein wildgewordenes Urzeitmonster. Die Bremswirkung ist bei extrem heftigem Pedaldruck gut, aber ohne Unterstützung muss man höchst energisch Druck ausüben. So taste ich mich nach und nach an den Grenzbereich heran, komme in einer Kurve mit großer Auflaufzone mit Leichtigkeit ins kurze und heftige Driften, verschalte mich später einmal und bin am Ende froh, dass Niki Schelle auf dem Beifahrersitz nach fünf Runden Stehrodrom immer noch freundlich grinst.
Die Fahrt im Swift Hayabusa bleibt lange in Erinnerung. Schon alleine deshalb, weil mir die immensen G-Kräfte beim Kurvenritt nahe Marburg schon auf dem Rückflug nach München einen heftigen Muskelkater im Rücken bescheren. Wie Niki Schelle sagt: „Der Swift Hayabusa ist eine große Herausforderung, denn Du musst am Lenkrad verdammt schnell sein, um ihn zu beherrschen. Aber das ist Autofahren pur, ohne ESP oder Traktionskontrolle. Die Grenze bist Du, und so soll es sein.“ Eine käufliche Version der Auto-Motorrad-Kombination hält bei Suzuki niemand für denkbar, aber Mitfahrten im Drift-Monster Swift Hayabusa sollen bei Events immer mal wieder möglich sein.
Die bisherigen Kosten für das jetzige Drift-Monster Swift Hayabusa beziffert Jörg Machalitzky auf rund 70.000 Euro – „nicht wirklich viel Geld für die gewaltige Performance des Fahrzeugs.“ Was noch kommt? Weitere Gewichtsreduzierung steht laut Niki Schelle an, denn überflüssige Extras wie Xenon-Scheinwerfer bergen noch erhebliches Potenzial. Auch Türen oder Motorhaube aus GFK werden noch folgen. Und am Fahrwerk könne man laut Schelle weiter feilen, um das Fahrzeug noch besser auf den neuen Heck- statt Frontantrieb einzustellen. „Aber auch so, wie er jetzt ist, stellt er bereits eine unheimliche fahrerische Herausforderung dar.“ Sagt Niki Schelle und grinst wieder, so wie man es nach der Fahrt im Swift Hayabusa einfach nicht vermeiden kann.
Autor: Ralf Schütze/SP-X