News: VW und der bunte IAA-Abend – Zwischen Vision und Wirklichkeit
Am Vorabend großer Automobilschauen lädt Volkswagen traditionell zum Konzernabend, um den in Hundertschaften angereisten Journalisten die Neuheiten der Marken zu präsentieren. Die Stars des Abends waren aber natürlich die automobilen Neuheiten, denen in der Frankfurter Fraport-Arena eine überdimensionale Bühne bereitet und deren Auftritt von aufwendiger Lichttechnik untermalt wurde.
Sachlicher Höhepunkt war zweifelsohne die Neuauflage des VW Tiguan, mit dem sich die Wolfsburger optisch immerhin ein wenig aus der Biedermann-Ecke wagen. Das erste Kompakt-SUV auf MQB-Basis (Modularer Querbaukasten, also VWs Bauteileset für Modelle mit quer eingebautem Motor) glänzt mit dynamischerer Optik und ist sowohl in einer Gelände-Allrad-Ausführung wie auch in einer sportlicheren Variante für die Stadt erhältlich. Außerdem hat VW die Plug-in-Variante GTE vorgestellt, die rund 50 elektrische Kilometer schaffen soll. Aufgeladen wird der Akku an der Steckdose, Solarzellen auf dem Dach sollen zudem, eitel Sonnenschein vorausgesetzt, Strom für bis zu 1.000 zusätzliche Kilometer.
Das Thema SUV hat auch Audi besetzt, die Ingolstädter haben neben dem neuen A4 auch die Studie E-tron Quattro mit an den Main gebracht. Technisch markiert das Concept Car Audis erstes reines Elektroauto, mit dem die Ingolstädter Tesla das Fürchten lehren wollen: 500 Kilometer Reichweite, 400 davon nach nur 30 Minuten Ladezeit, sind eine klare Ansage. Optisch gibt die Studie zudem einen Ausblick auf dem kommenden Q6, schließlich will Audi die SUV-Coupé-Nische nicht allein BMW und Mercedes überlassen. 2017 soll der fertige Q6 kommen, dann vielleicht schon, wie die Studie, mit Highend-Lichtern in OLED-Technik und ohne Außenspiegel.
Die Krone setzt dem SUV-Segment Bentley auf, die mit dem Bentayga den Range Rover vom Thron des vornehmsten Offroaders stoßen wollen. Der Luxusliner, der technisch mit dem Audi Q7 verwandt ist, stellt alles bisher da gewesene in den Schatten: 2,4 Tonnen bringt er auf die Wage, die ein 608 PS starker Zwölfzylinder in aberwitzigen 4,1 Sekunden auf Tempo 100 katapultiert, erst bei 301 km/h ist Schluss. Dazu gibt es nur die feinsten Materialien –98 Prozent aller Innenraumteile sind beledert. Auch preislich legt Bentley den Maßstab hoch: Für den Bentayga müssen rund 200.000 Euro auf den Tisch gelegt werden.
Deutlich näher am normalen Endkunden zeigen sich VW Nutzfahrzeuge und Skoda. Letztere stellten den Superb Combi vor, der noch mehr Platz bietet als die ohnehin schon äußerst geräumige Limousine. Und die Väter des Multivans haben mit der Edition Panamericana einen VW Bus mit 200 PS starkem Diesel, Allrad und Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe auf die Räder gestellt, der dank Höherlegung auch für schlechte Wege gewappnet ist. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Seats Studie, der Leon Cross Sport –eine Mischung aus Leon Cupra und X-Treme; ein sportlicher Zweitürer mit 300 PS einerseits, der mit Kunststoffplanken, etwas robusterer Optik und Allradantrieb auf Ma(ts)cho macht. Die Studie soll zum einen auf Seats SUV einstimmen, das im Frühjahr 2016 kommt und ist auch der Startschuss für weitere Modellneuheiten der Spanier.
Ganz und gar nicht auf dem SUV-Trip zeigten sich Volkswagens Supersportler, Lamborghini und Bugatti. Die Italiener schieben mit dem Huracán LP610-4 Spyder die offene Variante ihres „Kleinen“nach und setzen dabei weiterhin auf ein Stoffverdeck. Und Bugatti gibt nach unzähligen Varianten des mittlerweile ausverkauften Veyron in den vergangenen Jahren auf der IAA mit dem Vision Gran Tourismo einen Ausblick auf seinen kommenden Supersportler, der wohl auf den Namen Chiron hört und noch schneller sein soll als der Veyron: mit knapp 1.500 PS wird er in zwei Sekunden auf hundert beschleunigen und bis zu 463 km/h erreichen.
Die IAA-Studie selbst sieht Bugatti als „ein Geschenk an all die Fans“der Marke: Rund 70 Millionen Spieler der Playstation-Rennsimulation Gran Tourismo können damit zukünftig schnelle Runden drehen. Der Chiron dagegen wird für die meisten unerreichbar sein: Er soll 2,2 Millionen Euro kosten.
Dagegen dürfte selbst Porsches E-Mobil ein Schnäppchen werden. Die Vision, die die Stuttgarter neben dem gelifteten 911er gezeigt haben, hört auf den Namen Mission E und ist Porsches Vorstellung eines Elektroautos, das den Firmennamen mit Stolz tragen darf. Optisch ist die Studie eine Mischung aus Elfer und Panamera mit einem Hauch VW XL1. Rund 600 rein elektrische PS sollen den Stromer antreiben und für eine Sprintzeit von dreieinhalb Sekunden und eine Vmax jenseits von Tempo 250 gut sein.
Das allein ist kein Hexenwerk, doch verspricht Porsche bei sportlicher Fahrweise eine Reichweite von mehr als 500 Kilometer. Und dank 800-Volt-Anschluss soll der Akku in 15 Minuten zu 80 Prozent gefüllt sein. Damit würde Porsche den Gordischen Knoten der E-Mobilität lösen, so VW-Chef Winterkorn; wann die Technik in Serie gehen könnte, ist allerdings noch völlig offen. Doch hat der Konzernlenker bis 2020 immerhin 20 neue Modelle mit Elektro- oder Plug-in-Hybrid-Antrieb angekündigt, und damit VWs Führungsanspruch auf dem Gebiet der neuen Mobilität betont. Schließlich, so Winterkorn, habe Volkswagen als erster Hersteller den Wandel des Automobils zum Konzern-Thema gemacht.
Autor: Michael Gebhardt/SP-X
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