Chevrolet Camaro 6.2 V8 – Das amerikanische Angebot

6,2 Liter Hubraum, 453 PS, 290 Spitze für 50.000 Euro. Noch Fragen? Ja, durchaus.

Ein sportliches Coupé mit hubraumstarkem 8-Zylinder-Motor und guter Ausstattung für um die 50.000 Euro? Nein, kein Gebrauchtwagen, ein Neufahrzeug. Was sich anhört wie ein Angebot von vor 15 Jahren ist aktuell. Chevrolet hat mit dem Camaro so ein Fahrzeug in der Modellpalette. Gibt es da einen Haken und wenn ja, wo ist er?

Schmale Scheinwerfer, ein wohltuend zurückhaltender Kühlergrill und eine stark modulierte Motorhaube dominieren die Vorderansicht

Zunächst ein wenig Historie. Der Camara betrat erstmals 1966 amerikanischen Asphalt und wurde seitdem über fünf Millionen Mal verkauft. Seit 2015 ist die sechste Generation am Start, die auf der Alpha-Plattform von GM aufgebaut wurde. Auf der steht zum Beispiel auch die große Cadillac-Limousine CTS. Ein ganz frisches Fahrzeug ist der aktuelle Camaro also nicht mehr. Aber er wurde vor einem Jahr modellgepflegt und etwa in Sachen Kommunikation auf den Stand gebracht.     

Der Camaro definiert sich allerdings nicht über eine Apple-Car-Play-Anbindung oder das GM-System Onstar – das übrigens Ende 2020 sowieso abgeschaltet wird. Wer sich das Pony-Car kauft, ist vielmehr entweder vom Design und/oder vom Motor fasziniert und natürlich vom Preis. In der sechsten Generation hat Chevrolet bei seinem Budget-Sportler nach einigen optischen Verirrungen zuvor zu einer modernen und doch auch typischen Form gefunden. Schmale Scheinwerfer, ein wohltuend zurückhaltender, wenn auch nach der Modellpflege gewachsener Kühlergrill und eine stark modulierte Motorhaube dominieren die Vorderansicht. Hinten sind es die vier Auspuffendrohre, vier Rückleuchteneinheiten und eine kleiner Spoiler, die das Bild prägen. 20-Zoll-Räder tragen zusätzlich zum insgesamt bulligen Gesamteindruck bei.

In der sechsten Generation hat Chevrolet bei seinem Budget-Sportler nach einigen optischen Verirrungen zuvor zu einer modernen und doch auch typischen Form gefunden

Ja, und dann der Motor. Acht Zylinder aus 6,2 Liter Hubraum, hier schlägt der Camaro auch seinen einzigen ernsthaften Rivalen auf dem deutschen Markt, den Ford Mustang, der seine acht Zylinder aus 5 Litern Hubraum quetschen muss. Nach dem Motorstart grummelt das Camaro-Aggregat zufrieden vor sich hin, um dann schon nach dem ersten Antippen des Gaspedals von der Leine zu gehen. Schnell ringen die Hinterräder dann um Traktion. Wer das voll durchdrückt wird vehement in die Sitze gedrückt.

Aber der Camaro ist ein Sportwagen, wie ihn halt die Amerikaner definieren: großer Motor, Leistung satt und schnell geradeaus. Auch wenn die Fahrwerke natürlich heute fortschrittlich sind, eine Kurvenfahrt wie – sagen wir – in einem BMW darf man von einem Camaro nicht erwarten. Auch Höchstgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen ist seine Sache nicht. Da fehlt ihm die Leichtigkeit und uns als Fahrer das Zutrauen in seine Kurvenstabilität. Wohl fühlt sich der Sauger dagegen bei 160 Sachen auf dem Highway oder bei gemütlichen 100 km/h – hier auch gerne auf einer kurvigen Landstraße. Dann hört man auch was vom ungefilterten Bollern des Achtzylinders. Und der Spritverbrauch lässt sich so ebenfalls zumindest ein wenig eindämmen. Denn wer dem Pony ständig die Sporen gibt, kommt locker auf Verbrauchswerte von an die 20 Liter für 100 Kilometer. Wir benötigten bei durchaus überwiegend disziplinierter Fahrweise immer noch fast 15 Liter im Schnitt.

Womit wir bei den Schattenseiten des Good-Deal wären. Ein nicht geringer Teil des günstigen Grundpreises wird über die Jahre von hohem Spritverbrauch und relativ teuren Versicherungen wieder eingefangen. An dieser Stelle muss daher auf die zweite erhältliche Motorisierung hingewiesen werden, denn den Camaro gibt es nicht nur in zwei Karosserievarianten (Coupé und Cabriolet), sondern auch in zwei Motorisierungen. Es gibt als Alternative einen vergleichsweise bescheidenen 2,0-Liter-Turbobenziner mit gerade mal vier Zylindern, Automatik-Getriebe und 275 Pferden. Der fährt natürlich anders als der Achter keine 290 km/h Spitze, sondern nur 240 km/h. Andererseits liegt aber auch schon der Normverbrauch fast fünf Liter unter dem des handgeschalteten 6,2-Liter-Aggregats. Tatsächlich dürften es in der Praxis eher sechs bis sieben Liter sein, womit man bei zugegeben deutlich weniger Fahrspaß pro 100 Kilometer rund einen Euro-Zehner einspart.

Und noch was sollte man checken, bevor man sich in den Camaro verliebt: Wo ist der nächste Händler? Deutschlandweit sind es nach unserer Kenntnis keine 20, die etwa eine Inspektion durchführen dürfen. Das lohnt sich vorab schon ein Blick auf die Karte. Wenn das geklärt ist, darf man seiner Leidenschaft freien Lauf lassen. Und die sollte weder in Hochgeschwindigkeitsorgien Erfüllung finden, noch in pfennigfuchserischen Spritspargedanken. Für beides ist der Camaro denkbar ungeeignet. Aber bei einer zügigen Ausfahrt durch nicht allzu engkurvige Landschaften verspricht der Amerikaner ein ganz besonderes, ursprüngliches Erlebnis, wie man es heute in dieser Antriebskonstellation kaum noch findet. 

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