News: Mini All4Racing – Die Wüste bebt

Sanfte Dünen soweit das Auge reicht, hier und da eine dörre Palme und dazwischen traben ein paar Gazellen – auf den ersten Blick wirkt die Wüste eine Stunde südlich von Dubai wie eine Oase der Stille. Und es sieht ganz danach aus, als könne nichts und niemand diesen Frieden stören. Bis sich plötzlich die gleißende Sonne hinter einer Wolke aus Sand und Staub verfinstert und der Boden unter den Füßen zu beben beginnt: Showtime für Nasser Al-Attiyah, und der Wüstensohn aus dem Emirat Katar lässt sich nicht lumpen.

Drei Monate, nachdem er mit seinem Mini All4Racing – fast muss man sagen: mal wieder – die legendäre Rally Dakar gewonnen hat, bittet er zum Cooldown in den heißen Wüstensand und lässt seinen Rennwagen durch die Dünen fliegen, dass einem Angst und Bange wird. Erst recht, wenn man eingespannt wie in einem Schraubstock neben dem Fahrer sitzt und die Welt da draußen nur noch wie aus der Trommel einer Waschmaschine im Vollwaschgang sieht.

Von wegen Lifestyle-Flitzer für den Großstadt-Dschungel: Als All4Racing wird der Mini Countryman zu einem ernsthaften Rallye-Rennwagen und die Wüste sein Spielplatz.
Von wegen Lifestyle-Flitzer für den Großstadt-Dschungel: Als All4Racing wird der Mini Countryman zu einem ernsthaften Rallye-Rennwagen und die Wüste sein Spielplatz.

Während der normale Mini Countryman vor allem für den Dschungel der Großstadt gemacht ist, sitzt Nasser in einem maßgeschneiderten Rennwagen, der mit dem Serienmodell nicht viel mehr als die Scheinwerfer, die Türgriffe und das Markenlogo gemein hat: Auf der Plattform eines X3 hat das von Milliardenerbe und BMW-Partner Sven Quandt geführte Team X-Raid zusammen mit BMW und Magna in Graz für jeweils rund 800.000 Euro binnen drei Wochen Handarbeit eine Art Monster-Mini aufgebaut, neben dem der Countryman aussieht wie ein Spielzeug-Auto: 22 Zentimeter länger, 21 Zentimeter breiter und 45 Zentimeter höher als das Original, lässt er jede Kritik am Kuschelkurs der Bayern mit einem Gasstoß verstummen.

Schließlich röhrt hier kein hochgezüchteter Zweiliter-Turbo mit läppischen 218 PS wie im John Cooper Works. Unter der Haube steckt der drei Liter große Sechszylinder-Diesel der M GmbH, der im Rennwagen rund 320 PS leistet und mit bald 800 Nm zu Werke geht. Selbst wenn die Übersetzung des Renngetriebes bei Vollgas nicht viel mehr als 180 km/h hergibt, ist das ein imposantes Erlebnis – nicht zuletzt, weil der Auspuff direkt unter dem Beifahrer endet und der sich die Entwickler nicht um solche Nebensächlichkeiten wie Schallschutznormen kümmern mussten.

Während der normale Mini Countryman vor allem für den Dschungel der Großstadt gemacht ist, hat der maßgeschneiderten Rennwagen mit dem Serienmodell nicht viel mehr als die Scheinwerfer, die Türgriffe und das Markenlogo gemein.
Während der normale Mini Countryman vor allem für den Dschungel der Großstadt gemacht ist, hat der maßgeschneiderten Rennwagen mit dem Serienmodell nicht viel mehr als die Scheinwerfer, die Türgriffe und das Markenlogo gemein.

Der Mini ist aus Karbon gebacken und hat keinerlei überflüssigen Schnick-Schnack an Bord. Dass der Wagen trotzdem knapp zwei Tonnen wiegt, ist dem Rallye-Reglement geschuldet – und natürlich den bald 300 Litern Sprit im Tank hinter den Sitzen sowie den drei Ersatzrädern, die im Heck und unter dem Wagenboden verstaut sind. Denn auch wenn die Rallyefahrer von einem ganzen Service-Tross begleitet werden und das X-Raid-Team jedes Jahr mit zusammen mehr als 50 Fahrzeugen zur Dakar anreist, müssen die Fahrer auf den Rallye-Stages ihren Wagen selbst wieder flott machen. „Für einen Reifenwechsel brauchen wir keine fünf Minuten und selbst eine Kupplung tauschen wir in einer Viertelstunde“, erzählt Nasser und zeigt wissend auf die Werkzeugbatterie in der Tür des Copiloten, während er mit einem schelmischen Grinsen dem nächsten Dünenkamm entgegen stürmt, nur um sich danach in ein weiteres Tal zu stürzen und die 25 Zentimeter Federweg des Rallye-Fahrwerks voll auszukosten. .

Zwei, drei Runden spielt Nasser sein böses Spiel mit seinem Mini und mir, quält uns mit meterweiten Sprüngen, mit Sturzflügen in Dünentäler und mit einem Gangkörperpeeling, dass es nur so auf den Planken prasselt und schaut dabei auch noch immer wieder fragend zu mir herüber, wo er denn jetzt hinfahren soll. Schließlich bin ich heute der Co-Pilot und von dem erwartet er seine Anweisungen. Zwar habe ich vorher tatsächlich das Roadbook studiert und mir von einem Profi sogar erklären lassen, was die vielen farbigen Markierungen bedeuten, die den Mitschrieb in nächtelanger Kleinarbeit in eine Art Malbuch verwandeln. Doch während Nassers Beifahrer auf der Dakar den ganzen Tag lang mühelos die Kommandos herunter rattert und ihn so über Etappen von vielen hundert Kilometern führt, habe ich schon nach zwei Minuten erst den Überblick und dann die Orientierung verloren.

Mit jedem Meter wird das Grinsen im Gesicht breiter, und je schneller das Mini-Monster durch den Sand pflügt, desto mehr fühlt man sich wie der König der Wüste.
Mit jedem Meter wird das Grinsen im Gesicht breiter, und je schneller das Mini-Monster durch den Sand pflügt, desto mehr fühlt man sich wie der König der Wüste.

Wie soll man sich auch zurechtfinden in diesem riesigen Sandkasten, in dem bei der senkrecht stehenden Sonne alle Konturen verschwimmen? „GPS, Tripcomputer, Kilometerzähler, Kompass“, sagt Nasser mit einem Lächeln. „Scherzkeks“, möchte man ihm wütend entgegen schleudern. „Dann fahr gefälligst so, dass man die Batterie der Instrumente auch lesen kann, die von den Mechanikern noch schnell vor mir ins Armaturenbrett gedübelt wurden. Oder such’ Dir Deinen Weg doch alleine. Ich denke, Du kennst hier jedes Sandkorn persönlich.“

Aber natürlich schluckt man seinen Ärger runter, macht gute Miene zu seinem bösen Spiel und hofft darauf, dass dieser Höllenritt schon irgendwann zu Ende gehen wird. Tut er auch. Aber anders als gedacht. Denn irgendwann bleibt Nasser mitten in der Wüste stehen und bittet zum Rollentausch. Ober er genug hat von meinen miserablen Ansagen oder heute einfach nur großzügig ist, lässt er sich nicht anmerken. Doch plötzlich finde ich mich hinter dem Lenkrad wieder, knalle den ersten Gang ins Getriebe und starte meinen ganz persönlichen Dessert Storm.

„Gas, Gas, Gas“, knistert es aus dem Lautsprecher im Helm, denn Tempo ist alles in der Wüste. Wird das Auto zu langsam, versinken die breiten Gummiwalzen zu tief im Sand und der Wagen bleibt unweigerlich stecken. Je schneller man dagegen fährt, desto lässiger surft der Countryman über die Dünenkämme. Er reagiert auf dem weichen Untergrund zwar etwas verzögert und ruckartige Richtungswechsel mag er gar nicht. Aber wer das beherzigt, der driftet mit einem Lächeln durch die Dünen und fühlt sich irgendwann wie ein Snowboarder im Tiefschnee – nur dass einem dabei nach ein paar Kilometern buchstäblich der Kittel kocht.

Allerdings steigt mit jedem Gasstoß die Temperatur in der Karbon-Kiste wieder um ein paar Grad.
Allerdings steigt mit jedem Gasstoß die Temperatur in der Karbon-Kiste wieder um ein paar Grad.

Also trete ich noch fester aufs das schlanke Pedal im viel zu engen Fußraum und halte die Drehzahl schön zwischen 2 500 und 3 000 Touren. Wir fahren, 80, 100, 120, zwischendurch zeigt der digitale Tacho sogar 148 km/h und ich kann so ganz langsam verstehen, weshalb Nasser schon nach dem ersten heimlich Wüstenritt im Toyota seines Vaters wusste, dass er einmal Rallye-Fahrer werden würde. Denn mit jedem Meter wird das Grinsen in meinem Gesicht breiter, und je schneller das Mini-Monster durch den Sand pflügt, desto mehr fühle ich mich wie der König der Wüste. Laurence von Arabien? General Norman A. Schwarzkopf? Dass ich nicht lache!

Allerdings steigt mit jedem Gasstoß die Temperatur in der Karbon-Kiste wieder um ein paar Grad. Selbst wenn es tatsächlich eine Klimaanlage gibt und aus den offenen Schläuchen am unverkleideten Dachhimmel ein laues Lüftchen fächelt, dauert es bestimmt nur noch fünf Minuten, dann sind wir gar. Die heiße Luft, der kochende Schweiß und überall der Sand – nach einer Stunde im heißesten Mini aller Zeiten fühlt man sich wie ein paniertes Schnitzel in der Fritteuse und kann es kaum erwarten, dass dieser Höllenritt ein Ende nimmt. Ich will keinen Pokal und keinen Lorbeer und nicht mal mehr den Handschlag von Nasser, der am Ende zumindest so tut, als wäre halbwegs zufrieden mit mir. Sondern in mir gibt es nur noch einen Gedanken: „Ein Königreich für eine Dusche.“

Autor: Benjamin Bessinger/SP-X

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