Nissan Navara – Lifestyle für Fortgeschrittene

Pick-ups sind die kernigen Cousins des SUV. Eigentlich als ehrliche Geländearbeiter konzipiert, werden sie in Westeuropa im Windschatten des Crossover-Booms vor allem als bullige Lifestyle-Mobile vermarktet. Wer Autos wie den Nissan Navara als eindrucksvollen Pkw für den Alltag nutzen will, muss jedoch wissen, worauf er sich einlässt.

Der Nissan Navara will mehr sein als ein Pritschenwagen für Gewerbetreibende

Zunächst einmal eine Entwarnung: Vor dem Einparken braucht im Navara niemand Angst zu haben. Dank Rundum-Kameraüberwachung vorne, hinten und in den Außenspiegeln ist das Rangieren der wuchtigen Karosse ein Kinderspiel. Die Videoaugen sind eigentlich in erster Linie für den Offroad-Einsatz in unübersichtlichem Gelände gedacht, bewahren aber nicht nur vor ungewolltem Kontakt mit Steinbrocken oder Felswänden, sondern auch vor dem Touchieren von Pollern oder Parkplatznachbarn. Voraussetzung für das umsichtige Einparken ist allerdings, dass man überhaupt einmal eine geeignete Lücke findet.

Auch tiefe Wasser sind kein Problem

Wie groß die Chancen auf einen Parkplatz sind, hängt von den örtlichen Gegebenheiten und guter Planung ab. Wer etwa im samstäglichen Shopping-Verkehr in eine enge Innenstadt fährt, hat verloren. Mit gut 5,30 Metern Länge und einer Breite von deutlich über zwei Metern findet der Navara dort unter freiem Himmel nur mit viel Glück ein Plätzchen. Dazu kommt: Viele Parkhäuser werden zur Mäusefalle – man findet zwar rein, aber nur schwer wieder raus. Gut, wenn man für solche Gelegenheiten einen Zweitwagen mit city-tauglichen Abmessungen unterhält. Außerhalb des Wochenend-Betriebs und mit ein wenig Parkhauskenntnis (neuere Exemplare sind meist großzügiger gebaut als solche aus den 70ern) macht der Navara aber erstaunlich wenig Ärger. Zugeständnisse muss man allerdings bei der Gepäckmitnahme machen. Die Ladefläche ist zwar riesig – und dank diverser Planen und Hardtops (ab 3.400 Euro) im Zubehörangebot auch wetterfest – aber halt auch ziemlich hoch und tief. Wirklich praktisch ist die Pritsche nur, wenn Sperriges oder Schmutziges transportiert werden soll – etwa ein kleines Offroad-ATV oder Rindenmulch aus dem Baumarkt.

Auf die Pritsche passt ordentlich Ladung

Zugeständnisse verlangt auch das Fahrverhalten. Wo sich aktuelle SUV fahren wie besonders große Pkw, verhält sich der Navara wie ein besonders großes Nutzfahrzeug. Brummig und laut, mit zäher Lenkung und ruppigem Schwerlast-Fahrwerk. Der hemdsärmlige 2,3-Liter-Diesel mit 120kW/163 PS schiebt den Allrader zwar energisch an, sorgt aber dafür, dass das auch ja jeder Passagier mitbekommt. Das entspannt-kraftvolle Mitschaukeln hoch über dem übrigen Straßenverkehr kann dabei durchaus Spaß machen, fühlt man sich doch fast wie ein Kapitän der Landstraße. Die Romantik aber verfliegt auf Langstrecken in lauten Kabine rasch. Dabei zählt der Navara in Sachen Fahrkomfort durchaus zur Spitze im Segment. An der starren Hinterachse sorgen bei den Modellen mit Doppelkabine Schraubenfedern für eine verbesserte Radführung, wodurch das Heck dem Bug präziser durch die Kurve folgt. Rumpeliges Versetzen der Hinterachse kennt der Navara kaum.

Innen geht es edel zu

Auch im Innenraum erinnert wenig an ein Nutzfahrzeug, viel mehr an die SUV-Modelle Qashqai und X-Trail. Von letzterem stammt auch die Cockpit-Einrichtung, die auf Wunsch mit viel Leder und Chrom glänzt. Die Ausstattungsliste ist mit Posten wie einem Notbremsassistenten und einer Klimatisierung für den Fond allgemein üppiger als in der Pick-up-Klasse traditionellerweise üblich. Auch wenn der Navara sich mit all den feinen Extras von seinem günstigen Basispreis entfernt (ab 26.470 Euro für das Basismodell mit zwei-plus-zwei-sitziger King-Cab und Heckantrieb), bleibt er für ein Auto seiner Größe relativ preiswert. Als Allrader mit dem kleineren der beiden Diesel und in der schicken N-Connection-Ausstattung (Zwei-Zonen-Klimaautomatik, abgetönte Scheiben, 18-Zoll-Räder) kostet das fünfsitzige Double-Cab-Modell 35.670 Euro inklusiv Mehrwertsteuer. Selbst ein vergleichbarer Nissan X-Trail käme teurer.
All das kann am Ende aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Navara letztlich nicht für den langweiligen Alltag zwischen Neubaugebiet und Autobahn gemacht ist. Der robuste Leiterrahmen, der zuschaltbare Allradantrieb inklusive Offroad-Untersetzung und Differenzialsperre an der Hinterachse und der serienmäßige Bergfahrassistent zeigen, dass er eigentlich ins Gelände will. Dort hängt der Navara schon auf dem Papier all die modischen Softroader mühelos ab: 22 Grad Rampenwinkel, 50 Grad Kippwinkel und 60 Zentimeter Wattiefe – um nur ein paar Kennzahlen zu nennen, die SUV-Fahrer in der Regel nicht mal in den technischen Datenblättern ihrer Modelle aufgeführt finden würden. Und auch jenseits schweren Geländes punktet der Navara mit Handfestem: Bis zu 3.500 Kilogramm dürfen an den Haken, rund eine Tonne Last auf die 1,58 Meter lange Pritsche.

Die Kameras sorgen für Übersichtlichkeit

Wirklich glücklich wird man mit dem Navara nur, wenn man Lifestyle als aktiven Lifestyle versteht. Mit klobigem Sportgerät eben, oder im freien Gelände. Wer nur ein möglichst dickes Auto will, um den kernigen Typen geben zu können, ist mit einem klassischen SUV besser bedient. (Holger Holzer/SP-X)

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