New Mobility: Elektrische Dreirad-Autos – Boom und Blase

Die Geschichte des Autobaus, vor allem die jüngere, bietet zahlreiche Beispiele elektrisch getriebener Dreiräder. Der Durchbruch blieb der Fahrzeuggattung bislang verwehrt. Retro-Design und starke Fahrleistungen könnten ihr zu mehr Popularität verhelfen.

SP-X/Köln. Mit dem Neuerwachen der E-Mobilität erlebt auch das eigentlich skurrile und rückständig geltende Dreirad-Auto eine eigenwillige Renaissance. Eine Reihe von Start-ups hat in der jüngeren Vergangenheit sehr unterschiedliche und teilweise auch recht bizarre Konzepte vorgestellt, die Dynamik, Effizienz und moderate Batteriegrößen in Einklang bringen. Eigentlich könnte das Dreirad damit der Heilsbringer in Hinblick auf den Klimawandel werden. Nach einem Durchbruch sieht es allerdings nicht aus. Mit Retro-Charme und gehobenem Fahrspaß-Niveau könnten die Erfolgsaussichten jedoch steigen.

Der Solo sollte bereits 2017 durchstarten. Jetzt soll es 2020 soweit sein

Wer sich auf Google-Suche nach elektrischen Dreirädern macht, wird eine schier unglaubliche Menge an Fahrzeugen finden. In vielen Fällen handelt es sich um Einzelstücke mit Bastelbuden-Charakter oder gar um Computerzeichnungen, die zwar innovative Konzepte versprechen, denen allerdings nach vollmundigen Ankündigungen meist wenig Konkretes folgte.

Aber längst nicht alle elektrischen Dreiradkonzepte sind beziehungsweise waren Rohrkrepierer. Bereits in den 1980er-Jahren wurde es zum ressourcenschonenden Ökomobil für eine neue urbane Mobilität erkoren. Sieht man einmal vom Sinclair C5 ab, das eher Fahrrad denn Auto war, waren es zunächst der City EL und später das Twike, die als Klimaretter antraten, als das Phänomen Klimawandel noch in weiter Ferne schien.

Auch der Start des Microlino wurde schon mehrfach verschoben

Vorreiter war das elektrische Leichtfahrzeug CityEL der dänischen Firma EL-Trans. Das nur rund 200 Kilogramm leichte Niedrigenergiefahrzeug wurde 1987 auf den Markt gebracht. Die Idee: Vor allem Pendler fahren zumeist alleine in ihren großen Autos kurze Strecken, was unverhältnismäßig viel Energie pro Personen-Kilometer verbraucht. Der nur knapp über 60 km/h schnelle CityEL ermöglicht als Pendlerfahrzeug eine deutlich bessere Energiebilanz. Sonderlich erfolgreich war das Dreirad mit geschlossener Kabine trotz dieser Vorteile in seiner mittlerweile gut 30 Jahre währenden Geschichte nicht. Nach mehreren Besitzerwechseln ist seit einigen Jahren die Firma Krabatt für Bau und Vertrieb des CityEL verantwortlich, allerdings scheinen die Aktivitäten um das Projekt eingeschlafen zu sein.

Eine ähnliche Fahrzeugphilosophie und eine ebenfalls wechselvolle Geschichte durchlebte das ab 1995 in Serie produzierte Twike, das, ähnlich heutigen Pedelecs, einen batterieelektrischen Antrieb mit einem Pedalantrieb kombiniert. In sehr kleiner Stückzahl wird das zweisitzige Dreirad wohl weiterhin von der hessischen Firma Fine Automobile produziert, die schon vor Jahren ein modernes und deutlich schnelleres Twike 5 angekündigt hat. Konkretes auf die Straße gebracht wurde bislang jedoch nichts. Wie bei vielen ähnlich gelagerten Start-up-Projekten zieht sich wohl auch hier Entwicklung und/oder Investorensuche in die Länge.

Etwa zur gleichen Zeit wie das Twike wurde auch das Elektroauto Sam der Schweizer Cree AG vorgestellt. Hierbei handelte sich um ein Leichtfahrzeug mit 15 kW/20 PS starkem E-Antrieb, das sich auf 100 Kilometer mit 5 kWh Energie begnügen sollte. Zum Vergleich: Ein Renault Twizy braucht etwa 6 kWh. Zwar sind wohl einige Dutzend Prototypen vom Sam entstanden, doch letztlich kam das Projekt nie wirklich von der Stelle. Zwischen 2009 und 2014 wurde von der polnischen Firma Impact Automotive Technologies noch eine modernisierte Variante des Sam produziert. Mittlerweile ist es jedoch still um das kurios designte Dreirad geworden.

Ebenfalls in einer Sackgasse endete das 2007 gestartete Projekt Aptera der kalifornischen Firma Aptera Motors. Anders als City-EL oder Twike sollte das besonders windschlüpfige Niedrigenergiefahrzeug fast schon erwachsene Fahrleistungen bieten. Für den 100-km/h-Sprint wurden weniger als 10 Sekunden proklamiert. Dazu gab es eine Höchstgeschwindigkeit von 137 km/h. Die Reichweite sollte 160 Kilometer betragen. Zunächst wurde ein Stückpreis von mindestens 25.000 US-Dollar angepeilt und wohl auch in größerer Zahl Anzahlungen entgegengenommen. 2011 folgte allerdings die Pleite. Auch hinter einem 2013 angekündigten Comeback steckte wohl nur wenig mehr als heiße Luft.

Auch in jüngerer Zeit wurden dreirädrige Projekte angekündigt und nach einiger Zeit wieder begraben. Viel Aufmerksamkeit erregen konnte die englische Traditionsmarke Morgan mit ihrem Threewheeler EV3. 2016 wurde der Serienbau für 2018 angekündigt, doch dann Ende 2018 das Projekt offiziell auf Eis gelegt. Grund: Probleme mit Frazier-Nash, dem für den Antrieb verantwortlichen Entwicklungspartner. Ob Morgan einen zweiten Anlauf für dieses vielversprechende Projekt wagt, muss man abwarten. Es wird aber gewiss einige Zeit für einen neuen Anlauf dauern. Mit dem Ende des EV3 wurde jedenfalls angekündigt, die Anzahlungen für die rund 100 Vorbestellungen zurückzuzahlen.

Ein verheißungsvolles Dreirad-Projekt aus Estland: Der Nobe 100 soll 2020 zu Preisen ab 37.000 Euro auf den Markt kommen

Aufmerksamkeit konnte der EV3 von Morgan vor allem mit seinem Retro-Charme wecken. Diesen Effekt wollen sich auch zwei jüngere Dreirad-Projekte mit ganz unterschiedlicher Akzentuierung zunutze machen. Da wäre zum einen die angekündigte Wiederbelebung der BMW Isetta in Form des Microlino. Dabei handelt es sich um ein Elektroleichtfahrzeug für den urbanen Verkehr, bei dem allerdings weniger der geringe CO2-Fußabdruck als mehr die tolle Optik als Kaufanreiz. Allerdings ist das verheißungsvolle Projekt jüngst ins Stocken geraten. Die am Microlino beteiligten Firmen Artega und Micro Mobility Systems AG gehen wohl getrennte Wege und werden nach jetzigem Stand erst kommendes Jahr weitgehend ähnliche Fahrzeuge auf den Markt bringen, wobei die Artega-Version Karolino heißen soll.

Noch mehr Retro-Faszination als der die Neuzeit-Isetta strahlt der in Estland erdachte und entwickelte Nobe 100 aus. Es handelt sich um eine besonders elegante Erscheinung, die mit diversen Designzitaten der 50er- und 60er-Jahre garniert wurde. Auch der Antrieb kann sich sehen lassen, denn an allen drei Rädern kommen kleine Nabenmotoren mit jeweils 15 kW/20 PS Leistung zum Einsatz. Damit soll das Minimobil in immerhin 5,9 Sekunden aus dem Stand Tempo 100 sprinten, maximal 130 km/h erreichen. Für die in zwei Stunden aufladbare Batterie werden 210 beziehungsweise 260 Kilometer Reichweite versprochen. Das Projekt scheint Formen anzunehmen. In Estland hat der kleine Stromer bereits seine Zulassung für den Straßenverkehr erhalten. 2020 will man mit der Produktion starten. Neben einer Hardtop- sind eine Cabrioversion sowie zwei Leistungsstufen geplant. Die Preise sollen bei 37.000 Euro starten.

Ob das mit 2020 im Fall des Nobe klappt, bleibt abzuwarten. In der Szene elektrischer Dreiradhersteller gibt es noch eine Reihe aktueller Beispiele von Ankündigungen zur Serienproduktion, die immer weiter verschoben wurden. Das trifft unter anderem auf das recht ambitionierte Dreirad-Projekt Solo der kanadischen Firma Electra Meccanica zu. Eigentlich war der Start für 2017 angedacht. Von dem sparsamen Einsitzer mit moderner Optik wurden bislang einige Dutzend Prototypen gebaut. Nach jüngsten Informationen soll der Solo ab 2020 in China in Großserie produziert werden. Bis zu 75.000 Fahrzeuge will man in den nächsten drei Jahren bauen, die vor allem in Nordamerika Kunden finden sollen.

Weitere elektrische Dreirad-Projekte wurden unter anderem von den US-Firmen Sondors, Ampere Motors oder Vanderhall angekündigt. In allen drei Fällen handelt es sich um starke und schnelle Fahrzeuge, die, anders als einst CityEL oder Twike, vor allem puristischen Fahrspaß versprechen. Zum Beispiel soll das für nur 10.000 Dollar angekündigte Sondors-Dreirad den 100-km/h-Sprint in nur 6 Sekunden erledigen. Doch selbst starke Fahrleistungen und kleine Preise werden dem elektrischen Dreirad wohl nicht zum ganz großen Durchbruch verhelfen. Aber die Chancen stehen nicht schlecht, dass sich einige von ihnen stärker als bisher als coole Alternative zu den Teslas, IDs und E-Trons etablieren.

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