Panorama: Holzmobil

Der Vater ist Zimmermann, der Sohn Ingenieur und Marketing-Profi – und gemeinsam teilen sie die Leidenschaft fürs Camping. Doch seit eine dritte Generation im Spiel ist, sind den Herren Offenburger gewöhnliche Wohnmobile nicht mehr nachhaltig genug.

Von wegen Funkenflug, metallisches Kreischen und der Geruch von verbranntem Schweißdraht – wer in Stefan Offenburgers Garage kommt, der steht schnell mal bis zu den Knöcheln in Sägemehl und Hobelspänen und in die Nase steigt ein Aroma von Harz und Holz. Denn Offenburger ist kein Schrauber, sondern ein Zimmermann. Und weil er zudem leidenschaftlicher Camper ist, hat er zusammen mit seinem Sohn Oliver das erste Wohnmobil komplett aus Holz gebaut.

Umweltbewusst in den Urlaub

Die Idee kam den beiden vor vier Jahren, als sich beim Junior Nachwuchs ankündigte und der AMG-Fahrer plötzlich etwas mehr über Nachhaltigkeit nachdachte. Nicht nur, dass er plötzlich so etwas wie eine Generationenverantwortung zu spüren begann und deshalb mit nachwachsenden Rohstoffen liebäugelte. Vor allem wollte er seinem Kind eine gesunde Urlaubsumgebung bieten. „Plötzlich sind uns deshalb bei den Wohnmobilen von der Stange die starken Ausdünstungen von Kunststoffen, Klebern und Lacken aufgefallen“, erinnert sich Oliver: „Da wollte ich unseren Nachwuchs nicht durchkrabbeln lassen.“ Und nachdem der Vater als Inhaber einer bald 100 Jahre alten Zimmerei schließlich schon hunderte Holzhäuser gebaut hat, sollte sich so eine Hütte doch auch auf Räder stellen lassen, fasst der Junior den Grundgedanken zusammen. Zumal er als Ingenieur, EDV- und Marketing-Spezialist mit Rat und Tat zur Seite stehen wollte.

Für Vater Stefan war die Idee naheliegend, doch bei den Profis aus der Caravan-Branche ist Holz ein verpönter Baustoff: Nicht nur, dass es viel zu schwer ist, zu teuer und in der Verarbeitung zu aufwändig. Es gilt vor allem als anfällig für Feuchtigkeit und Fäulnis. Deshalb sind die meisten Wohnmobile aus hinterschäumtem Kunststoff konstruiert und allenfalls mal mit furniertem Pressspan ausgeschlagen, schimpfen die Herren Offenburger.

Wetterfest

Doch weil sie um die Vorbehalte wussten, haben sie sich viel Vorlauf gegönnt und allein mit der Außenhaut zwei Jahre experimentiert. Denn auch wenn Holzboote unbeschadet im Wasser liegen können, war die Hütte auf Rädern ausgesprochen witterungsanfällig. Doch nachdem die Offenburgers auf Basis von Bootslacken eine eigene Beschichtung entwickelt und ihre zwei Komponenten in sieben Lagen aufgetragen haben, konnte der Fassade ihrer Mobilie auch der heftigste Regen nichts mehr anhaben. Selbst nach ein paar Wochen im Wald sah der Wagen aus wie neu.

Der Innenausbau war da schon leichter- nur dass mit dem Senior immer mal wieder der Schreiner durchgegangen ist; „Hier eine Klappe, dort eine Schublade, dort eine Ablage – irgendwann musste ich mich wirklich bremsen“, räumt Offenburger ein, wenn sein Blick über die vielschichtige Vertäfelung in Buche, Fichte oder Erle schweift, den natürlich mit Holz ausgelegten Fußboden streift oder sich in dem ebenfalls mit Holz vertäfelten Bad verfängt.

Modernes Design

Allerdings haben die beiden Offenburgers nicht nur hübsche Oberflächen geschaffen und viele praktische Ablagen, sondern sich auch sonst einiges einfallen lassen. Weil zum Beispiel die seitlichen Türen zur Toilette und zum Waschbecken geöffnet zum Raumteiler werden, ist die Nasszelle bei Gebrauch mal eben doppelt so groß wie bei den meisten Konkurrenten.

Zwar wollten Offenburgers kein anderes Material verwenden als Holz, doch sollte das Holzmobil deshalb nicht gleich aussehen, wie eine Berghütte auf Rädern. Deshalb haben sie nicht nur ein paar moderner marmorierte Oberflächen ausgewählt und sich jeden Schnörkel bei ihren Schnitten gespart. Sondern vor allem haben sie das Holzmobil mit Hightech gespickt. Deshalb gibt es neben Standards wie einer eigenen Energie-Versorgung auch Spielereien wie einen Smart-TV mit Internet-Zugang, einen Hotspot und eine Ambientebeleuchtung mit vielen Millionen Farben. Und natürlich sind alle Features miteinander vernetzt und können auf Wunsch auch per App gesteuert werden.

Holz muss gepflegt werden

So ungewöhnlich das Holzmobil auch aussieht und so nachhaltig es auch sein mag, hat die Sache allerdings einen Haken: Die Pflege ist etwas aufwändiger. Wo man konventionelle Wohnmobile ausfegt und feucht abwischt, braucht das Holz hin und wieder mal eine Ölung und bisweilen sogar etwas Feinschliff. Dafür allerdings sieht es dann auch wieder aus wie neu und selbst tiefe Schnitzer etwa in der Küchenarbeitsplatte lassen sich so ungesehen machen. Und bei Brettstärkeren von mehr als drei Zentimetern lässt sich die Renovierung nahezu beliebig oft wiederholen: „So sieht das Holzmobil auch nach zehn Jahren noch aus wie neu“, schwärmt der Zimmermeister.

Damit haben der Zimmermann und sein Sohn den Nagel offenbar auf den Kopf getroffen. Denn seit sie das Holzmobil nach zwei Jahren Planung und zwei Jahren Bauzeit im Herbst zum ersten Mal gezeigt haben, rennen ihnen die Interessenten die Bude ein. Und das sind nicht nur die üblichen Verdächtigen aus der Camping-Szene. Vor allem spricht das Holzmobil offenbar Menschen an, die sich in den klassischen Wohnmobilen mit ihren sterilen Kunststoffmöbeln nicht wohlfühlen und deshalb bislang immer Hotelurlaub gemacht haben, sagt Junior Oliver. Das kennt er aus der eigenen Familie. Denn nachdem sich seine Frau dem Camping bislang immer verweigert hat, ist sie jetzt gerne mit von der Partie.

Weitere sind in Planung

Dumm nur, dass die Offenburgers plötzlich vergleichsweise wenig Zeit haben. Denn beim hölzernen Erstling soll es nicht bleiben. Längst sind Vater und Sohn dabei, die alte Zimmerei umzubauen und daraus eine Wohnmobil-Manufaktur zu machen. Und während dort eine Handvoll Mitarbeiter bis zum Mai die erste Kleinserie von zunächst einmal fünf Autos zusammen zimmern, arbeiten Vater und Sohn schon an einer etwas abgespeckten Variante, mit der nicht nur der stolze Preis von rund 185.000 Euro aufwärts, sondern vor allem das Gewicht sinken soll. Denn bei aktuell 4,5 Tonnen braucht man schon einen Lkw-Führerschein, um mit dem Holzmobil auf Reisen zu gehen. „Aber wenn wir den Alkoven weglassen und ein paar dünnere Bretter einbauen, sollten wir unter 3,5 Tonnen kommen“, hofft Offenburger und rechnet dann mit noch mehr Nachfrage: Bis zu 50 Fahrzeuge im Jahr für dann etwa 140.000 Euro aufwärts hält er für durchaus realistisch.

Holz, soweit das Auge reicht und nirgendwo auch nur ein Fitzelchen Plastik – beim Aufbau waren die Herren Offenburger absolut konsequent. Umso mehr allerdings muss die Entwickler der Unterbau stören. Zwar lassen sie auf den MAN TGE, den sie als Basis gewählt haben, nichts kommen und haben vor allem an der Technik nichts auszusetzen. Immerhin hat der 2,0 Liter große Diesel 177 PS, die Doppelkupplung erhöht den Komfort und der Allradantrieb garantiert einen erweiterten Aktionsradius sowie eine unbegrenzte Saison. Doch der viele Kunststoff im Cockpit muss den Holzliebhabern ein Dorn im Auge sein, und so richtig zum Gedanken der Nachhaltigkeit will selbst der sauberste Diesel nicht passen. Aber die Offenburgers haben auch dafür vorgesorgt. Natürlich wird ihnen MAN kein individuelles Armaturenbrett schnitzen und mit einem Holzlenkrad vom Oldtimer-Händler wäre auch nicht viel gewonnen. Doch ist das Holzmobil so konzipiert, dass man den Aufbau jederzeit auf ein neues Fahrgestell schrauben kann, sagt der Senior: Sobald MAN für den elektrischen TGE eine halbwegs alltagstaugliche Reichweite vorweisen kann, ziehen die Offenburgers um und nehmen ihren ganzen Hausstand einfach mit.

 

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