Porsche trifft auf Käfer

Boxermotor hinten, Luftkühlung. Das passt sowohl auf VW wie auf Porsche 911. Wir haben die beiden prägenden Automodelle der alten Bonner Republik zusammengebracht. Beide übrigens im gleich benannten, aber doch unterschiedlichen „Golfblau“. 

Die Idee kam spontan, als ein mutmaßlich golfblauer Volkswagen Käfer an der Tankstelle auftauchte. Frühes Baujahr, ein 62er, mit charmanter Patina und sympathischer Fahrerin. Wir kennen doch einen ähnlich frühen Porsche 911, Baujahr 1966, Zweiliter-Motor und – in der Farbe Golfblau. Ein paar Anrufe, ein paar Terminvorschläge, und die beiden Preziosen stehen sich auf einem ruhig gelegenen Parkplatz gegenüber. Kurzes Stirnrunzeln, die Lacktöne ähneln sich, aber sind nicht gleich. Offensichtlich verstand man in Stuttgart unter „Golfblau“ etwas anders als in Wolfsburg. Ist ja auch verständlich. Schließlich verstand man unter dem Konzept Boxer-Heckmotor in Stuttgart ebenfalls etwas anders als in Wolfsburg. Schlappe 22.000 Mark musste ein 911-Interessent der frühen Stunde auf den Tisch legen, während für die Standard-Limousine aus Wolfsburg Anfang der Sechziger keine 4.000 Mark fällig wurden.
Als Ferdinand Porsche, der sich längst mit einem Ingenieurbüro in Stuttgart selbstständig gemacht hatte, Ende der Dreißiger den Auftrag erhielt, einen „Volkswagen“ zu bauen, war noch lange nicht absehbar, dass der später liebevoll Käfer genannte Volksfreund sich einmal zum automobilen Topseller entwickeln würde. Dazwischen lagen schließlich die Kriegswirren, die Ausbombung des Landes, die Besatzungszeit und der Wiederaufbau. Jetzt bedurfte es noch eines Wirtschaftswunders, und dass das überhaupt kam, war generell ein Wunder, schließlich gab es unter den Alliierten auch Akteure, die für Deutschland einen anderen Plan hegten. Der Käfer hatte es jedenfalls irgendwann geschafft, als bezahlbares Auto die Herzen vieler Menschen zu erobern – über 20 Millionen Fahrzeuge verließen die Produktionshallen in zwanzig verschiedenen Ländern auf allen fünf Kontinenten. Und auch wenn Autos wie Toyota Corolla und Volkswagen Golf häufiger gebaut wurden – der Käfer blieb in den Grundzügen unverändert, andere Topseller benötigten für solche Absatzzahlen viele Generationen.
Doch genug Geschichte, jetzt wird gefahren. Volkswagen 1200 Export, 34 PS – das klingt irgendwie mager. Doch es braucht nicht viel, um ein Grinsen auf des Fahrers Gesicht zu zaubern. Der Käfer fühlt sich irgendwie vertraut an, er ist der Mainstreamer in der Oldie-Szene, aber trotzdem cool. Kurzer Schlüsseldreh, und der Boxer knattert in vertrauter Manier los. Der erste Gang rastet metallisch, aber leichtgängig und präzise – hier muss man nicht oldtimererfahren sein, um problemlos von der Stelle zu kommen. Stichwort von der Stelle kommen – 34 PS mögen wenig sein, 740 Kilogramm Leergewicht sind es aber auch. Und so sprotzelt und rasselt der Käfer weniger phlegmatisch durch die Gegend, als man denken würde. Untermotorisiert? Keine Spur, selbst Steigungen nimmt er wacker, bedeutet dem Fahrer allerdings dann und wann, dass er jetzt mal herunterschalten sollte. Das gelingt jedoch dank ordentlicher Synchronisation ohne Krachen und geschmeidig. Der Käfer als Anfänger-Oldie? Passt.


Fahrzeugwechsel. Als die Urversion des Porsche 911 im Jahr 1963 auf der Frankfurter IAA präsentiert wurde, war der Konstrukteur des Käfers, also Ferdinand Porsche, schon zwölf Jahre tot. Das Design stammt von seinem Enkel Ferdinand, und am genialen Konzept mit dem Boxermotor im Heck wurde natürlich festgehalten. Während im Vorgänger 356 allerdings noch Vierzylinder zum Einsatz kamen, wurde der 911 jetzt aristokratischer, verließ das Terrain der bodenständigen Motorisierung im Gegensatz übrigens auch zum Käfer: Der Sechszylinder-Porsche war geboren – Hans Mezger hat den Treibsatz entwickelt. Sportwagen-Enthusiasten und Porsche-Fans mussten sich seinerzeit mit 130 Pferdchen begnügen – das war zu dieser Zeit bezogen auf den gesamten Sportwagenmarkt zwar lange nicht das Ende der Fahnenstange, aber doch haushoch dem überlegen, was sich der durchschnittliche Arbeitnehmer in Käfer und Co leisten konnte.
Im ersten Elfer niedergelassen, wandert die Hand intuitiv nach links, wo das Zündschloss ganz traditionell ja auch noch bei den modernen 911ern sitzt. Der Zweiliter verfällt nach kurzem Orgeln in den typischen, grummelig-dunkel klingenden Lauf und suggeriert mehr Hubraum, als er tatsächlich hat. Kurz vor dem Losfahren werden übrigens noch einmal die Unterschiede zum Käfer deutlich – aber anders als vermutet. Von wegen, beim Sportler geht alles schön leicht, nein, die Schaltkulisse will erarbeitet werden. Mehr Spiel im Schalthebel macht schnelles Wechseln der Übersetzungen erst möglich, wenn man eine bestimmte Anzahl von Trainingskilometern auf dem Buckel hat. Aber sportliches Fahren ist ja schließlich auch Arbeit – die fehlende Servolenkung spart wieder ein paar Kilos und trainiert den Bizeps. Arbeiten darf jetzt auch der Boxer mit der sonoren Klangnote. Nach ein paar ölwärmenden Kilometern erlaubt der Besitzer des komplett restaurierten Topexemplars auch Drehzahl. Und dann marschiert der Elfer auch. Sein Sechszylinder sorgt für markanten Druck im Kreuz. Zwar sind die Schaltpausen ausgeprägt, das Getriebe will schließlich wohl behandelt sein, aber ist der Kraftschluss wiederhergestellt, dann gib ihm. Die Beschleunigung des etwas mehr als eine Tonne wiegenden Ur-Elfers wird mit heutzutage müde klingenden neun Sekunden beziffert, aber wenn man den Boxer ausdreht, wirkt der fast 60 Jahre alte Sportler recht behände. Und er erreicht mit viel Anlauf die damals atemberaubende und selbst anno 2021 noch ansehnliche Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h. Auch Kehren mag der betagte Elfer, nur bitte nicht zu wild treiben, denn das Heck tendiert zum Kurvenaußenrand.


Der frühe 911, der eigentlich 901 geheißen hätte (Peugeot intervenierte), hat Stil, man blickt auf fein gearbeitete Holzintarsien. Die großen, übersichtlichen Rundinstrumente sind sechs Jahrzehnte nach ihrer Einführung noch das Maß, an dem sich die modernen Porsche-Interieurs orientieren. Blinkende Chrom-Radzierblenden harmonieren gut mit dem sanften Blauton – übrigens auch beim Käfer, der mit seiner Single-Skala für das aktuelle Tempo kaum besser demonstrieren könnte, wie automobile Sparflamme früher aussah. Aber er brachte und bringt seine Fahrgäste auf Wunsch noch heute ohne Probleme an entfernte Orte bei sogar recht passablen Platzverhältnissen. Der Käfer misst ausladende 4,07 Meter, ist also kein kleines Auto. Dass es zu zweit dennoch kuschelig werden kann, liegt daran, dass er mit 1,54 Metern schmal ist. Ein schönes Pärchen in Golfblau ist da zusammengekommen, um bei gleichem Basiskonzept zu zeigen, wie automobiler Klassenunterschied in den frühen Sechzigerjahren aussah.

Volkswagen 1200 – Technische Daten
Kompakte Limousine, Länge: 4,07 Meter, Breite: 1,54 Meter, Höhe: 1,50 Meter, Radstand: 2,40 Meter
1,2-l-Vierzylinder-Otto-Viertaktboxermotor, 25 kW/34 PS, maximales Drehmoment: 82 Nm bei 2.000 U/min, Hinterradantrieb, 0-100 km/h: 31 s, Vmax: 115 km/h
Ehemaliger Neupreis: ab 3.790 DM
Heutiger Marktpreis nach Classic Data:
Volkswagen 1200
Note 1:      26.000 Euro
Note 2:      18.400 Euro
Note 3:      10.500 Euro

Porsche 911 2.0 Coupé – Technische Daten
Luxuriöses Sportcoupé, Länge: 4,16 Meter, Breite: 1,61 Meter, Höhe: 1,32 Meter, Radstand: 2,21 Meter
2,0-l-Sechszylinder-Otto-Viertaktboxermotor, 96 kW/130 PS, maximales Drehmoment: 175 Nm bei 4.200 U/min, Hinterradantrieb, 0-100 km/h: 9 s, Vmax: 210 km/h
Ehemaliger Neupreis: ab 21.900 DM
Heutiger Marktpreis nach Classic Data:
Porsche 911 2.0 Coupé
Note 1:      180.000 Euro
Note 2:      135.000 Euro
Note 3:      115.000 Euro

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