Prototypenfahrt: Mercedes EQA

Der muss einfach zum Erfolg werden: Wenn Mercedes im Frühjahr den EQA an den Start bringt, kombinieren die Schwaben zwei große Trends und bauen ihr erstes kleines SUV mit Elektroantrieb. Doch so ganz neu ist das Auto gar nicht.

Mercedes steht unter Strom. Nachdem die Schwaben bislang eher pflichtschuldig als begeistert auf die Batterie gesetzt haben, drängen sie jetzt mit aller Macht an die Ladesäule – gleich vier neue Elektroautos wollen sie in diesem Jahr an den Start bringen und stehend dabei offenbar so unter Spannung, dass sie mit den ersten Testfahrten nicht einmal bis zur Weltpremiere warten wollen. Noch bevor die digitale Enthüllung des EQA den großen Reigen eröffnet, steht der elektrische Einsteiger deshalb jetzt neben Werkstor in Stuttgart zur Jungfernfahrt bereit.

Dass er dabei noch eine leichte Tarnung trägt, ist eigentlich ziemlich überflüssig. Schließlich ist der EQA nichts anders als ein umgebauter GLA. Viel mehr als der geschwärzte Plastikgrill mit der durchgehenden LED-Leiste, die Aero-Felgen sowie das retuschierte Heck mit dem durchlaufenden Band für die Rückleuchten und dem nach unten gerutschten Kennzeichen werden den Stromer deshalb kaum vom Verbrenner unterscheiden. Und auch innen gibt es außer ein paar – nun ja – eher albernen Applikationen in Roségold, einer nun vollflächig hinterleuchteten Konsole vor dem Beifahrer und ein paar neuen EQ-Grafiken im Infotainment-System nichts, was die beiden unterscheidet.

Das gilt neben dem Ambiente auch für die Abmessungen: Bei rund 4,50 Metern Länge sind die Platzverhältnisse für Kind und Kegel unverändert. Verglichen mit konventionellen Geländewagen aus der Kompaktklasse sitzen die Hinterbänkler deshalb ganz ordentlich: Doch neidisch werden sie auf Mitfahrer in dezidierten Elektroautos wie dem VW ID3 schauen, die bei weniger Länge deutlich mehr Innenraum bieten. Immerhin hat auch der Kofferraum durch die Elektrotechnik nicht gelitten. Und wer mehr Platz braucht, bekommt schließlich in ein paar Monaten auch einen elektrifizierten GLB, der dann zum EQB wird.  

Los geht es mit dem EQA 250, den ein 140 kW/190 PS-Motor über die Vorderachse antreibt. Gespeist aus einer Batterie von geschätzten 70 kWh verspricht Mercedes für ihn eine WLTP-Reichweite von mehr als 420 Kilometern. Später folgen mindestens ein Performance-Modell mit über 200 kW und einem zweiten Motor im Heck sowie ein Dauerläufer mit genügend Akku für mehr als 500 Kilometer. Geladen wird dabei mit bis zu 100 kW, so dass 30 Minuten an der Gleichstromsäule für einen Hub von 10 auf 80 Prozent reichen sollten.  

Ähnlich wie beim großen Bruder EQC hat Mercedes aus der Not der gemeinsam genutzten Plattform eine Tugend gemacht und den Bauraum im Bug wenn schon nicht für einen Frunk, dann wenigstens für einen Hilfsrahmen und eine aufwändige Entkopplung von Motor, Karosserie und Chassis genutzt. Das Ergebnis ist eine souveräne Stille, die andere Elektroautos laut und fast schon klapprig erscheinen lassen.

Das Fahrgefühl selbst ist dagegen ähnlich wie bei allen Akku-Autos: Auch der EQA hat einen kräftigen Antritt und erinnert damit fast an ein AMG-Modell. Die Batterien im Boden erhöhen zwar das Gewicht und sorgen so für eine gewisse Trägheit, senken dafür aber den Schwerpunkt und erhöhen damit den Spaß in Kurven. Und auf der Autobahn wird die Luft irgendwann arg dünn. Dass bei 160 km/h Schuss ist, dürfte deshalb niemanden ernsthaft stören. Zumal aus Rücksicht auf die Reichweite ohnehin kaum ein E-Fahrer das Spitzentempo seines Stromers je ausreizt.  

Zwar will Mercedes mit dem EQA vor allem Umsteiger ködern und macht ihnen die elektrische Premiere etwa mit einer besonders schlauen Navigation und einer App für den problemlosen Zugang zu bald einer halben Million Ladesäulen in Europa entsprechend leicht. Doch befriedigt der kompakte Stromer auch die Bedürfnisse erfahrener Elektriker. Denn anders als etwa ein iX3 oder ein ID3 ermöglicht er ziemlich konsequentes Ein-Pedal-Fahren. Wer die stärkste der insgesamt fünf Rekuperationsstufen wählt, der knallt fast mit dem Kinn auf die Brust, wenn er nur den Fuß vom Gas nimmt und kann sich die mechanische Bremse getrost sparen. In der schwächsten Stellung dagegen segelt das kompakte SUV kilometerweit und kommt erst durch einen beherzten Tritt aufs zweite Pedal zum Stehen.  

Natürlich verteidigt Mercedes die Strategie einer gemeinsamen Plattform für alle Antriebe, verkürzt sie doch die Entwicklungszeit und erhält in der Fabrik die nötige Flexibilität, um auf die schwer planbare Nachfrage nach Elektroautos zu reagieren. Doch wissen sie in Stuttgart auch, dass sie damit ein paar Vorteile preisgeben und fahren deshalb lieber zweigleisig: Wenn im Herbst mit dem EQS der nächste Stern am Elektro-Himmel aufgeht, dann startet mit ihm auch die erste dezidierte Elektro-Architektur.  

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