Schneller, stärker, teurer
Supersportwagen gehören zum Genfer Autosalon wie die Schokolade zur Schweiz. Auch in diesem Jahr wird wieder eifrig um Superlative gebuhlt – ganz egal, ob mit großvolumigen Benzinern oder drehmomentstarken E-Motoren unter der Haube.
Das letzte Auto, das gebaut werden wird, da war sich Ferry Porsche schon vor rund siebzig Jahren sicher, wird ein Sportwagen sein. Dass der Spiritus Rector des Porsche-Imperiums damals schon an Boliden wie den gerade eben auf dem Genfer Autosalon enthüllten Pininfarina Battista gedacht hat, ist allerdings unwahrscheinlich. In einer Zeit, da ein paar Dutzend Pferdestärken genügten, um schwindelerregende Fahrleistungen zu erzielen, müssen 1.416 kW/1.926 PS und 2.300 Newtonmeter Drehmoment so unvorstellbar gewesen sein, wie der Rücktritt eines Papstes. Beides ist inzwischen Realität geworden.
Doch während der Amtsverzicht des Pontifex wie ein Donnerhall um die Welt ging, dürfte die nach dem Pininfarina-Gründer benannte Flunder ihre Kraft ziemlich lautlos entfalten. Denn: Die immense Power wird rein elektrisch zur Verfügung gestellt. Gleich vier E-Motoren treiben den Italiener an, schubsen ihn in unter zwei Sekunden auf Tempo 100 und sollen eine Höchstgeschweindigkeit von 350 km/h ermöglichen. Dass die 120-kWh-Batterie bei solchen Beschleunigungseskapaden wirklich für 450 Kilometer reicht, ist allerdings Wunschdenken.
Nur halb so stark, aber deutlich limitierter, ist der Hispano Suiza Carmen. Während Pininfarina glaubt, 150 Stück unters Volk bringen zu können, ist der 1,8 Millionen Euro teure Grand Tourer aus Spanien auf 19 Einheiten limitiert. Der Retro-Sportler mit extrem ausgestellten Kotflügeln und verdeckten Rädern hinten wird ebenfalls elektrisch befeuert, kann dem Battista mit seinen 749 kW/1.019 PS aber kaum Paroli bieten. Das schafft auch „La Voiture Noire“, das schwarze Auto, von Bugatti nicht: Das Einzelstück wird ganz markentypisch von einem 16-Zylinder-Benziner mit 1.102 kW/1.500 PS angetrieben. Allerdings greift hier ein anderer Superlativ: Das tiefschwarze Einzelstück soll mit elf Millionen Euro das teuerste Auto überhaupt sein – was nichts daran ändert, dass sich bereits ein Käufer gefunden hat.
Für den Preis des Bugatti könnte man sich alternativ vier Koenigsegg Jesko kaufen: Der schwedische Hersteller ist Stammgast in Genf und greift mit seinem neuesten Wurf – nach dem die Titel stärkster und teuerster Wagen schon vergeben sind – nach der Geschwindigkeitskrone. Mit bis zu 1.167 kW/1.600 PS (wenn man E85-Biosprit tankt) soll der nach dem Vater des Firmenchefs benannte Jesko als erstes Auto die 300-Meilen-Marke (480 km/h) knacken; noch schafft er das allerdings nur in hauseigenen Simulationen.
Gegen solche Hyper-Luxus-Modelle wirken der Lamborghini Aventador SVJ Roadster oder der Ferrari 488-GTB-Nachfolger F8 Tributo fast schon wie Schnäppchen: Der radikale Open-Air-Lambo mit Carbon-Dach und 770-V12-Saug-PS ist schon für weniger als eine halbe Million Euro zu haben. Und der nur unwesentlich schwächere Ferrari dürfte sogar für die Hälfte erhältlich sein. Auch der Sportwagen-Hersteller aus Modena will nichts von Elektrifizierung wissen und setzt auf einen aufgeladenen 3,9-Liter-V8 mit 529 kW/720 PS – der bislang stärkste Ferrari-Achtzylinder überhaupt, dem die Ingenieure auch das beim Vorgänger noch spürbare Turboloch ausgetrieben haben wollen. Verstecken muss er sich hinter dem Aventador nicht, beide sprinten in unter drei Sekunden auf hundert und beim Top-Speed von weit über 300 km/h trennen sie auch nur ein paar Zähler.
In ähnliche Regionen werden auch die beiden neuen Aston Martin Sportler vorstoßen, die die Briten mit zwei Studien ankündigen: Der zusammen mit Red Bull entwickelte RB 003 könnte als Valhalla in Kleinserie gehen und soll mit dem Ferrari F8 konkurrieren. Der Vanquish Vision nimmt dagegen den 2022 kommenden Vanquish vorweg, der etwas weniger radikal ausgelegt sein dürfte. Beide Konzeptautos setzten auf einen neuen Turbo-V6, im RB 003 bekommt der Benziner zusätzlich Elektro-Unterstützung. Apropos Sechszylinder: Ein Boxer mit sechs Brennkammern kommt auch im Porsche 911 Cabriolet zum Einsatz, das auf dem Genfer Salon seinen Einstand gibt und zunächst mit 331 kW/450 PS wuchert. Der Preis für das Frischluft-Vergnügen: Mindestens 134.000 Euro.
Ausschließlich auf Strom wiederum setzt Piëch. Das von Ferdinand Piëchs Sohn Anton gegründete Unternehmen plant eine elektrische Modellfamilie. Bevor Viersitzer und SUV kommen, macht mit dem Piëch Mark Zero allerdings ein vom Schweizer Designer Rea Stark Rajcic recht klassisch gezeichneter Sportwagen für zwei den ersten Aufschlag. Das Highlight des Stromers mit drei 150-kW-Motoren ist die Batterie: Der Akku mit genug Energie für rund 500 Kilometer soll in weniger als fünf Minuten zu 80 Prozent geladen werden können. Außerdem sollen die neuartigen Zellen kaum Wärme erzeugen, was die aufwändige Flüssigkeitskühlung überflüssig macht und das Gewicht um rund 200 Kilogramm reduziert. Mit weniger als 1,8 Tonnen wäre der Mark Zero einer der leichtesten Stromer. Vollends überzeugt vom E-Antrieb scheint der Piëch-Spross allerdings nicht zu sein: Die flexible Plattform kann auch mit Brennstoffzellen, Hybrid-Antrieben oder klassischen Verbrennern bestückt werden. Interessant: Zwar steht der Akkulieferant aus China schon fest, wo und mit welchem Partner die Autos gefertigt werden sollen, ist aber noch genauso offen wie der Starttermin. Piëch betont zwar, dass trotz familiärer Bande keine Verbindung zum VW-Konzern bestünde, schließt eine zukünftige Zusammenarbeit aber nicht aus. Fest steht auf jeden Fall: Ferry Porsche wäre stolz auf seinen Großneffen.
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