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ToggleBislang hat Ralf-Hendrik Steinkühler peinlich genau auf Originalität und auf verbriefte Daten geachtet. Doch jetzt bringt der Oldtimer-Händler aus Hamburg den Zeitstrahl selbst gehörig durcheinander. Denn für die Restomod Emilia GT holen er und seine Partner einen Alfa Bertone ins Hier und Heute.
Historische Ferrari auf Hochglanz, patinierte Porsche, ein paar mondäne Maserati, lässige Lamborghini, adelige Sportwagen aus dem Hause Aston Martin und dazwischen eine chromglänzende Corvette – wer in Hamburg einen potenten Oldtimer sucht, ist bei Ralf-Hendrik Steinkühler gut aufgehoben. Doch bald soll in seinem Showroom nahe des Flughafens erstmals auch ein Neuwagen stehen, der sein eigenes Logo trägt. Denn Steinkühler geht unter die Autohersteller und will Petrolheads künftig mit dem Emilia GT locken, der in 22 Exemplaren zu Preisen zwischen 400.000 und 500.000 Euro noch in diesem Jahr an den Start gehen soll.
Folgt den anderen
So ganz von seinen Wurzeln verabschiedet sich Oldtimerhändler damit freilich nicht, und auch die Meriten für das Modell gebühren ihm und seinen Partnern nicht alleine. Der Emilia GT fußt auf der Alfa Giulia GT, die 1963 vorgestellt wurde und als Alfa Bertone zu Ruhm und Ehre kam. So, wie es die US-Manufaktur Singer es mit Porsche-Modellen macht, Mechatronik mit Mercedes und Memminger mit Käfern, will er den alten Alfa mit moderner Technik ins Heute holen und folgt dem Trend zum Hightech-Oldtimer, die als „Restomods“ gerade hoch im Kurs stehen. Denn sie werden nicht nur restauriert, sondern gleich auch modernisiert – und zwar idealerweise mit der Technik des gleichen Herstellers.
Deshalb verheiratet Steinkühler einen alten Alfa Bertone mit einer neuen Giulia QV und pflanzt gemeinsam mit seinem Entwicklungspartner Velo Performance aus Berlin vor allem deren kräftiges Herz unter die Haube des Klassikers. Wo bislang maximal 2,0 Liter Hubraum, vier Zylinder und 131 PS zu haben waren, toben jetzt sechs Kolben durch 2,9 Liter und schleudern 510 PS und 600 Nm von der Kurbelwelle.
Alt trifft neu
Damit die Herztransplantation gelingt, braucht der Emilia GT einen völlig neuen Vorbau, so dass von der alten Karosserie von der Windschutzscheibe frontwärts nicht mehr viel übrig bleibt. Und damit das Ganze auch nur halbwegs fahrbar wird, baut Steinkühler auch die Achsen und die Automatik aus der Giulia ein und übernimmt sogar die Schaltwippen am Lenkrad.
Das ist zwar nach wie vor aus Holz und prangt vor analogen Instrumenten, doch gibt es auch sonst viel neue Technik: Klimaautomatik, elektrische Fensterheber und ein modernes Infotainment müssen schon sein, genau wie die bequemen Recaros. Dafür erscheint die Rückbank verzichtbar und fliegt kurzerhand raus.
Leichtgewicht
Ja, der Antrieb ist aktuell, aber das Fahrgefühl dürfte trotzdem sehr viel archaischer sein, als es Alfisti heute gewohnt sind. Erstens, weil Steinkühler zwar ABS und Traktionskontrolle einbaut, sich aber zumindest das ESP verkneift. Und zweitens, weil der Emilia GT nur 1.250 Kilo wiegt und nicht wie die Giulia bald zwei Tonnen auf die Waage bringt. Wo schon das Serienauto 310 km/h schafft, sollte der Emilia GT locker zumindest die 300er Marke reißen und nicht wie früher bei 200 km/h gegen eine Wand aus Wind fahren.
„Das wird mächtig war voran gehen“, hofft Steinkühler und kann es kaum erwarten, bis aus seinen digitalen Skizzen auf seinem Schreibtisch endlich ein greifbares Auto in der Garage wird und er zur Jungfernfahrt starten kann.
Dass sein erstes eigenes Auto ein Alfa werden musste, ist für Steinkühler nur folgerichtig, selbst wenn er zwischendurch auch mit einem Lancia geliebäugelt, den aber wegen der geringen Stückzahlen aktueller Modelle und entsprechend wenig adäquater Spenderfahrzeuge wieder verworfen hat. „Schließlich war schon mein erstes Auto ein Alfasud, sagt der Vater der Emilia GT, der von diesem Virus seitdem nicht mehr losgekommen ist.
Nur noch wenig Begeisterung
Dummerweise hat diese Virulenz in den letzten Jahren gravierend nachgelassen und es lassen sich nicht mehr ganz so viele Menschen von seiner Liebe zum alten Blech anstecken. „Klar schwärmen viele Autofans noch immer von den alten Formen und vermissen bei modernen Autos die Emotionen“, hat Steinkühler bei seinen Kunden beobachtet. Doch egal ob sie nun mit einem Ferrari Testarossa von der Probefahrt zurückkommen, mit einem Lancia Delta Integrale oder eben einem Alfa Bertone, sieht Steinkühler dann oft genug Enttäuschung in ihren Gesichtern: „Die Fahrleistungen nicht mehr up to date, der Komfort nicht zeitgemäß, und dann auch noch ohne Klima und Servolenkung. Von der Wartung ganz zu schweigen“, fasst er die Kritik zusammen, die ihn letztlich zur aufwändigen Organtransplantation geführt hat.
Es soll besonders bleiben
Natürlich haben Steinkühler und seine Partner bei der Gelegenheit auch gleich über einen Elektromotor nachgedacht, weil der im Trend liegt, neue Kundengruppen erschließt und noch weniger Wartung braucht als ein moderner Verbrenner. Doch gerade der Siegeszug der Stromer war es, der Steinkühler von dem ganz großen Sprung auf der Zeitachse abgehalten hat. „Unser Auto soll etwas Besonderes sein. Wer die Woche über zwischen Wohnung und Büro elektrisch pendelt, der soll sich am Wochenende auf den soliden Sound eines Verbrenners freuen dürfen und entsprechend emotional unterwegs sein.“
Zwar weiß Steinkühler, dass er mit dem Projekt so manchen Traditionalisten gegen sich aufbringt, weil denen ein altes Auto heilig ist. Selbst wenn er von 95 Prozent Zustimmung im Kreis der Alfisti spricht. Doch erstens hat er sich bewusst ein Modell aus der Großserie ausgesucht und keinen raren Ferrari oder Maserati. „Schließlich wurden von der Giulia GT in über zehn Jahren mehr als 220.000 Exemplare gebaut, so dass man 22 Umbauten wohl verschmerzen kann.“
Und zweitens hätte er es nie gewagt, für die Emilia einen gut erhaltenen Klassiker zu opfern, beteuert der Restomodder. „Wir haben uns bewusst Spenderfahrzeuge gesucht, die ohnehin nicht mehr fahrbereit waren und bringen damit sogar noch ein paar mehr Alfas auf die Straße zurück.“