Dr. Jekyll and Mr. Hyde – Die neue Mercedes X-Klasse
Vor ein paar Stunden war es soweit: In Stockholm wurde die neue Mercedes X-Klasse gezeigt. Natürlich entspricht das, was wir aktuell noch zu sehen bekommen, nicht dem endgültigen Modell. Doch das Conceptcar ist schon sehr nah dran an der Serie, schließlich ist Ende 2017 die Marktreife geplant. Die Stuttgarter sprechen beim neuen Modell vom ersten Pickup der Firmengeschichte und wollen mit ihm eben dieses Segment umkrempeln. Das haben sie vor 20 Jahren schon einmal geschafft, als sie mit der M-Klasse die Riege der reinen Geländefahrzeuge zum Segment der SUV umfunktionierten. Werfen wir einen Blick auf die Details der neuen Mercedes X-Klasse.
Mercedes gibt sich bescheiden und sieht sich als ersten Premium-Hersteller im Segment der Midsize-Pickups. Mit der neuen X-Klasse wollen die Stuttgarter in den anvisierten Kernmärkten Argentinien, Brasilien, Südafrika, Australien mit Neuseeland und Europa ihre Verkaufspotentiale ausweiten und setzen dabei auf einen starken Partner. Dank der Allianz mit Renault-Nissan konnten die Schwaben – wie man es von ihnen erwartet – die Kosten senken und greifen auf den Nissan Navara als technische Basis zurück. Gebaut wird die neue Mercedes X-Klasse ebenfalls bei den Partnern: Teilweise werden die Premium-Pickups im Nissan-Werk in Spanien gebaut, teilweise im Renault-Werk in Argentinien.
Die Mercedes X-Klasse will ein Premium-Pickup sein
Dabei ist Premium ein gutes Stichwort. Mercedes sieht den Pickup-Markt im Umbruch: Der Trend geht weg von reinen Nutzfahrzeugen hin zum immer mehr dem Lifestyle zugewandten Fahrzeug für den privaten und beruflichen Nutzen. Besonders beliebt seien die Doppelkabine und PKW-typische Fahreigenschaften – beides Attribute, die die neue Mercedes X-Klasse bieten soll. Aber hat sie auch das Potential, aus diesem Nischen- einen Massenmarkt zu zaubern? Mit dem ML hat es seinerzeit schließlich geklappt. Aber das wird wohl die Zukunft zeigen. Klar ist jedoch, dass VW den Schritt hin zum Premium-Pickup vorgemacht hat. Die Facelift-Version des VW Amarok will ebenfalls gehobenen Ansprüchen genügen.
Einzigartig bei der neuen Mercedes X-Klasse ist die Aufteilung auf zwei Modelle. Zum einen wird es den Pickup als „stylish explorer“ – also Mr. Hyde – geben. Und zum anderen soll eine Variante kommen, die den Rabauken mimt: Der „powerfull adventurer“. Beiden gemein ist das Top-Aggregat, das unter der ausgestellten Haube beordert werden kann: Ein V6-Diesel. Das hat Volkswagen allerdings jüngst beim Amarok etabliert. Aber zurück zum neuen Stuttgarter: Der große Diesel wird serienmäßig mit dem permanenten Allradantrieb 4MATIK kommen und soll hohen Wert auf die Fahrdynamik legen. Dafür sind unter anderem das elektronische Traktionssystem, ein Verteilergetriebe mit Geländeuntersetzung sowie gleich zwei Differentialsperren mitverantwortlich.
Starrachsen und Blattfedern? Nicht für die Mercedes X-Klasse
Beiden gemein ist zudem der hohe Nutzwert. So bietet die Mercedes X-Klasse sowohl als „stylish explorer“ wie auch als „powerful adventurer“ eine Zuladung von 1,1 Tonnen. Wer öfter einen Anhänger ziehen will, darf sich über eine maximale Anhängelast von 3,5 Tonnen freuen. Und trotz dieser auf hohe Belastungen ausgelegten Konstruktion soll der Fahrkomfort nicht zu kurz kommen. Dafür haben die Schwaben ein neues Fahrwerk konstruiert, das nicht nur breite Achsen, sondern auch eine Fünflenker-Hinterachse mit Schraubfedern bietet. Hinzu kommt die präzise Lenkung, die bei allem Komfort ein gleichzeitig agiles Kurvenverhalten bieten soll. Und zu guter Letzt darf die Mercedes-typische Sicherheitsausstattung nicht fehlen, die natürlich auch zeitgemäße Assistenten beinhaltet. Teilweise sind diese sogar serienmäßig.
Aber was macht nun die Unterschiede zwischen den beiden Versionen aus? Die X-Klasse als stylish explorer rollte zunächst in einem kühlen, eleganten Weißmatallic auf die Bühne und machte damit einen stilvoll-athletischen Eindruck. Das kann nicht jeder Pickup von sich behaupten. Bei dieser Version zeigt sich eine markante Front, die die Evolution des SUV-Gesichts von Mercedes trägt. Das spiegelt sich etwa am Ein-Lamellen-Kühlergrill mit Zentralstern wider, der für gewöhnlich bei den Coupés der Stuttgarter Einsatz findet. Zudem zeigt der stylish explorer stark ausgeformte Powerdomes und Scheinwerfer, die weit in die ausgestellten Radhäuser reichen.
Damit, und mit den ausgestellten Kotflügeln, betonen die Schwaben die Breite der X-Klasse. Dennoch hat dies auch einen anderen Sinn: Hier findet eine breite Spur ihr Zuhause, was der Fahrdynamik zuträglich ist. Außerdem bietet der stylish explorer 22-Zoll-Felgen und in die Karosserie integrierte Trittbretter. Ob das in der Serie wohl auch so kommen wird? Das fragt man sich auch bei der Heckansicht: Hier zeigt die Mercedes X-Klasse ein umlaufendes LED-Leuchtenband. Wie so häufig, ist das eine Frage des Geschmacks.
Edel oder rustikal: Hier entscheidet der persönliche Geschmack
Innen gibt sich die Variante ebenfalls elegant und zeigt hochwertige Materialien wie bislang kein Wettbewerber. So installierte man offen porige, geräucherte Eiche und gebürstetes Aluminium, was für eine angenehme Club-Atmosphäre sorgt. Hinzu gesellt sich ein freistehender, zentraler Bildschirm, dessen Bedienung mit dem Controller über Wischgesten, wie man sie vom Smartphone kennt, geschieht.
Der powerful adventurer stellt eher seinen rauen Charakter zur Schau und rückt die klassischen Pickup-Tugenden in den Vordergrund. Er wirkt robust und geländetauglich und nicht zuletzt durch seine Lackierung in Lemonacmetallic äußerst auffällig. Dazu trägt auch die Höhe von 1,90m bei, die durch die grobstolligen Reifen und die große Bodenfreiheit noch stattlicher wirkt. Hier trägt der SUV-Grill jedoch zwei Lamellen, wird aber von anderen Merkmalen unterstrichen. Dazu zählen etwa der Unterfahrschutz vorn wie hinten, die Seilwinde am Bug, die Kotflügel-Verbreiterungen oder mattes Carbon.
Das ist auch im Interieur reichlich vorhanden, wirkt durch die prominente Platzierung eines Feuerlöschers aber fast unsichtbar. Dazu tragen auch die Farben und Materialien bei, die mehr Outdoor-Charakter versprechen. Bekannt kann einem indes das Infotainment vorkommen: Es stammt aus der C- und V-Klasse und konnte hier bereits überzeugen. Dank seiner Organspender bietet es Vernetzung auf aktuellem Stand sowie die Mercedes me connect- Dienste. Damit lässt sich etwa der Tankinhalt aus der Ferne abfragen. Das kann wichtig sein, falls die Mercedes X-Klasse mal ohne Sprit im (Großstadt)-Dschungel liegenbleibt…
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