Skoda Octavia Facelift – Der Konkurrent
Er war zwar bislang schon der Musterschüler bei Skoda, doch nach einer gewissen Zeit muss einfach ein Facelift her. Bitteschön, da ist es: Der Skoda Octavia schaut nicht mehr aus zwei konzentriert dreinblickenden Augen mit langem Liedstrich, sondern hat nun ein Vier-Augen-Gesicht bekommen. Das mag einem gefallen oder eben nicht – an den Qualitäten des tschechischen Kompakten hat das nichts geändert. Ganz im Gegenteil: Der Feinschliff am Fahrwerk lässt den Octavia gänzlich zum Konzernbruder Golf aufschließen – bei mehr Außenlänge und Radstand. Aber auch bei annähernd gleichem Preis. Was hat der Tscheche auf und vor allem im Kasten?
Design – Der Octavia mit Brille
Der Skoda Octavia hat ein Facelift bekommen – das kann niemand leugnen. Auf den ersten Blick fällt die Neugestaltung der Front ins Auge. Und der erste Eindruck war nicht gerade der beste: Galt der Tscheche bislang als schnörkellos, geriet die Front nun eindeutig polarisierender. Aber eines sei jetzt schon gesagt: In Natura ist alles halb so wild. Zwar muss man sich noch an das Vier-Augen-Gesicht gewöhnen, aber das hat man seinerzeit bei der Mercedes-Benz E-Klasse auch geschafft.
Hat man die Neugestaltung also erst einmal live betrachtet, stößt sie gar nicht mehr so sehr auf – man gewöhnt sich schnell daran. Fakt ist, dass der Wiedererkennungswert gestiegen ist und die Familienzugehörigkeit wächst. Schließlich fährt auch der aktuelle Skoda Kodiaq mit einem, wenn auch dezenteren, Vier-Augen-Gesicht vor. Für mehr Selbstbewusstsein sorgt zudem der stärker konturierte Kühlergrill, der von je einer Sicke auf dem entsprechenden Kotflügel ergänz wird. Und sonst? Da bleibt zwar nicht alles beim Alten, aber viel geschah an der restlichen Karosserie nicht. So ist die Seitenansicht weiterhin geradlinig und schlicht. Auch am Heck tat sich wenig: Am augenscheinlichsten sin die abgedunkelten Rückleuchten mit neuem Innenleben.
Innenraum – Raumschiff Columbus
Es gibt kaum einen Skoda, der nicht mit übermäßig viel Raum gefallen würde. Klar, der Citigo entspricht seinen Konzerngeschwistern, bietet für einen Kleinstwagen aber mehr als nur das Nötigste. So verhält es sich auch beim Octavia. Grundsätzlich wird der Tscheche zur Kompaktklasse gezählt, wuchert aber mit einer Außenlänge von 4,67 m und einem Radstand von 2,68 m. Das sind ganze zehn respektive sieben Zentimeter mehr, als ein Golf Variant in die Waagschale wirft. Davon profitierten natürlich die Insassen. Vorn wie hinten ist Platzmangel ein Fremdwort.
Ist die Sitzposition auf dem Fahrersitz angepasst, kann hinter mir sogar noch jemand menschenwürdig sitzen. Selbst auf Langstrecken. Je kleiner die vorn Sitzenden, desto großzügiger fällt natürlich das Platzangebot im Fond aus. Keinen Grund zu Beschwerden gibt es auch beim Thema der Bedienung: Alles lässt sich bestens erreichen und legt eine angenehme Haptik an den Tag. Klar, hier und da könnten die verwendeten Kunststoffe etwas wertiger sein, wie etwa am inneren Türgriff, aber irgendwie muss sich der, wenn auch geringe, Preisvorteil des Octavia gegenüber dem Wolfsburger Konkurrenten ja erklären. Schön auch, dass der Tscheche mit vielen sinnvollen Ablagen gefällt. Neben dem obligatorischen (und gekühlten) Handschuhfach, steht eine Ablage in der Mittelkonsole bereit, die von zahlreichen weiteren Ablagemöglichkeiten ergänzt wird. Dabei ist gerade das Fach unterhalb der Klimasteuerung besonders interessant, bietet es schließlich die Möglichkeit des induktiven Ladens. Und auch die Becherhalter in der Mittelkonsole haben einen „simply clever“ Trick integriert: Durch ihre spezielle Konstruktion sitzen 0,5 Liter Flaschen angenehm fest, sodass man sie mit einer Hand während der Fahrt öffnen kann.
Mit Cleverness hat der Kofferraum indes nicht ausschließlich zu tun. Nein seine Sache ist eine andere: Schiere Größe. 610 Liter warten darauf, mit allerlei Ladegut gefüllt zu werden. Zieht man am Hebel links und rechts, klappt die jeweilige Rücksitzlehne behände nach vorn und erweitert das Ladeabteil auf 1.740 Liter. So steht der tschechische Kombi weder der Mitnahme von Lifestyle-Gütern, wie etwas Mountainbikes im Wege, noch dem Besuch im Möbelhaus oder dem Umzug des besten Kumpels.
Den Weg zur neuen Wohnung des guten Freundes weiß übrigens das neue Navigationssystem Columbus. Mit seinen 9,2 Zoll Bildschirmdiagonale ist es der Blickfang am Armaturenbrett und gefällt mit einer brillianten Darstellung. Integriert sind nicht nur eine absolut eingängige Handhabung, sondern neben der Navigation auch die Bluetooth-Telefonie oder der digitale Radioempfang DAB. Gleichzeitig bindet es das Smartphone bestens über Android Auto oder Apple CarPlay ein und spiegelt die Oberfläche des jeweiligen Endgeräts geschickt auf das Infotainment-Display. Zwar gefällt die Darstellung über Apple CarPlay in Nuancen besser, aber das fällt kaum ins Gewicht. Eher schon, dass das Infotainment seine Drehregler verloren hat. Die Lautstärke kann nur noch über zwei digitale Tasten verstellt werden. Das geht weder schnell noch treffsicher. Dafür gibt es am Volant aber eine Walze, mit der sich die Lautstärke schnell und intuitiv verstellen lässt. Gleiches gilt leider nicht für den Zoom der Navigationskarte: Möchte man sich einen Punkt genauer ansehen, muss man die bekannte Zwei-Finger-Smartphone-Geste bemühen. Während der Fahrt ist das ablenkend.
Fahreindrücke – Charkterwechsel
Manch einer wird sich an dieser Stelle vielleicht denken, dass es das schon gewesen sein wird mit den Änderungen zum Facelift. Immerhin tat sich schon viel: Das neue Äußere, das neue Infotainment – reicht doch eigentlich. Zumal der Skoda Octavia bislang nicht zu den Autos gehörte, die sich schlecht fahren ließen. Und doch: Der Fahrkomfort war bislang nicht die Stärke des gar nicht so kompakten Tschechen. Hier haben die Entwickler aber stark gefeilt und seinen Charakter nahezu umgekehrt.
Stolperte der Vorgänger zuweilen etwas ungelenk über Unebenheiten, legt das aktuelle Modell diesen Habitus vollständig ad acta. Der Testwagen, mit dem Verstellfahrwerk DCC ausgestattet, bügelte in allen Modi Nachlässigkeiten der Straßenbauer gekonnt aus. Selbst im Sport-Mode filtert die Auslegung grobe Stöße weg und macht diese Kennlinie absolut alltagstauglich. Dabei könnte gerade sie etwas mehr Pfeffer vertragen. Normal passt hingegen am besten für die tägliche Fahrt zum Kinderkarten, Einkaufen oder ins Büro. Comfort hingegen ist für meinen Geschmack schon zu gemütlich und lässt den Kombi dann und wann nachschwingen. Dennoch: Der Schritt hin zum Komfort war der richtige.
Mit dem DCC einher geht auch die Verstellung der Lenkung und der Gaspedal-Kennlinie. So erhöhen sich die Rückstellkräfte im Lenkrad mit dem Sport-Mode deutlich, während sie in Comfort kaum zu spüren sind. Wer gerne eine Mixtur aus allem haben möchte, wählt einfach den Individual-Mode und schraubt sich sein persönliches Setup zusammen. Allerdings muss es nicht zwingend das DCC-Fahrwerk sein. Die herkömmliche Feder-Dämpfer-Abstimmung dürfte gehobenen Ansprüchen ebenfalls genügen und spart ein paar Taler der empfindlichen Haushaltskasse.
Bei den Motoren stand der 2.0 TDI mit 150 PS, Allradantrieb und DSG-Getriebe bereit. Das Aggregat bringt seine 340 Nm bei 1.700 U/min an die Kurbelwelle und wirkt damit angenehm kräftig. Ob der 4×4-Antrieb hier schon wirklich nötig ist, sei dahingestellt. Darüber entscheidet aber auch eher das Nutzungsprofil des potentiellen Käufers. Zu spüren war auf den trockenen Straßen Portugals aber nicht, dass der TDI mit Traktionsproblemen zu kämpfen hätte. Eine angenehme Variante zur Sechsgang-Handschaltbox stellt darüber hinaus das Siebengang-DSG dar. Es sortiert die Gänge völlig unauffällig, neigt beim Anfahren zuweilen aber zu einem vernehmbaren Ruckeln. Ansonsten wählt es die Gänge gut aus und gibt wenig Anlass zu Kritik. Das lässt sich auch über den Verbrauch sagen. Bei gemütlicher, aber keineswegs übertrieben zurückhaltender Fahrt zeigte der Bordcomputer 5,6 Liter an. Tritt man das Gas häufiger durch, dreht sich der Wert auf 6,5 Liter im Schnitt. Zwar wird der Octavia wesentlich mehr verbrauchen, wenn man sein Potential von 210 km/h Höchstgeschwindigkeit und einer Beschleunigung von 8,4 Sekunden für den Standardsprint permanent nutzt, aber das ist ihm nicht anzukreiden.
Fazit – Optimierung mit Charakter
Man mag vom Design halten, was man will, an Charakter und Eigenständigkeit fehlt es ihm nicht, dem neuen Skoda Octavia. Aber das ist ein subjektiver Eindruck, der nichts mit den hinzugewonnenen Talenten zu tun hat. Da wären etwa der bestechend gute Federungskomfort oder das tolle Infotainment. Geblieben sind zudem das beachtliche Raumangebot und die Ausgereiftheit der Konzern-Bauteile. Nur der Preis ist nicht mehr so heiß, wie er einmal war: 32.750 Euro reißen schon ein beträchtliches Loch in die Familienkasse.
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