DS kommt in Deutschland bisher über den Status einer Nischenmarke nicht hinaus. Mit dem neuen DS 4 soll sich das ändern. Der Kompaktwagen will sich unter anderem mit extravagantem Design von seinem Segment abheben. Das allerdings hat seinen Preis.
Jedem Hersteller seine Edelmarke. Beim neuen Großkonzern Stellantis, einer Fusion der PSA-Gruppe (Peugeot, Citroen, Opel) und Fiat/Chrysler/Jeep, übernimmt DS diese Rolle und damit eine nicht eben leichte Aufgabe: Aus den vorhandenen Baukästen allein mit speziellem Design und hochwertigen Innenräumen die Käufer zu bewegen, deutlich mehr Geld in die Hand zu nehmen. Seit einigen Monaten bietet die Marke mit dem DS 4 ihre Alternative zu den Konzerngeschwistern Peugeot 308 oder dem neuen Opel Astra an.
Durchschnittlich?
Formal zählt der Crossover-Fünftürer zu den Kompaktwagen, obwohl er mit 4,40 Metern in der Länge dieses Segment schon fast verlässt, ein VW Golf etwa misst 12 Zentimeter weniger. DS nutzt diesen Vorsprung aber nicht dazu, mehr Platz auf den Rücksitzen oder mehr Kofferraum anzubieten. In beiden Fällen bietet der 4er nicht mehr als guten Durchschnitt. Die Designer setzen vielmehr vor allem auf Optik und da zeigt sich das Modell so extravagant, wie man es von einer Marke, die stets ihre enge Verbindung zur Weltmetropole Paris betont, dann auch erwarten darf.
Auffällig sind vor allem der mächtige Kühlergrill im Diamant-Design sowie die schmuckartig inszenierten Leuchteinheiten, in der von uns gefahrenen Ausstattungsversion Performance Line+ zählt das Matrix-Licht zur Serienausstattung. Das Tagfahrlicht setzt sich aus insgesamt 98 LEDs zusammen. Ein Hingucker sind auch die Türgriffe, sie fahren automatisch aus, wenn man sich dem Fahrzeug nähert und verschwinden sonst bündig in der Türe. Hinten zeigt der DS 4 ein etwas konventionelleres Gesicht, mit extrem schmal geschnittenen Leuchteinheiten. Insgesamt erreicht der Auftritt sein Ziel: Der Franzose hebt sich mit seiner Couture deutlich vom ebenfalls auffälligen Peugeot 308 und dem vor allem im Innenraum eher nüchtern-funktional gestalteten Opel Astra ab.
Doch kein Premium
Apropos Innenraum: Hier wandeln die Designer am Rande des Overkills. Ihre Vorliebe für die sich überall wiederfindende Raute macht vor nichts halt und führt dazu, dass man etwa bei den eigentlich gut platzierten Fensterheben häufig mal die falsche Taste drückt. Die feine Materialauswahl wird ebenfalls nicht überall durchgehalten, immer mal wieder trifft die tastende Hand des Fahrers auf recht billigen Kunststoff. Dafür verfügt der DS über ein großes und feines Head-up-Display sogar mit Augmented Reality, da werden zusätzliche Infos für den Fahrer eingespiegelt.
Haben andere Kompakte allerdings auch schon. Leider sind einige Funktionen nur noch über das Zentraldisplay steuer- und nicht mehr direkt anwählbar. Der Sprachassistent ist zudem, wie bei vielen Marken, alles andere als perfekt und neigt in manchen Fällen zu einer gewissen Schwerhörigkeit.
Kommen wir zum Antrieb, hier muss sich DS zwangsläufig im PSA-Baukasten bedienen. Wir fuhren den 1,6-Liter-Benziner mit 225 PS, nicht zu verwechseln mit der Plug-in-Hybrid-Version, die mit gleichem Motor genauso viel leistet, zusätzlich aber einen E-Motor und einen Akku an Bord hat. Mit dieser Version kann man – wie wir aus eigener Erfahrung wissen – rund 40 Kilometer elektrisch zurücklegen. Unser Benziner muss ohne jede elektrische Unterstützung auskommen.
Viel Leistung bei relativ kleinem Hubraum: Das führt dazu, dass unser DS 4 nach leichtfüßigem Start bei höheren Geschwindigkeiten doch zunehmend angestrengt wirkt. Und dies, obwohl die in dieser Ausstattungslinie serienmäßige Achtgang-Automatik ihren Dienst sehr aufmerksam versieht und mit dem Antrieb gut harmoniert. Beim Verbrauch schlägt dann die Realität zu: Selbst wer die Leistung wenig nutzt und zurückhaltend fährt, wird nur schwer unter 8,5 Liter kommen, bei uns waren es im Schnitt knapp über 9 Liter.
Fahrwerk passt
Während das Platzangebot hinten wie erwähnt allenfalls Durchschnitt ist, sitzt man vorne äußerst bequem. Die Sitze, in unserem Fall lederbezogenes Gestühl, sind straff vernäht und lassen erst gar keine Erinnerungen an weiche Schaumgummi-Sitze alter Franzosen aufkommen. Dazu passt das gut abgestimmte Fahrwerk. Es erinnert mehr an „deutsche“ Abstimmungen, was dem Auto nicht schadet. Keinesfalls sollte man eine sänftenartige Fortbewegung à la Citroen DS erwarten.
Lohnt sich das Geld?
In der von uns gefahrenen Variante ist vieles an Bord, was sinnvoll ist: Navigation, Head-up-Display, ein ganzes Paket von Assistenzsystemen und einiges mehr. Trotzdem lässt der Basispreis von 42.900 Euro aufhorchen. Zumal man noch einige zusätzliche Euro investieren könnte, zum Beispiel in die automatische Heckklappe (1.600 Euro), die Smartphone-Induktionslademöglichkeit (200 Euro), ein beheizbares Lenkrad (250 Euro) oder die sehr empfehlenswerte, weil zum Gesamtauftritt passende Akustikverglasung (300 Euro). Hier geriert sich DS schon ganz wie eine Premiummarke. Bei unserem Testwagen standen unter Strich mit einigen weiteren Optionen 55.100 Euro. Das sprengt die normale Kompaktklasse dann allerdings tatsächlich.
Bei so viel Geld und optischer Finesse könnte man fast vergessen, dass der DS 4 nicht etwa in Frankreich gebaut wird, sondern im ziemlich unprätentiösen Rüsselsheim, wo jetzt auch der Astra vom gleichen Band läuft. Vielleicht hilft dieses Wissen ja, den DS 4 in Deutschland populär zu machen. Insgesamt hat es die Marke hier bei uns doch noch sehr schwer: Im ersten Quartal wurden über alle Modelle hinweg gerade mal 541 Fahrzeuge abgesetzt.
Technische Daten
Fünftüriges, fünfsitziges Schrägheckmodell der Kompaktklasse; Länge: 4,40 Meter, Breite: 1,83 Meter, Höhe: 1,47 Meter, Radstand: 2,68 Meter, Kofferraumvolumen: 430 – 1.240 Liter
1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner, 165 kW/225 PS, maximales Drehmoment: 300 Nm bei 1.900 U/min, Achtgang-Automatikgetriebe, 0-100 km/h: 7,9 s, Vmax: 235 km/h, Normverbrauch: 6,6 – 6,9 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 149 – 155 g/km, Abgasnorm: Euro 6d, Effizienzklasse: A, Testverbrauch: 9,2 Liter/100 Kilometer
Preis: ab 42.900 Euro
Preis des Testwagens: 55.100 Euro
Kurzcharakteristik
Warum: Kompaktklasse mal anders, optisch außen wie innen besonders
Warum nicht: technisch nur Einheitsware, sehr teuer, Bedienung teils umständlich
Was sonst: Peugeot 308, Opel Astra, VW Golf, Ford Focus, Mercedes A-Klasse