Test: Infiniti Q50s Hybrid mit Allradantrieb

Da stellt die Tochter eines großen Automobil-Herstellers eine Limousine auf die Räder, die progressiver im Design ist als die aktuelle C-Klasse. Sich dynamischer fahren lässt als ein Dreier BMW und mehr Fortschritt durch Technik unter das Blech packt als ein Audi – und? Kaum einer kennt diese Limousine. Und beim Absatz bleiben die Zahlen hinter allen Erwartungen zurück. Warum ist das so? Am Auto liegt es nicht, oder doch?

Spart nicht am Spaß

Im Test- und Fahrbericht:

Infiniti Q50s Hybrid AWD

Leistung, Effizienz und Fahrspaß. Diese drei Stichpunkte ziehen sich durch den gesamten Testzeitraum. Bereits bei der Premiere des Q50 war ich angetan. Dass der Q50 von Anfang überzeugt hat, zeigt ein Zitat aus dem ersten Artikel:

Die Zeichen in der Klasse der Firmenwagen stehen auf Sturm, der Q50 ruft die Revolte aus! Ich bin gespannt auf seine Erfolge!

Bislang ist die „Revolte“ ausgeblieben. Und die Erfolge bleiben, so zeigen es die Absatzzahlen der Marke Infiniti,“überschaubar“. Freundlich umschrieben. Dabei liegt es nicht am Q50 an sich. Denn nach dem Q50 2.2d (Testbericht) und dem Q50 2.0t (Vorstellung) konnte nun auch der Q50 Hybrid im Test überzeugen.

Als Premium-Ableger der Renault-Nissan-Allianz ist Infiniti für den Mischkonzern aus Frankreich und Japan das, was Lexus für Toyota ist. Und auch hier ist der deutsche Premium-Limousinenkäufer bislang eher als „Feigling“ bekannt. Keine Experimente, lautet die Devise der Flottenkunden und Dienstwagenberechtigten. Völlig zu Unrecht.

test fahrbericht 56 infiniti q50s awd hybrid

So fährt sich der 364 PS starke Hybrid

Infiniti kombiniert im Q50s AWD Hybrid einen vollständig eigenen Antriebsstrang. Keine Mercedes-Schaltbox und eben auch kein Motor mit Mercedes-Genen wie in den 2.2d und 2.0t Modellen. Ein klassischer 3.5 Liter V6-Saugmotor aus dem Nissan-Konzern, ein 7-Gang Automatikgetriebe vom japanischen Getriebespezialisten JATCO und dazu gesellt sich ein 50 kW starker Elektromotor, der direkt in der „Kupplungsglocke“ untergebracht wurde. Dort, wo sich eigentlich der Wandler des Automatikgetriebes befindet. Anstelle des Wandlers besitzt der Q50 Hybrid zwei Kupplungen. Eine zwischen dem 302 PS starken Saugmotor und dem E-Motor und eine zwischen Elektromotor und Getriebebox. Der Q50 Hybrid kommt damit ohne leistungschluckenden Wandler aus. Und das spürt man.

Selten hat sparen so viel Spaß gemacht

Der Q50 Hybrid nutzt beim sanften Anfahren rein die Kraft des E-Motors. Lautlos rollt man aus der Parklücke, ohne lokale Emissionen fädelt man sich in den Verkehr ein. Wird mehr Kraft gefordert, schaltet sich der V6-Benziner ruckfrei hinzu. Benziner und Elektromotor ergänzen sich im Q50 Hybrid auf gespenstisch perfekte Art und Weise. Der Elektromotor spielt dem Benziner ein Zusatz-Drehmoment von bis 290 Nm zu, der Benziner packt Drehfreude und klassische Tugenden wie „Motorsound“ oben drauf und gemeinsam verwöhnen sie den Q50-Fahrer mit einer verführerischen Mischung aus Leistung, Kraft, Klang und Schub. Man erwischt sich des öfteren dabei, wie man mit ordentlich Drehzahl aus einer Ortschaft hinaus bläst, während man kurz zuvor noch lautlos bei Tempo 50 durch die Ortschaft gerollt ist. Am Ortsschild dann Kick-down, der V6 dreht auf, der E-Motor schüttet seine Drehmoment-Expertise über den Antriebsstrang aus und das Ergebnis beglückt das Herz und die Ohren des Fahrers.

Kein Hybrid – nochmal – kein anderer Hybrid auf dem Markt ist derart fahraktiv, derart voller Spaß, derart genial! Keiner! 

Fahrspaß braucht Leistung. Fahrspaß braucht aber auch Kontrolle. Und der Q50 ist das erste Auto auf dem Markt, bei dem die klassische Lenkstange, die Verbindung zwischen den Händen des Fahrers am Lenkrad und den Vorderrädern ausgedient hat. Das Stichwort: „Drive-by-wire“ lässt an Zukunftsmusik denken, ist im Q50 aber bereits Alltag und ab der Ausstattung Q50 Sport in Serie an Bord. DAS (Direct adaptive Steering)  nennt man das System bei Infiniti und packt es zusammen mit einer aktiven Fahrspurüberwachung in ein so genanntes „Lenkkomfort-Paket“.

Und wer sich nicht am „Fahrdynamik-Schalter“ in der Mittelkonsole vergreift oder durch das Menü des Bordcomputers switcht, der fühlt von dieser Revolution des Lenksystems vor allem eines: Nichts. Keine Spurrillen, keine Unebenheiten, kein Gepolter. Die elektrischen Steuerelemente erkennen den Unterschied zwischen „Reifen-Feedback“ bei der Kurvenfahrt und störenden Vibrationen durch Spurrillen oder Unebenheiten. Alles, was den Komfort mindern würde, wird ausgefiltert. Die Wirkung ist in der Tat gespenstisch. Man glaubt an Magie. So genial ist die Wirkung des gesamten Lenksystems.

Und man stellt sich unweigerlich die Frage: Warum hat das noch kein anderer Hersteller, darunter auch die Mitbewerber der so genannten Premium-Marken, umgesetzt?

test fahrbericht 146 infiniti q50s awd hybrid

Effizienz:

[tabgroup]
[tab title=“Alltagsfahrer“]Im Alltag sind Verbrauchswerte rund um die 7.6 Liter machbar..[/tab]
[tab title=“Öko-Experte“]Wer sich mit den 364 PS Systemleistung arrangiert und nur kleine Teile davon nutzt, der drückt den Verbrauch auf 6.4 Liter hinab.[/tab]
[tab title=“Ohne Rücksicht“]Die ganze Power nutzen? Dann sind 11.5 Liter normal. Bei über 350 PS aber ein völlig vertretbarer Wert![/tab]
[/tabgroup]

Der Alltag im Infiniti Q50s Hybrid AWD

In 5.4 Sekunden auf Tempo 100? Macht er. Aber man muss nicht. Der Alltag im Q50 Hybrid ist durch das umfangreiche Sortiment an Assistenzsystemen, das unmerkliche Zusammenspiel der beiden Motoren, den unschlagbaren Lenkkomfort und den völlig auf Premium-Niveau liegenden Fahrkomfort geprägt. Wenn man sich erst einmal mit den beiden großen Displays im Innenraum angefreundet hat, dann empfindet man auch die vornehmlich via „Touch“ ablaufende Bedienung als vorteilhaft. Infiniti hat mit der unterschiedlichen Gestaltung der beiden Monitore eine klare Trennung zwischen dem primär darstellenden Bildschirm und dem vorrangig für die Interaktion gedachten Touchscreen geschaffen. Dabei überzeugt das Multimediasystem mit augenblicklicher Reaktion.

Die Allrad-Version des Q50 Hybrid bringt zusätzliche Sicherheit und Traktion im Winter. Wobei sich die Abstimmung der unterschiedlichen Fahrprogramme in das Gefühl für die Straße deutlich einmischt. Der Sport-Modus ist für glatte Straßen zu aggressiv. Die Lenkung spürbar schwergängiger und direkter übersetzt, denn im Gegensatz zu den System der Mitbewerber lässt das „Steer-by-Wire“ System nicht nur die Adaption der Lenkkräfte zu, sondern auch das Übersetzungsverhältnis. Im „Normal-Modus“ verteilt das System Komfort-Sternchen an die Insassen und wer auf „Schnee“ umstellt, der wird von den Elektronik-Gehirnen des Q5o in Watte gepackt. Neben dem Lenkrad ist natürlich auch das Gaspedal elektronisch übersetzt. Im Q50 kann es dem Fahrer zusätzliche Fahrtipps durch einen Gegendruck vermitteln. Auf der Autobahn flott unterwegs? Der Vorausfahrende kommt schnell näher – das Gaspedal erhöht den Druck, automatisch geht man ein Stück runter und wird langsamer. Diese Wirkung ist Teil des „Safety Shields“, das auch bei deaktiviertem Tempomaten den Abstand zum Vordermann überwacht und bei Bedarf auf Gefahren hinweist und diese auch versucht abzuwenden.

Dass die Sitze des Q50 zudem zusammen mit der NASA entwickelt wurden und einen grandiosen Sitzkomfort bieten und dass man sich natürlich per BOSE-Sound auf den Tag eingrooven kann, das ist nur das Sahnehäubchen auf der Erfahrung: „Q50 Hybrid“.

test fahrbericht 94 infiniti q50s awd hybrid

Anschaffung und Wiederverkauf

Keine Experimente. Die Gründe für den mangelnden Erfolg des Q50 liegen also nicht am Fahrzeug an sich. Nicht am Technik-Paket oder der coolen Mischung aus Hybrid-Spar-und-Fahrspaß, sondern einzig und alleine an einem Grund: Keine Experimente. So denken Flotten-Kunden. Und so denken die Verantwortlichen bei der Konfiguration von Dienst- und Firmenwagen. Dabei bietet der Q50 mehr Platz als ein Dreier BMW. Länge und Radstand des Q50 liegen schon fast auf dem Niveau des Fünfers. Den Q50 gibt es mit den gleichen Motoren wie die C-Klasse, das aber deutlich günstiger. Und der Q50 bietet deutlich mehr Fortschritt durch Technik als ein Audi A4 oder A5. LED-Scheinwerfer, Kurvenlicht, NASA-Sitze und ein Riesenpaket an Sicherheits- und Komfort-Assistenten pumpen den Q50 auf Hightech-Niveau.

Und dann der Preis – ab 35.300 € für den 2.2 Diesel, 60.350 € für den gefahrenen Hybrid-Sportler mit Allradantrieb. 3 Jahre oder 100.000 Kilometer Garantie inklusive. Da wird es schon sehr schwer, einen dt. Premium-Mitbewerber zu finden. Dennoch – keine Experimente, lautet der Slogan unter den Fuhrpark-Managern und so bleibt die Revolution aus. Noch.

test fahrbericht 57 infiniti q50s awd hybrid

Fazit:

Nein. Nein. Und nochmal nein. Am Auto liegt es einfach nicht. Der Q50 wird derzeit unter Wert geschlagen. Ausstattung und Fahrkomfort sind bei den Q50-Limousinen auf dem Niveau der dt. Premium-Hersteller. Und einen lustvolleren Hybriden wird man dort in diesem Segment gar nicht erst im Programm finden.

Der Q50s Hybrid AWD kombiniert auf beeindruckende Art und Weise, wie Fahrspaß und Effizienz unter ein Blechkleid passen. Der Q50 Hybrid spart am Sprit, nicht am Fahrspaß – das ist die gute Nachricht! Die schlechte? Es gibt einfach zu wenige Händler, zu wenig Engagement im Vertrieb. Wenn sich das nicht ändert, dann wird man sich eines Tages an den Q50 erinnern als: „Der hätte es werden können, wenn … “

Hier geht es zur Infiniti-Q50 Preisliste

Weitere Link-Tipps: griin.de zum Q50 Hybrid, Hightech-Sportlimousine, autophorie.de, Edel-Attacke, autorevue.at zum 2.2 Q50

Klick: Infiniti Q50s AWD Hybrid – Testwagen-Galerie

Fotos im Artikel: Bjoern Habegger Titelbild: Bjoern Habegger

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