Test: Jaguar i-Pace – Auf leisen Pfoten
Kurz nachdem unser Testwagen wieder abgeholt worden war, krönten Fachjournalisten den i-Pace zum „Car of the Year“. Ein begehrter Titel, aber hat der Elektro-Jaguar ihn auch verdient? Ein Alltagstest.
Ehrlich gesagt scheinen wir persönlich noch nicht so richtig auf die anrollende Elektroauto-Welle vorbereitet. Denn Zuhause stecken wir das Kabel eines derartigen Testwagens mangels Wallbox oder gar Schnell-Ladesäule aus Not einfach immer noch in die Steckdose. Das ging bis vor kurzem mit den ersten Generationen eines E-Golf, Nissan Leaf oder BMW i3 noch ganz gut. Deren je nach Ausführung so zwischen 25 und 40 kWh großen Batterien reichten zwar nur für offiziell um die 200 Kilometer Reichweite, was tatsächlich meist nicht mehr als 140 realen Kilometern entsprach, dafür konnte man den Akku aber locker über Nacht an der Steckdose aufladen, wenn man ihn nicht komplett leer gefahren hatte.
Und jetzt dies: Unser Jaguar i-Pace zeigt digital einen Batteriestand von exakt 50 Prozent an. Wir aber wollen schon mal nachladen, als Fahrer eines E-Autos lernt man schließlich, jede Gelegenheit zum „Tanken“ zu nutzen. Also rein in die Steckdose und dann reiben wir uns die Augen – sage und schreibe 21 Stunden soll es dauern, bis die halbvolle Batterie voll geladen ist.
Das liegt natürlich einerseits an unserem antiquiert-simplen Vorgehen, eben jener Steckdose, und zum anderen an den Akkus der neuen E-Autos. Satte 90 kWh beträgt die Kapazität beim i-Pace. Und damit können wir auch die heute wichtigste Frage der E-Mobilität beantworten, die nach der Reichweite. 480 Kilometer verspricht Jaguar, was natürlich nur unter optimalsten Bedingungen und nahezu asketischer Fahrweise wirklich zu erreichen ist. Aber 350 oder auch mal 380 „echte“ Kilometer sind allemal möglich. Das ist doch schon mal was, viel größer war die Reichweite des ersten eigenen Pkw dieses Autors auch nicht, was allerdings weniger der Tankgröße als dem horrenden Praxisverbrauch des aus heutiger Sicht Youngtimers geschuldet war.
Zurück zum i-Pace, der seit Sommer letzten Jahres auf dem Markt ist und von Jaguar mit einem Grundpreis von 78.850 Euro eingestellt ist. Unnötig zu erwähnen, dass sich der Endpreis mit vielerlei netten zusätzlichen Ausstattungen, wie etwa einer Luftfederung, locker um fünfstellige Beträge nach oben schrauben lässt. Teuer ist er also, der Brite.
Und wie fährt sich der optisch stark an den etwas längeren SUV-Normalo F-Pace erinnernde i-Pace? Klare Antwort: echt toll! Und das heißt nicht nur leise und antrittsstark, wie es für ein E-Auto ja dank der Naturgesetze obligatorisch ist, sondern auch sehr komfortabel. Die Jaguar-Ingenieure haben das 4,68 Meter lange Fahrzeug auf eine Bodengruppe mit drei Metern Radstand gestellt, was fast den Maßen einer Mercedes S-Klasse entspricht. Entsprechend entspannt fährt es sich im i-Pace, der von zwei unabhängig arbeitenden Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse angetrieben wird, womit praktischerweise gleich ein Allradantrieb zustande kommt.
Vor allem aber kommt auch der Fahrspaß nicht zu kurz. Auch dank der Motorenverteilung liegt die Gewichtsverteilung auf den Achsen bei idealen 50:50. Die steife Alu-Karosserie tut ihr übriges, um das Auto beherrschbar und präzise lenkbar zu machen. Das überrascht, wiegt doch so ein Elektroauto vor allem wegen der immerhin hier über 600 Kilogramm schweren Batterie im Fahrzeugboden rund 2,2 Tonnen. Wobei das Gewicht der Akkus den Fahrzeugschwerpunkt weit nach unten bringt, was den Fahrspaß weiter steigert. Es stört auch nicht, dass man trotz 400 PS und fast 700 Newtonmetern Drehmoment zwar in unter fünf Sekunden Tempo 100 erreicht, aber schon bei 200 km/h eingebremst wird. Der Spaß mit dem i-Pace liegt in seinem Antritt, seiner Leichtfüßigkeit und dem tollen Handling, das sogar einen Alpenpass zum Vergnügen macht. So darf sich E-Auto fahren gerne anfühlen.
Auch das Cockpit überzeugt durch saubere Verarbeitung und angemessene Digitalität, was etwa durch die Instrumente oder das große Touchscreen in der Armaturenmitte unterstrichen wird. Hauptkritikpunkt ist und bleibt die wie bei vielen Modellen der Jaguar/Land-Rover-Familie eine gewisse Eigenheit in Sachen Bedienung, die war als nicht gerade intuitiv und auch nicht gerade als reaktionsschnell empfinden.
Aber es spricht nicht wirklich viel gegen diesen Jaguar, zumal er auch einen großen, erweiterbaren Kofferraum und genügend Platz vorne wie hinten bietet. Er kostet halt eine Menge Geld, mit der notwendigsten Zusatzausstattung an Bord werden es wohl kaum unter 85.000 Euro werden und wer nicht aufpasst hat auch schnell über 90.000 Euro ausgegeben. Aber günstiger wird es bei Mercedes (EQC) oder Audi (e-tron) aber letztlich auch kaum werden.
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