Test: VW Sharan

Flügeltüren, Scherentüren, Selbstmordtüren – alles Käse. Die Schiebetür ist das ultimative Pkw-Portal. Zumindest bei einem Familienauto.

Eigentlich reicht ein Wort, um den VW Sharan Eltern schmackhaft zu machen: Schiebetüren. Nach zwei Wochen mit dem Mittelklasse-Van aus Norddeutschland fragt man sich dann auch unweigerlich, warum nicht alle Autos mit den sanft zur Seite gleitenden Portalen zu haben sind. Oder zumindest alle Vans. Doch der Sharan ist nahezu allein auf weiter Flur.

Natürlich gibt es Autos mit Schiebetüren: den VW Bulli zum Beispiel oder die Mercedes V-Klasse – beide für die vierköpfige Normfamilie aber vielleicht doch etwas zu groß und vor allem zu teuer. Oder – am anderen Ende der Preisskale – die zahlreichen Hochdachkombis im Stil von Renault Kangoo oder VW Caddy. Doch das sind aufgemöbelte Nutzfahrzeuge – und die Schiebetüren Überbleibsel vom Einwegpaletten-Verladen und Sortimo-Boxen-Sortieren.

Die Rückbank lässt sich nicht ganz flach umlegen
Die Rückbank lässt sich nicht ganz flach umlegen (3 Einzelsitze in Reihe zwei)

Der Sharan hingegen ist Pkw durch und durch. In der weichen Kunststoffwelt des Cockpits fühlt man sich nicht wie am Arbeitsplatz, sondern wie im heimischen Wohnzimmer. Oder besser: Hotelzimmer, denn der akkurate und nüchterne Stil der sorgsam gefügten VW-Interieurs hat immer auch etwas leicht Unpersönliches. Für Leben, für Ecken und Kanten sorgen im Falle eines Familien-Vans dann im Zweifel eh die Insassen auf den hinteren Plätzen. Der „Ich auch“-Effekt der elektrischen Türbetätigung per Knöpfchen und Fernbedienung (780 Euro) mag nach einigen Wochen zwar abflachen, das Einsteigen in den Innenraum wird aber auch dann der Bedeutung des sprichwörtlichen „Enterns“ nahe bleiben. Die Öffnung in der Flanke ist so riesig wie der Fußraum vor der verschiebbaren Fondbank, der dadurch direkt als Kurzzeit-Spielzimmer vereinnahmt wird. Der Erziehungsberechtigte kann dabei entspannt zusehen, entfällt doch die sonst übliche Türsicherungspflicht. Keine Hand muss die Blechkante gegen Kontakt mit Hauswand oder Nachbarsauto abschirmen, keine kleinen Kinderfinger drohen zwischen Blatt und Rahmen gequetscht zu werden.

Die Bedienung wirft keine Fragen auf
Die Bedienung wirft keine Fragen auf

Im Cockpit gibt es keinen Grund, von der entspannten Geisteshaltung zu lassen. Das Ambiente schafft Vertrauen – die Bedienung erschließt sich jedem, der einmal in einem VW gesessen hat, die Verarbeitung wirkt so solide, als plane der Sharan, noch die Urenkel-Generation zu erfreuen. Nach Motorstart und dem Lösen der Bremse fühlt man sich eher in einer geräumigen Limousine als in einer Familienkutsche – allerdings sitzt man höher und sieht besser. Der Van auf (alter) Passat-Plattform lässt sich von schlechten Straßen nicht irritieren, was gemeinsam mit der leichtgängigen Lenkung, dem flotten Doppelkupplungsgetriebe und dem komfortablen Fahrwerk für ein ausgesprochen souveränes Fahrgefühl sorgt. Für seine Größe ist der VW durchaus wendig, auch dank der großen Fensterflächen fällt das Rangieren vergleichsweise leicht.

Wer sportliche Ambitionen hat, ist bei einem Familien-Van falsch und beim Sharan schon gar nicht richtig. Ford S-Max und BMW 2er Gran Tourer hätten hier mehr zu bieten. Auch der große Dieselmotor macht den Wolfsburger nicht unbedingt zum Kraftpaket, treffen die 135 kW/184 PS doch immerhin auf knapp 1.900 Kilogramm Gewicht und den Windwiderstand eine kleineren Schrankwand. Trotzdem reichen 215 km/h Höchstgeschwindigkeit und eine Spurtzeit von 8,9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 für ein Fahrzeug dieser Klasse mehr als aus. Vor allem, wenn man auf das Preisschild schaut. Der stärkste der 2,0 Liter großen Vierzylinderdiesel schlägt mit mindestens 39.250 Euro zu Buche, mit Automatik sind es 41.475 Euro.

Weniger Leistung kostet auch weniger. Den Einstieg in die Baureihe markiert ein 1,4-Liter-Turbobenziner mit 110 kW/150 PS, der für 32.000 Euro zu haben ist. An Bord der „Trendline“-Version sind dann unter anderem die beiden Schiebetüren, Klimaanlage, CD-Radio und 16-Zoll-Leichtmetallräder. Die meisten modernen Fahrerassistenzsysteme, für den Familieneinsatz nicht ganz uninteressant, gibt es aber als Option überhaupt erst ab der Stufe „Comfortline“ (ab 34.225 Euro) – und dann für recht saftige Preise. Auch andere interessante Familienextras wie eine dritte Sitzreihe (1.660 Euro) oder ein Klimaanlagen-Bedienteil für Reihe zwei (785 Euro für die Dreizonen-Klimaautomatik plus 920 Euro) gibt es nicht zum Nulltarif. Wer die Vorzüge des limousinenhaften Vans voll auskosten will, ist somit schnell 40.000 Euro und mehr los.

Was den Sharan am Ende aber neben ein paar tausend Euro von Modellen wie Ford S-Max/Galaxy, Renault Espace oder Fiat Freemont vor allem trennt, sind die Schiebetüren. Wer auf die nicht verzichten will, kommt an dem großen VW kaum vorbei. Einzige wirkliche Alternative: der baugleiche Seat Alhambra. Viel billiger ist der aber auch nicht. Dafür lassen sich beide nach ein paar Jahren problemlos verkaufen. Als Gebrauchtwagen werden einem große Vans aktuell fast aus den Händen gerissen. Vor allem die mit Schiebetüren.

[=” ” ]Tl:Dr? – > Kurzcharakteristik – VW Sharan:
Warum: weil Schiebetüren im Alltag mit kleinen Kindern eine echte Erleichterung sind
Warum nicht: weil Schiebetüren ohne kleine Kinder ihre Vorteile verlieren
Was sonst: Seat Alhambra, Ford S-Max/Galaxy, Fiat Freemont, Renault Espace

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