Test: Toyota Auris 2.0 D-4D

Der Toyota Auris ist beileibe kein schlechtes Auto. Er ist solide verarbeitet, fährt anständig und ist mittlerweile auch optisch durchaus ansehnlich. Sein Problem: Die Konkurrenz kann all das mindestens genauso gut. Doch gerade der Mangel an herausstechenden Eigenschaften könnte ein Kaufgrund sein.

Schon der ideelle Vorgänger des Auris, der für seine Zuverlässigkeit legendäre Corolla, war alles andere als ein Auto, das Emotionen weckte. Zumindest das biedere Design haben die Japaner mit der zweiten Generation des Nachfolgemodells aber begraben: Der Fünftürer wirkt mit seiner ausgeprägten Keilform, dem pfeilförmigen Kühlergrill-Leuchten-Band und der schmalen Heckscheibe durchaus gefällig. Selbst die Innenraum-Gestaltung, eine traditionelle Schwäche der Japaner, geht in Ordnung – mit leichten Punktabzügen für die altmodischen LCD-Displays in Zentralinstrument und Mittelkonsole.

Dem typischen Toyota-Kunden geht es aber wohl eher um Nutz- als um Schauwert. Und beim Auris passt das Paket. Vorne wie hinten hat der Mensch ausreichend Platz, der Gepäckraum ist mit 360 Litern sogar leicht überdurchschnittlich groß. Allerdings nur, wenn man den doppelten Ladeboden herausnimmt und das Ladegut über die so entstehende Kante wuchtet. Mit 4,28 Metern bleibt der Auris trotzdem noch kurz genug, um in der Stadt einigermaßen zuverlässig einen Parkplatz zu finden. Beim Hineinrangieren sollte man sich aber von den Parkpiepsern oder der Rückfahrkamera helfen lassen (beides optional), denn die Heckscheibe hat lediglich Schießschartenformat.

In der Regel fährt man aber wohl in Vorwärtsrichtung. Und dabei kann der Toyota durchaus überzeugen. Denn das Fahrwerk ist zwar ausgewogen abgestimmt, zeigt aber einen deutlichen Einschlag Richtung Komfort. In schnell gefahrenen Kurven neigt sich die Karosserie dadurch natürlich etwas stärker, die verbindlich abgestimmte Lenkung verhindert aber einen schwammigen Gesamteindruck. Insgesamt also ein gangbarer Kompromiss, mit dem nur ausgesprochene Sport-Fahrer nicht glücklich werden.

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Ähnlich unspektakulär wie das Fahrverhalten gibt sich auch der Motor. Im Testwagen ist der Top-Diesel mit 91 kW/124 PS verbaut, der vor allem durch seinen kultivierten Lauf auffällt. Dazu kommt eine füllige Durchzugskraft (310 Nm), die den Wagen ohne Hektik, aber auch ohne Nachzulassen nach vorne zieht. Im Zusammenspiel mit dem passend abgestimmten Sechsganggetriebe steht so in jeder Verkehrssituation ausreichend Kraft zur Verfügung. Das schafft ein souverän-entspanntes Fahrgefühl. Wermutstropfen ist die nur mäßige Sparsamkeit; im Schnitt lag der Verbrauch bei 6,5 Litern. In den nächsten Monaten wird das Triebwerk allerdings ausgemustert und durch einen kleineren, wahrscheinlich nicht nur auf dem Papier sparsameren Vierzylinder aus BMW-Produktion ersetzt.

So wie in seinen übrigen Eigenschaften bietet der Auris auch bei der Preisgestaltung solides Mittelmaß. Mit 23.890 Euro ist der Top-Diesel in der niedrigsten verfügbaren Ausstattungslinie „Comfort“ kein Schnäppchen, dafür gibt es aber immerhin schon eine umfangreiche Ausstattung mit Leichtmetallfelgen, Klimaanlage und CD-Radio. Fensterheber für den Fond gibt es verblüffenderweise aber erst eine Ausstattungs-Stufe höher („Edition“, plus 3.000 Euro). Allerdings sitzt der Kunde bei der Preisverhandlung mit dem Händler aktuell an einem langen Hebel: Zum einen lief das Modell zuletzt nicht besonders gut (knapp 17.000 Neuzulassungen in den ersten elf Monaten 2014), zum anderen steht im Frühjahr/Sommer ein sehr umfassendes Facelift an, so dass die alten Modelle vom Hof müssen.

„Entspannt“, „unspektakulär“, „ausgewogen“ – wer in diesem Text auf Adjektiv-Suche geht, ist schon auf der richtigen Spur. Kaum ein Testwagen sorgte in den vergangenen Monaten für so wenig Aufregung wie der Auris – im positiven wie im negativen Sinn. Allerdings: Auch das ist eine Qualität. Und zwar eine, die ganz gut in die traditionell eher konservative deutsche Kompaktklasse passt. Anstatt wie einige Konkurrenten krampfhaft auf Dynamik, Premium-Ambiente oder Technik-Firlefanz zu setzen, ist der Auris, was er ist: zu Metall geronnener Mainstream (mit Ausnahme der Hybrid-Version, um die es hier aber nicht gehen soll). Ein Auto, das seine Insassen ohne großes Aufhebens sowohl zum Brötchenholen als auch in den Jahresurlaub fährt. In Zeiten automobilen Individualisierungswahns und umfassender Selbstvermarktung über die jeweils konsumierten Produkte ist das fast schon ein Art Statement.

Autor: Holger Holzer/SP-X

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