Volkswagen auf der CES 2016

Zum Auftakt der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas hat Volkswagen vorgeführt, wie der Konzern den Dieselskandal schnell hinter sich lassen und in die Zukunft starten will. Die ist für „the new Volkswagen“ vor allem eins: vollständig vernetzt.

Der Zeitpunkt hätte nicht unglücklicher sein können: VW hatte sich – für viel Geld – die Eröffnungs-Keynote der diesjährigen Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas gesichert, und ausgerechnet am Tag vor der großen Rede lief die Meldung über die Ticker, dass die US-Regierung den Konzern wegen der Diesel-Thematik verklagt hat. Bevor VW-Markenvorstand Herbert Diess also in die Zukunft blicken konnte, wurde die Abgasthematik wieder einmal in den Mittelpunkt gerückt, inklusive einer erneuten Entschuldigung bei den US-Kunden und dem zeitlich etwas vagen Ausblick, dass man das Problem „im Jahr 2016“ lösen werde.

Bei einem Skandal dieses Ausmaßes von einer guten Seite zu sprechen, mag euphemistisch wirken, doch: Die Diesel-Gate-Affäre hat auch zu einem der größten Erneuerungsprozesse geführt, den die Autobranche je gesehen hat. Nach zehn Minuten sachlicher Abhandlung des Geschehenen richtet Diess den Blick nach vorne und spricht von nicht weniger als „the new Volkswagen“. Eine Rundumerneuerung hat sich der Konzern und seinen Marken verordnet, bei der kein Stein auf dem anderen bleiben soll und die sich natürlich auch in den zukünftigen Produkten der Marke widerspiegeln wird.

Die Strategie, die nach der Neuerfindung des Automobils klingt, ist bei genauer Betrachtung freilich nicht viel anderes, als bei den Mitbewerbern und lässt sich auf vier Stichpunkte reduzieren: Elektro-Antrieb, maximale Sicherheit, autonomes Fahren und volle Vernetzung. An diesen Faktoren werden sich zukünftige Automodelle messen lassen müssen, wobei auf der größten Multimedia-Messe der Welt die Connectivity im Vordergrund steht. Viele Smartphone-Funktionen, die wir täglich nutzen, kommen an Bord und das Auto, so Diess, soll zum „wichtigsten Teil im Internet“ werden; sowohl mit seinen Insassen, anderen Verkehrsteilnehmern aber auch der eigenen Wohnung oder dem Büro wird es zukünftig in ständiger Verbindung stehen.

Wie die Zukunft konkret aussehen soll, demonstriert VW auf der CES mit zwei Studien. Fast schon serienreif ist der e-Golf Touch, ein Weiterentwicklung des Vorjahres-Showcars Golf R Touch, in dem die Marke erstmals ein Infotainmentsystem mit Gestensteuerung präsentierte. Das 9,2 Zoll große Display aus dem rein elektrisch betriebenen Golf wird bis auf wenige Details noch in diesem Jahr als Top-Modell in Serie gehen – und auf herkömmliche Tasten gänzlich verzichten, nur ein Dreh-Drück-Schalter ist geblieben. Alles,  was nicht per Sprache – ähnlich Apples Siri reagiert der VW zukünftig auf den Befehl „Hallo Volkswagen“ – oder Handbewegung bedient werden kann, erreicht man über Sensorfelder. Außerdem bietet das neue System zwei Funktionskacheln auf dem hochauflösenden Bildschirm, die sich mit individuellen Inhalten belegen lassen, zum Beispiel der Radiobedienung oder der Telefonfunktion.

Dass sich allerlei Mobiltelefone über Apple CarPlay, Android Auto oder MirrorLink anbinden lassen, ist fast schon Standard. Im e-Golf Touch können sie allerdings auch vorne wie hinten kabellos per Induktion geladen werden. Das Showcar ist außerdem schon mit einem neuen USB-Anschluss des Typ C ausgestattet, der zukünftig zum  branchenweiten Standard werden soll und sowohl Daten deutlich schneller übertragen kann, als auch spürbar kürzere Ladezeiten erlaubt. Eine andere Form von Vernetzung ist die elektronische Sprachverstärkung, über die mittels Freisprechmikrofon vorne und Lautsprecher im Fond die Kommunikation zwischen der ersten und zweiten Reihe im e-Golf Touch verbessert werden soll.

Letzteres ist in der zweiten CES-Studie wohl kaum nötig, denn die Fondgäste im 4,60 Meter langen Elektrobus Budd-e (sprich: Buddy) werden sich vor allem mit dem Infotainmentsystem beschäftigen. Jeder Fahrgast kann zu Hause in einer App zum Beispiel seine Lieblingsmusik auswählen, im Auto werden diese Playlisten dann zusammengeführt und über einen 34 Zoll großen Bildschirm im loungeartigen Fond angesteuert. Der Fahrer dagegen sitzt in einem futuristischen Cockpit mit überdimensionalen Displays, die er noch deutlich freier gestalten kann, als mit dem System aus dem e-Golf Touch möglich ist. Auch alles, was hinter dem Fahrer passiert, erscheint auf einem Display, klassische Außenspiegel hat der VW-Bus nicht mehr.

Die antiquierten Lenkstockhebel für Blinker und Scheibenwischer wirken da schon fast deplatziert, doch vielleicht lässt sich das auch bald per Sprache steuern: Die Türen gehen in der Studie jedenfalls schon per mündlichem Befehl auf. Mit Blick auf die zukünftige Rund-um-Vernetzung lässt sich der Budd-e unter anderem mit dem heimischen Kühlschrank oder der Türklingel koppeln. So kann man während der Fahrt kontrollieren, ob noch etwas zum Essen im Haus ist oder im Falle einer Verspätung dem wartenden Besuch schon mal die Tür öffnen. Außerdem vernetzt sich der Budd-e mit der Post: Parkt er auf offener Straße, können Ihn Paketdienste als Briefkasten nutzen und mit einem speziellen Zugangscode eine große Schublade in der Heckschürze öffnen, in der die Bestellung abgelegt werden kann.

Und ja, fahren kann der Budd-e auch: Damit er vom Fleck kommt, sorgen zwei E-Motoren (100 kW/136 PS vorne, 125 kW/170 PS hinten) für Vortrieb, ein 92,4-Kilowattstunden-Akku stellt den Strom bereit. Das soll für 533 Kilometer Reichweite genügen und nach VW-Vorstellung lässt sich der Energiespeicher in nur 15 Minuten zu 80 Prozent wieder aufladen. Die technische Grundlage für den Budd-e ist der neue modulare Elektrifizierungsbaukasten (MEB) der zukünftig Karosserie- und Interieurdesign, Package und Antriebscharakteristik der E-Autos von VW bestimmt. Bis ein Fahrzeug à la Budd-e auf den Markt kommen wird, dauert es noch ein wenig, doch spätestens Ende des Jahrzehnts will Volkswagen die Vision Realität werden lassen. Sollte das Projekt „New Volkswagen“ tatsächlich so zügig und reibungslos umgesetzt werden, hätte der Diesel-Skandal tatsächlich eine gute Seite gehabt.

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