Yoidesu! Erste Fahrt im neuen Infiniti Q30

Stellen sie sich vor, sie wären Automobilhersteller. Erweitern sie diese Vorstellung um die Tatsache, dass sie ein relativ junges Unternehmen sind, erst 1989 gegründet und dass sie 2015 immerhin etwas mehr als 200.000 Einheiten weltweit verkaufen werden. Seit Anbeginn ist Nordamerika ihr wichtigster Markt und seit ein paar Jahren klappt auch der Verkauf in China immer besser. Kein Wunder, schließlich setzen sie voll und ganz auf Premium. Nur in Europa, da kennt man sie eigentlich gar nicht. Schade, wenn man bedenkt, dass gerade dort der Absatz von Premium Produkten speziell im C-Segment über die nächsten Jahre deutlich wachsen soll. Noch viel ärgerlicher: Sie haben nicht einmal eine Plattform, auf der sie ein solches Fahrzeug entwickeln könnten. Da hilft es ihnen als Luxus-Ableger einer großen japanischen Marke nicht einmal, dass sich ihre Konzernmutter um die Jahrtausendwende mit einem ebenfalls großen französischen Hersteller zu einem richtig großen Konzern verbandelte. Es fehlt einfach eine vernünftige Premium-Plattform. „Ja, aber“ fällt ihnen da ein „da war doch was“. Richtig, die Allianz mit dem Premium-Hersteller Mercedes-Benz. Denn sie heißen Infiniti, sind Tochter von RenaultNissan und wollen mit ihrem neuen Fahrzeug auf der modularen Frontantriebsarchitektur (MFA) von Mercedes endlich auch in Europa durchstarten. Und autohub.de sagt ihnen, ob das mit dem Q30 genannten Kompaktfahrzeug klappen könnte.

Der Japaner mit dem schwäbischen Dialekt – Ein ganz neuer Stil in der Premium-Golfklasse?

Der neue Infiniti Q30 im ersten Fahrbericht

Zugegeben, wir wissen, unsere Herleitung zur Marke Infiniti war nicht einfach, doch sie ist wichtig, um zu verstehen, wo die japanische Edelmarke heute steht und wohin sie möchte. Klar, wie jeder Hersteller will auch Infiniti mit dem Verkauf von Autos Geld verdienen. In Deutschland gelingt das Infiniti mit derzeit rund 1.000 veräußerten Einheiten pro Jahr definitiv nicht. Mit dem ab Januar 2016 erhältlichen Q30 könnte sich das jedoch schlagartig ändern. „Schuld“ daran ist vor allen Dingen ein Gen-Pool aus dem Schwabenland. Infiniti macht keinen Hehl daraus, dass der Q30 auf der Mercedes-Benz Frontantriebsplattform basiert, auf der auch A-Klasse und GLA erfolgreich im Segment der unteren Mittelklasse am Start sind. Und genau zwischen A und GLA positionieren die Japaner ihr jüngstes Produkt auch, wobei Bodenfreiheit, Sitzhöhe und Bauhöhe sich mehr am Daimler Crossover orientieren. Dies verdient durchaus eine Erwähnung, denn 2016 wird auch noch ein QX30 nachgeschoben, der sich dann als echtes SUV mit robusterem Erscheinungsbild oberhalb des GLAs positionieren will.

Test Fahrbericht047 Infiniti Q30s Fotos Axel Griesinger
Links: Das “Kompakt-SUV” GLA von Mercedes-Benz. Rechts der neue Infiniti Q30. Beide teilen sich viele Komponenten der Plattform.

Respekt und Attacke in der Golfklasse
Diese leichte Positionierungsschwäche deutet vielleicht auf den Respekt hin, den die Japaner vor dem europäischen Kompaktmarkt haben, darum auch keinen Frontalangriff auf Golf & Co. wagen wollen und sich lieber noch ein wenig in der Crossover Ecke ducken. Nur zu gut erinnert sich Mutter Nissan bestimmt noch an das Debakel in Europa mit dem Tiida, von dem man sich mit dem Nachfolger Pulsar nur langsam erholt. Wahrscheinlich waren diese Erfahrungen auch ausschlaggebend, warum man den Q30 nicht einfach auf die äußerst erfolgreiche Plattform von Qashqai und X-Trail für den Angriff ins Premium Segment setzte. Ein Premium Schuss in dieser Klasse muss beim ersten Anlauf sitzen und dafür bieten die Schwaben in ihrem Bauchladen schon eine vorzügliche Auswahl von Motoren und Getrieben, die den Q30 vor allen Dingen eins machen: souverän.

Test Fahrbericht034 Infiniti Q30s Fotos Axel Griesinger
Ein wertiges Cockpit. Der Premium-Anspruch des Q30 wird ganz deutlich!

Getriebe mit Gefühl
Doch der Q30 ist mehr als nur ein umgestalteter GLA. Da man schon früh in die Entwicklung der Plattform mit eingebunden war, konnten auch eigene Wünsche eingebracht werden, die durchaus spür- und fühlbar sind. Beispiel gefällig? Das Doppelkupplungsgetriebe, das mit nahezu allen angebotenen Motorisierungen kombinierbar ist, schaltet spürbar sanfter. Wo speziell die A-Klasse manchmal etwas ruppig eine der sieben Fahrstufen durch die Getriebeglocke rammt, fühlt sich das gleiche Bauteil im Q30 fast so verschliffen an, wie bei einem Wandlergetriebe, was durch eine Drehzahlanhebung beim Gangwechsel auch akustisch untermalt wird.

Test Fahrbericht041 Infiniti Q30s Fotos Axel Griesinger
Prägnante Tagfahrlicht-Signatur am Q30.

Premium Sound
Die Verwandtschaft setzt sich jedoch auch im Innenraum fort. Wer jemals in den letzten drei Jahren in einer A-, B-, CLA- oder GLA-Klasse unterwegs war, wird nun im Q30 viele Bauteile wiedererkennen: Fensterheber, Spiegelverstellung, Lenkrad Multifunktionstasten, elektrische Sitzverstellung, Lenkstockhebel, Bedienleiste in der Mittelkonsole oder Infodisplay im Cockpit sind nahezu 1:1 aus dem Mercedes Teilelager in den Q30 gewandert. Nur der Griff zum Getriebewählhebel geht für die Daimler Fahrer/innen ins Leere, denn die Gangwahl findet im Infiniti auch bei den Automatikvarianten klassisch in der Mittelkonsole statt und nicht rechts hinterm Lenkrad. Jedoch ist auch hier ein überraschender Unterschied fühlbar: die Materialanmutung wirkt stellenweiser hochwertiger als bei den „das Beste oder Nichts“ Vertretern. Dazu zählen vor allen Dingen in den aufpreispflichtigen „Premium“ oder „Sport“ Varianten der Alcantara-Dachhimmel sowie viel feines Leder auf Armaturenbrett und Türverkleidungen. Dadurch wird der Innenraum fast zur Wohlfühloase verwandelt, was zusätzlich noch durch einen auffallend geringen Geräuschpegel im Innenraum unterstrichen wird. Dies haben die Infiniti Entwickler durch den intensiven Einsatz von geräuschabsorbierenden Materialien und einem Active Noise Cancellation System (ausschließlich im 2,2l Diesel Serie) erreicht, das über vier Türlautsprecher aktiv Schallwellen emittiert, um dem Verbrennungsgeräusch des Selbstzünders entgegenzuwirken. Nur das verbaute Gestühl trübt an dieser Stelle das Gesamtbild. Ihm fehlt es an Länge in der Oberschenkelauflage und an Tiefe in der Sitzposition für das völlig relaxte Cruisen. Keinen Abbruch tut die Sitzposition jedoch bei der Bedienung des Infotainment Systems, bei dem die Japaner auf ihre eigene Entwicklung vertrauen. Dies bringt im Vergleich zum Daimler Bedienkonzept Vor- und Nachteile mit sich. Zum einen kann das (heutzutage fast schon klein wirkende) sieben Zoll Display per Sprache, Drehrad und Touchscreen in der Mittelkonsole bedient werden, jedoch wirkt das Navigationssystem etwas träge bei den Routenhinweisen und den Graphikwechseln bei den Detailansichten.

Test Fahrbericht012 Infiniti Q30s Fotos Axel Griesinger
Modernes Design. Mutiges Design.

Dämpft sich gut!
Sehr angenehm fällt hingegen das Fahrwerks Setup auf. Selbst in der 20 mm tiefer gelegten Sport-Variante will der Q30 kein Dynamiker sein und seine Insassen mit grober Härte bestrafen. Trotzdem ist der kompakte Infiniti kein Kurvenverweigerer und zieht speziell als Allradvariante stoisch durch jeden Kurvenradius, so dass einem sogar das eine oder andere Mal ein fahrspassiges Schmunzeln über das Gesicht huscht. In Summe ist der Q30 also ein sehr ausgewogenes Auto, das mit seinem extrovertiertem Design auffallen und mit einer großen Anzahl von Motorisierungsmöglichkeiten glänzen möchte. Los geht es mit einem 1,5l Diesel mit 109 PS. Topmotorisierung ist ein 211 PS starker Turbo-Benziner, der ausschließlich mit Automatik und Allrad angeboten wird. Optional ist der Vierradantrieb ansonsten nur noch für den 2,2l Selbstzünder mit 170 Pferdestärken erhältlich. Dazwischen liegen noch zwei 1,6l Benziner mit 122 bzw. 156 PS. Wer sich bei den kleineren Mercedes-Benz Antrieben auskennt, dem werden all diese Vierzylinder-Aggregate bekannt vorkommen, denn vom Stern oder vom Renault Rombus werden sie beigesteuert.

Premium im Preis
Durchaus selbstbewußt sind dabei die Preise der Japaner. Bei 24.200 Euro geht es mit der Basis beim Q30 los, ausgestattet mit dem kleinsten Benziner. Die Spitze der Fahnenstange ist danach erst bei 43.720 Euro erreicht für den Q30 Sport mit der City Black Edition und dem stärksten Benziner. Infiniti macht sich somit preislich genau zwischen der technischen Verwandtschaft von A- und GLA-Klasse breit. Doch man muss die Preisfindung der Japaner relativieren, denn speziell mit der opulenten City Black Edition erhält der Kunde quasi eine Vollausstattung, die nicht nur auf Luxus setzt, sondern auch auf Sicherheit. Dazu gehören Totwinkel-Warner, Spurhalteassistent, Auffahrwarnsystem mit Notbrems-Assistent, adaptiver Tempomat mit automatischer Einhaltung des gewählten Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug, Verkehrszeichenerkennung, LED Scheinwerfer und ein automatischer Parkassistent samt Rundumsicht-Monitor, um nur ein paar Highlights zu nennen.

Test Fahrbericht023 Infiniti Q30s Fotos Axel Griesinger

Fazit: Yoidesu!

Der Infiniti Q30 bietet eine polarisierende Abwechslung im C-Segment!
Yoidesu! Das ist japanisch und bedeutet: Gut! Und das ist ganz klar der erste Eindruck. Mindestens!

Eine leicht erhöhten Sitzposition in Verbindung mit einem coupéartigen Erscheinungsbild ist derzeit schwer nachgefragt und weil der Q30 nicht nur diesen Wunsch erfüllt, kann autohub.de dem neuen Infiniti Q30 mit seinem Claim „Active Compact“ durchaus gute Marktchancen attestieren.

Wäre da nicht ein “klitzekleines” Problem: in Deutschland gibt es aktuell nur sechs(!) Infinti Händler (Bremen, Hamburg, Berlin, Frankfurt, Dresden, Düsseldorf). Dieser Umstand bremst den Erfolg des durchaus gelungenen Q30 vom Start weg. Das weiß man auch in der Firmenzentrale in Hongkong und arbeitet derzeit fieberhaft an der Erweiterung des Händlernetzes. Hoffentlich mit schnellem Erfolg.

 

 

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