Chinesische Autobauer bleiben

Chinesische Autobauer haben sich schon einmal auf dem deutschen Automarkt die Finger verbrannt. Jetzt sind sie zurück und haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.

Verführerisch günstige Autos mit Extras garniert – so haben es in den 70er-Jahren die Japaner und in den 90er-Jahren die Koreaner geschafft, sich als feste Größen auf dem deutschen Automarkt zu etablieren. Ein erster Anlauf chinesischer Autohersteller in den Nullerjahren nach ähnlichem Rezept scheiterte hingegen kläglich. Dennoch wächst seit einigen Jahren die Zahl chinesischer Autohersteller, die ihre Modelle in Europa und Deutschland verkaufen. Für 2022 haben sich sogar mehrere Automarken aus dem Reich der Mitte ankündigt.

Das neue Engagement folgt nach Einschätzung von Experten allerdings einer Strategie der langsamen Schritte mit jedoch langfristigen Zielen. „Natürlich wachsen die Bäume auch 2022 für die Chinesen in Deutschland nicht in den Himmel, aber es wird ein wichtiges Jahr, um sich strategisch und in der Bekanntheit breit zu machen“, schätzt Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer die mittelfristigen Chancen chinesischer Autobauer ein. Mit wesentlich attraktiveren, elektrisch angetriebenen Autos und smarten Vertriebsmodellen dürfte es ihnen dieses Mal gelingen, sich auf dem deutschen Markt zu etablieren.

Spaltmaße sollten passen

Rückblickend wirkt der erste Anlauf in den Nullerjahren erschreckend plump. Der längst wieder verschwundene Hersteller Shuanghuan brachte etwa über den windigen Importeur China Automobile einen X5-Klon mit dem unangenehm prahlerischen Namen CEO nach Deutschland, um dort nach bereits kurzer Zeit unfassbare Schwächen zu offenbaren. Wenige 10.000 Kilometer Fahrleistung reichten, bis sich in der Blechhaut der wenigen verkauften Exemplare Spaltmaße zeigten, in denen ganze Mao-Bibeln verschwinden konnten. Im Wortsinn krachend gescheitert sind auch Landwind und Brilliance, deren Autos der ADAC mit jeweils niederschmetterten Ergebnissen gegen die Wand hat fahren lassen. 

Seither hat sich produktseitig jedoch vieles verändert. Hersteller in China haben auch dank der Knowhow-Transfers durch viele Joint-Venture mächtig dazugelernt. Mittlerweile werden in China zudem in vielen Fällen für den Weltmarkt vorgesehene Modelle auch global entwickelt. Mehrere Hersteller aus China haben in den vergangenen Jahren Entwicklungs- und Designzentren unter anderem in Deutschland eröffnet. Neben dem Knowhow aus Europa werden in gleich mehreren Fällen außerdem noch europäische Markenidentitäten dafür genutzt, China-Autos salonfähig zu machen. 

Europa ist teuer

Genau mit diesem Rezept ist allerdings der Versuch einer Wiederbelebung der Marke Borgward gescheitet. Die SUV-Modelle auf alter Saab-Plattform wurden mit moderner Technik und zeitgemäßen Design aus Deutschland sowie dem Borgward-Rhombus in durchaus vielversprechender Weise aufgepeppt. Doch dem Mutterkonzern Foton fehlte für das Europa-Abenteuer letztlich der finanzielle Atem. Nur eine Handvoll BX-7 hat es nach Deutschland geschafft. Seit 2020 ist es still um die Marke Borgward geworden.

Als wesentlich nachhaltiger erweist sich die Strategie des Geely-Konzerns, der sich bereits 2010 mit der Übernahme des schwedischen Autobauers Volvo sein Eintrittsticket für den europäischen Markt gesichert hat. Neben dem wohlklingenden Namen, Technik-Knowhow und Produktionsanlagen haben die Schweden gleich noch ein Händlernetz mit in die Ehe eingebracht. An Volvo- und neuerdings auch Polestar-Modelle mit schwedischer Identität und chinesischer Herkunft haben wir uns schon seit einigen Jahren gewöhnt. Ebenfalls mit Europa-Identität wird Geely künftig die frisch aus dem Daimler-Konzern ausgliederte Marke Smart nutzen. Die hat mittlerweile ihren Firmensitz als neue Smart Automobile im chinesischen Ningbo. Vor dort soll ein kompaktes SUV-Modell mit batterieelektrischem Antrieb bereits Anfang 2023 als waschechter Smart nach Europa kommen.  

Chinesische Volvo im Abo

Doch Geely setzt nicht nur auf die Übernahme bekannter Markennamen. Mit Lynk & Co hat der Autokonzern eine ganz eigene Marke mit rein chinesischer Identität ins Leben gerufen, die zudem auf ein noch junges Vertriebsmodell setzt. Derzeit wird mit dem 01 ein Schwestermodell des Volvo XC40 vornehmlich im Abonnement vertrieben. Abos könnten für Newcomer aus China ein ohnehin bevorzugtes Vertriebsmodell werden, welches einen Markteinstieg ohne große Investitionshürden ermöglicht.

Ferdinand Dudenhöffer erwartet, dass die aktuell großen Umwälzungsprozesse im Autovertrieb den Chinesen in die Karten spielen werden: „Die Zeiten, dass man mit Macht und hohen Budgets Autohändler eingesetzt hat sind vorbei. Auto-Abos reduzieren die Vertriebskosten enorm und erlauben völlig neue Möglichkeiten für junge Unternehmen. Der Auto-Abo-Markt wird einer der ganz großen Treiber der Veränderung des Automarkts. Und Auto-Abos sind ein hervorragendes Instrument, um Newcomern den schnellen Einstieg in den Markt zu erlauben. Alle Risiken werden dem Kunden abgenommen. Damit haben junge und neue Marken sehr große Vorteile.“

Bereits einige Jahre vor Geely hat der SAIC-Konzern, in diesem Jahr auf Rang 60 der größten Unternehmen der Welt vorgerückt, unter dem Deckmantel einer europäischen Marke den Sprung nach Europa geschafft. Bereits 2007 hat sich SAIC nämlich die Markenrechte der britischen Traditionsmarke MG einverleibt. Ein dazugehöriges Werk in Birmingham wurde zunächst zur Endmontage für in China produzierte Autos genutzt, die dem britischen Markt vorbehalten blieben.

Doch seit Ende 2019 wird auch in Kontinentaleuropa verkauft. Erst in Holland, danach in Norwegen und Deutschland. Mittlerweile bietet MG vier Baureihen in Deutschland an. Neben einem SUV mit Plug-in-Hybridantrieb gibt es noch zwei Elektro-SUV und den Elektro-Kombi MG5. In diesem Jahr konnte SAIC alias MG Motors seinen Absatz in Europa vervielfachen und mehrere 10.000 Autos verkaufen. Bis 2025 will man sechsstellige Stückzahlen erreichen. 

Gutes Preis Leistungsträger Verhältnis

Doch längst haben Hersteller aus China das Selbstbewusstsein, ihre Autos für Europa und Deutschland nicht mehr hinter einer pseudoeuropäischen Marken zu verstecken. Zu den ersten Chinesen mit rein chinesischer Identität gehört etwa die Marke Aiways, die seit 2020 das Elektro-SUV U5 in Deutschland über die Elektrohandelskette Euronics vertreibt. Der Stromer ist gewiss kein Gamechanger, doch sein ansprechendes Design, ein modern eingerichteter und geräumiger Innenraum sowie der im Verhältnis zu Leistung und Reichweite interessante Preis wecken offensichtlich Interesse. Mehrere tausend Exemplare hat Aiways vom U5 europaweit absetzen können. 2022 kommt mit dem U6 das zweite Modell, mit dem Aiways die Absatzzahlen deutlich steigern will. 

Chinesische Autobauer bleiben
Bereits seit einiger Zeit in Deutschland verfügbar ist das Elektro-SUV U5 des chinesischen Herstellers Aiways

Ebenfalls frisch in Europa gestartet ist Nio. Dieses Jahr wurde in Norwegen der Anfang gemacht. Der 2014 gegründete Elektroauto-Hersteller will sich als Lifestyle- und Premium-Marke positionieren. Noch bleiben die Verkaufszahlen bescheiden. Doch Nio will bereits nächstes Jahr deutlich expandieren – auch nach Deutschland. Optisch und technisch brauchen Modelle wie der ES6, ES8 oder ET7 keinen Vergleich zu scheuen. Eine Besonderheit der ohnehin schon reichweitenstarken Stromer von Nio ist ihr Batterietauschsystem, das in China bereits über mehrere tausend Stationen verfügt und auch in Europa die Langstreckennutzung vereinfachen dürfte. In Deutschland sollen ebenfalls Nios Tauschstationen unter anderem auf Shell-Tankstellen errichtet werden. 

Premium aus China?

Norwegen ist für E-Auto-Start-ups als Sprungbrett nach Europa beliebt, da hier rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge auf hohe Kaufkraft und Nachfrage treffen. Diesen Umstand macht sich auch Xpeng für sein 2020 eingeläutetes Europa-Abenteuer zunutze. Wie Nio setzt Xpeng auf eine Premium-Positionierung und noble Modelle mit viel Leistung und Reichweite. Frisch gestartet ist die sportliche Limousine P7, die sich als interessante Alternative zu Teslas Model S empfiehlt. Xpeng hat ein Headquarter in Amsterdam eröffnet. 

Chinesische Autobauer bleiben
Ab 2023 will Great Wall auch Autos unter der Marke Smart in Deutschland vertreiben

Definitiv nächstes Jahr will Great Wall Motors in Deutschland mit den beiden Marken Ora und Wey antreten. Auf der IAA in München haben sich beide Marken mit jeweils eigenen und großen Ständen präsentiert. Ora bietet rein elektrisch angetriebene Lifestyle-Kompakte mit Porsche-Mini-Flair. Great Wall will, wie im September auf der IAA angekündigt, in Europa eine Produktionsstätte aufbauen und bis 2025 fünf Ora-Modelle einführen. Den Anfang macht der rund 30.000 Euro teure und 4,24 Meter lange Fünftürer Cat 01 mit 126 kW/171 PS starkem E-Antrieb und 400 Kilometer Reichweite.

Wey setzt auf luxuriöse SUV wie den Coffee 01 mit Plug-in-Hybridantrieb. Ein erster WEY-Shop soll, wie die Europazentrale, in München entstehen. Neun weitere City-Stores, zehn Pop-Up-Läden und 60 Service-Stationen sind geplant. Eine erste europäische Fertigungsstätte ist im Bau. Nach einem kurzfristigen Abenteuer klingt das nicht.  

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