Update: Der Sion- Es ist die richtige Idee

Update 25.02.2023

Die Rettung des Solarautos Sion ist gescheitert. Wie Sono Motors mitteilt, wird die Entwicklung des E-Mobils mit sofortiger Wirkung eingestellt. Stattdessen will sich das Münchner Start-up künftig ausschließlich auf die Nachrüstung und Integration der Solartechnologie in Fahrzeuge von Drittanbietern konzentrieren.

Als Grund für die Entscheidung, den Sion nicht zu bauen, nennt das Unternehmen die für das kostenintensive Geschäftsmodell zu schlechten Bedingungen auf dem Kapitalmarkt. Anfang des Jahres hatten die Geschäftsführer noch versucht, die Finanzierungslücke mit einer Reservierungs-Kampagne zu schließen. Innerhalb von 50 Tagen sollten so rund 105 Millionen Euro zusammenkommen, um die Produktion des Fahrzeugs zu sichern. Kurz vor Ablauf der Frist Ende Januar meldet das Start-up eine gesammelte Summe von knapp 48 Millionen Euro. Das Unternehmen verlängerte das Ultimatum daraufhin bis Ende Februar. Nun ist endgültig Schluss.

Das 2016 erstmals als Konzept präsentierte Kompakt-Vans Sion hat eine mit Solarzellen beplankte Karosserie. Die Photovoltaik-Technik füllt bei Sonnenschein die zusätzlich an der Steckdose aufladbare Traktionsbatterie.

Es ist die richtige Idee.

Wir wissen alle, dass es notwendig ist, die individuelle Mobilität zu dekarbonisieren. Wir wissen auch, weniger Fleischkonsum täte uns als Gesellschaft gut. Mehr laufen, mehr Fahrrad fahren in der Stadt. Wir wissen auch, wie wichtig es ist, den Konsum von Ressourcen raubenden Luxusartikeln herunterzufahren. Wir wissen alle, zwei Autos pro Haushalt sind eigentlich auch ein Irrsinn. Wir wissen es. Oft genug handeln wir dennoch anders.

Zumindest beim Thema Mobilität hat Sono Motors aus München eine sehr logisch klingende Idee und macht uns als Gesellschaft ein Angebot.

Der Sion, eine logische Idee – seit 2016.

Mit einem praktischen Elektrofahrzeug, dessen Außenhaut überzogen ist mit Solarzellen, konstruiert, um geteilt genutzt zu werden. Nachhaltig produziert. In Europa entwickelt. Der Sion vereinbart aktuell viele gute Ideen. Ideen, die unsere Mobilitätsbedürfnisse nachhaltiger und Ressourcen schonender gestalten könnten.

Das fängt bei der von Sono Motors patentierten Technik der in die Außenhaut integrierten Solarzellen an und endet in aktuellen Projekten, wie die des App basierten Teilens des Fahrzeuges. Nicht nur um Ressourcen zu schonen, weil ein Auto nur allzuoft eben ein Steh- und kein Fahrzeug ist. Sondern auch, um die Kosten zu teilen. Eine durchaus sinnvolle Idee.

Sono Motors hat sich seit der Gründung durch Laurin Hahn und Jona Christians in 2016 weit entwickelt. Mit klugen Köpfen und einer großen Motivation, das Richtige zu tun, wurden Patente in wichtigen Technikbereichen erarbeitet und gesichert und das Thema Mobilität nicht von der hedonistischen, sondern von der nachhaltigen Seite neu gedacht.

Wie fährt sich der Sion? Hands on Sion.

Erste Vorserien-Exemplare des elektrischen Sion lassen sich bereits erfahren und AUTOHUB konnte in einem der Entwicklungsträger Platz nehmen. Die nach Planeten in unserem Sonnensystem benannten Testträger haben die finale Form, sind aber dennoch ein eher grober Blick auf das fertige Fahrzeug.

Da die Testfahrten zudem nur auf recht überschaubaren Industrieparkplätzen und mit Geschwindigkeiten bis unter knapp 60 km/h möglich waren, entzieht sich der Sion erst einmal den klassischen Bewertungen.

Uranus, so der Name unseres SION, ist mit knapp über 4.60m etwas länger als ein aktueller Golf, aber kürzer als ein Golf Variant. Seine Dachform erinnert eher an einen Hochdachkombi, praktische Schiebetüren besitzt er dennoch nicht. Sein Raumgefühl ist üppig, die Beinfreiheit entspricht dabei Klassenstandards, die Kopffreiheit und die Luft um die Schultern herum ist dank des erhöhten Daches eher über dem Durchschnitt. Sein E-Motor leistet 120 kW, gespeist wird der Antrieb aus einem 54 kWh großen LFP-Akku der auf seltene Erden verzichtet. Seine rundum angebrachten Solar-Panelen sollen mehr als 100 km Reichweite pro Woche (im Jahresdurchschnitt) nur aus der Sonne tanken.

Frei nach der Idee von Henry Ford sind alle aktuellen Sion in einem schlichten Schwarz produziert und auch für die möglichen Serienfahrzeuge steht jede Farbe zur Verfügung, solange diese schwarz ist. Das ist im übrigen, wie vieles, keine originäre Entscheidung von Sono Motors, sondern eine Entscheidung der Community.

Denn der Sion dürfte auch als so etwas wie das erste „basis-demokratisch-entwickelte“ Fahrzeug am Markt werden. Wenn er denn kommt.

Noch ist man sich bei Sion nicht über alle Details des Fahrzeuges einig – der erste Eindruck der Testwagen vermittelt aber durchaus das Gefühl, man säße in einem Auto, das Serienreife entwickeln könnte.

Dabei sind Haptik und Verarbeitung derzeit hoffentlich noch weit von einem möglichen Serienstandard entfernt. Klar wird aber auch in diesem frühen Stadium: Das Richtige tun, bedeutet nach unseren heutigen bekannten Maßstäben auch Verzicht. Verzicht auf Gimmicks. Verzicht auf Komfort-Ideen, die heute Standard sind. Verzicht auf Haptik. Verzicht auf Außendarstellung. Vor allem aber, der Verzicht auf Status. Zumindest so, wie wir ihn bislang kennen.

Der Sion versprüht dafür ein Gefühl von Aufbruch. Das Gefühl eines Neuanfangs mit guten Ideen und guten Vorsätzen. Der Sion verkörpert die Idee, das Richtige zu tun. Er atmet den Glauben an eine bessere Welt.

Der Unterschied zwischen moralisch richtig und wirtschaftlich erfolgreich.

Der Weg zur Serienreife des Sion ist ein langer. Und ein sehr steiniger. Anders als im Automobilen-Umfeld üblich, will Sono Motors mit dem Sion ein moralisch einwandfreies, technologisch fortschrittliches und vom klassischen Statusdenken befreites Auto als Erstlingswerk auf den Markt bringen. Bei durchschnittlichen Entwicklungskosten eines neuen Modells in Höhe von schnell mehr als eine Milliarde Euro und einem angestrebten Marktpreis von unter 30.000 Euro ist das ein Vorhaben, dessen Gelingen vom „Glauben an die Sache“ der Investoren abhängt und hier kneift der Schuh. Hier endet jeder Idealismus.

Sono Motors ist eine Idee, die 2016 formuliert wurde und seitdem immer wieder in den finanziellen Seilen hängt. Und das trotz einer starken Community. Mit der zuletzt gestarteten Kampagne savesion hat Sono Motors bereits mehr als 1.400 Autos voll verkauft, ohne zu wissen, ob die Serienfertigung je starten wird. Das Ziel: Bis zum 26. Januar 2023 müssen 3.500 Sion von der Community gekauft und bezahlt – bzw. eine Summe von 104.650.000 Euro eingesammelt – werden. Sono Motors fährt derzeit mehrgleisig. Es sammelt Geld von kleinen Investoren, verkauft Fahrzeuge die es noch nicht gibt und versucht weiterhin, mit dem lauten Ja-Schrei der Community, die fehlenden Investoren zu überzeugen.

Das Problem, eine dauerhaft belastbare Finanzierung zu erreichen, ist der rote Faden der bisherigen Geschichte zu Sono Motors. Das kann man traurig und frustrierend finden, führt aber zur Frage, ob der „Glaube daran, das Richtige zu tun“ ausreicht, um die Mobilitätsansprüche unserer Gesellschaft zu ändern.

Und ob die Kombination von guten Ideen allein genügt, um jemals einen PKW zur Marktreife zu entwickeln.

Das Dilemma von Sono Motors

Der Sion ist, dank seiner neu gedachten und von Anfang an auf nachhaltige Mobilität fokussierten Entwicklung, die richtige Idee. Das sehen wir durchaus.

Nur führt das zu seinem größten Problem. Er ist die Verkörperung eines Autos, dessen Sex-Appeal auf dem Niveau eines veganen Grilltellers in der Mensa des Verbandes der fleischverarbeitenden Industrie rangiert. Ein zuckerfreier Snack auf einem Kindergeburtstag.

Der Sion ist die gute Idee, der wir alle ein zustimmendes und ein aufmunterndes Lächeln zuwerfen, um sie dann schnell zu vergessen und mit schlechtem Gewissen das Gegenteil zu tun.

Warum es gar nicht schlimm ist, wenn der Sion keine Marktreife erreicht

Für Sono Motors stehen die Zeichen auf Sturm. Die aktuell notwendige Anzahl an verkauften und vorbehaltenen Sion reicht nicht aus und wenn kein Wunder geschieht, wird die Serienfertigung des Sion nie gestartet.

Was als kritisches Versagen einer guten Idee gesehen werden könnte, könnte gleichwohl die wirtschaftlich beste Lösung für Sono Motors sein.

In den letzten drei bis vier Jahren hat Sono Motors nicht nur versucht, ein Serienfahrzeug auf die Beine zu stellen. Sono Motors hat auch zahlreiche Patente u.a. im Bereich der PV-Technik angemeldet. Die für den Sion notwendige Ingenieurleistung hat zu neuen Lösungen, neuen Entwicklungsansätzen und neuen Ideen für eine nachhaltige Dekarbonisierung geführt.

Sono Motors ist die Summe von klugen Köpfen: Engagierte Menschen mit Zielen, die wir als Gesellschaft unterstützen sollten. Die integrierten Solarpanelen machen an LKW-Aufliegern, an Nutzfahrzeugen und einem farblich abgesetzten Dach eines PKW mit mehr Sex-Appeal  eben doch mindestens genau so viel Sinn. Ganz ohne die neuen finanziellen Risiken, die erst nach dem Serienstart des Sion auftauchen würden. Eine Zukunft von Sono Motors als Technik-Inkubator, als Katalysator der Dekarbonisierung ist gut vorstellbar.

Ob es da wirklich noch den Sion braucht, um die ursprüngliche Idee als richtig zu bestätigen?