„An der Kuppe blind links einbiegen, orientiert Euch am Hütchen links.“
„Achtet auf die richtige Augenarbeit – Hütchen rechts, Scheitelpunkt, raus treiben lassen, 3.ter Gang. Jetzt Gas, beschleunigen.“
Vor mir rollt ein Champagner-gelbes Porsche 991 Cabriolet in weichen Linien über die Strecke, mein Doppelkupplungsgetriebe haut im Sport Plus Modus das nächste Gangrad mit unerbitterlicher Härte durch das Getriebegehäuse. Wäre man Getriebe-Techniker, würde man vermutlich mit einer Träne aus Verzückung und einer Träne aus Mitleid mit den Getriebe-Innereien das Schauspiel der Performance-Darstellung beobachten.
Tatort: Der Sachsenring in Wurfweite von Karl-Mays Geburtsort. (Wer keine Ahnung hat, wo Karl-May geboren wurde und auch den Sachsenring nicht kennt: klick)
Porsche 911 Carrera S – Fahr-Event am Sachsenring
Es sollten vergnügliche Stunden werden, auf einer der traditionsreichsten Rennstrecken in Deutschland.
Jede Fahrt beginnt mit wunderbaren Gefühl der Geborgenheit, nach dem Einstieg in einen der sechs zur Verfügung stehenden Porsche 911 (991) Carrera S. Hinter dem Lenkrad eines Elfers platziert, die Sitzeinstellung vorgenommen. Im Stand geprüft, dass man ohne den Verlust des Schulterkontaktes zur Rennstuhl-Lehne 180° bis zum Verknoten der Arme mit dem Sport-Lenkrad arbeiten kann und eine Grundlage für die perfekte Symbiose zwischen Pilot und Zuffenhausener-Rennstreckenlegende auf der nun anstehenden Streckenhatz geschaffen hat.
Zündung links, Bremse treten. Im Heck startet der 3.8 Liter Flat-Six mit Schnapp-Atmung und alarmiert die Umgebung durch ein kurzes Aufbellen über seine Bereitschaft, die auf 1.415 kg gesenkte Fahrzeugmasse nun gleich mit dem fast unmoralischen Leistungsangebot von 400PS über die Berg- und Talbahn zu katapultieren. Versaut wird das excellente Leistungsgewicht nur durch den „Piloten auf Zeit“ – sorry liebe Porsche-Entwickler, die Habegger’sche Version benötigt eine um weitere 35kg abgesenkte Variante, damit die Chancengleichheit hergestellt ist.
Das Gewichtsmanko des Teilzeit-Piloten wird neutralisiert, durch die bereits beim kurzen Start-Bellen des 440Nm starken Boxer-Motors ausgeschütteten Endorphine und die damit verbundene Zuversicht, dem Fahr-Instruktor nun zu zeigen, welch geiler Hecht man vor dem Herrgott der Rennstrecken bereits ist.
Mann und Porsche signalisieren dem nun auf eine Car-2-Car Einzel-Lehrstunde vorbereiteten Instruktor im vorausfahrenden Elfer-Cabriolet die Bereitschaft für den Lehrgang: „From Boy 2 Man“ in nur 4.3 Sekunden.
Porsche Sport-Plus: Gedrückt. Porsche Start/Stopp System: Aus. Porsche Sportauspuff: Auf Geil geschalten.
PASM, das Stabilitäts-System von Porsche soll „eingeschaltet bleiben“. Ich bin artig und lasse es eingeschaltet. (sic!)
Bereits bei der Ausfahrt aus der Boxengasse scheint der Instruktor motiviert von seiner Aufgabe, beim Einlenken und Umsetzen in der Coca-Cola Kurve drängt mein ambitionierter rechter Fuß die 295er Pirelli P Zero zum Verlust der idealen Reibwerte und der sexy Arsch des 911er drängt, unterstützt vom Lastwechsel und dem am Volant angeforderten Umsetzens in die zweite Hälfte der Coca-Cola, eine sich öffnende und dann vor dem Castrol-Omega zu ziehenden Links-Kurve, in Richtung Kurven-Außenrand. Der Ausgang der Omega Rechtskurve verlangt nach niedrigerem Tempo, fixiert auf den vor mir schwänzelnden Instruktoren-Porsche arbeite ich zwischen unter- und übersteuerndem 911er. Das PASM unterstützt Heißsporne am Lederlenkrad mit sensiblen Korrekturen.
Der Sportauspuff entlässt den ungefilterten Sound der Lebensfreude, komponiert durch den Flat-6 Boxer beim Erklimmen der Maximal-Drehzahl auf dem Weg zur nächsten Doppel-Links, in die Umwelt. Mein Instruktor lässt seinen 911er frei laufen und beschleunigt aus der Sternenquell Doppel-Links fulminant in die nahezu im 4.ten Gang voll gehende weite Links hinab zu einem der tiefsten Punkte der Strecke. Gerne hätte ich an dieser Stelle berichtet, aus welcher Geschwindigkeit wir die in eine Bergauf übergehende folgende Linkskurve anbremsen. Beim harten Anbremsen, beim Instruktoren-Porsche blinken die Bremslichter als Zeichen der maximalen Verzögerung im wilden Stakkato-, nah am Takt der ABS-Regelung – es bleibt keine Zeit für den Blick auf den Tacho. Bauch und Arsch bestimmen die Geschwindigkeit jedoch auf : „verflixt nah am Endpunkt meiner Lenkrad-Fähigkeiten“. Leicht von der Bremse gehend, jedoch noch in der Verzögerung befindlich, lenke ich ein und bin gepackt vom Ehrgeiz, meinen Instruktor vor mir nicht zu viel Vorsprung zu gewähren.
Das Heck des Elfers tanzt, um die Hochachse hilft mir das PASM beim kontrollierten Schräglauf durch die Kurve. In dieser Generation des 911 ist die Lenkung nicht mehr hydraulisch, sondern elektrisch unterstützt. Ich beneide kurz die Sportfahrer, die einen negativen Unterschied festgestellt haben wollen, um deren – von scheinbar besonderer taktiler Fähigkeit geprägter Schnittstelle zum Sportgerät „Automobil“. Für mich überwiegen die Vorteile, während ich über die blinde Kuppe, auf der Suche nach der Ideal-Linie, in Rufweite zu meinem Instruktor einlenke und dabei den Curb in die Streckenführung einbeziehe, den zur Orientierung aufgestellten Poller nur um die Distanz einer P-Zero-Profiltiefe verpasse und erstaunt feststelle, wie viel diese Lenkung nun verzeiht. Arschbacken zusammen gekniffen, der Instruktor lässt sein Carrera S Cabriolet brüllend in die noch nicht einsehbare Talpassage einfliegen. Im Kopf läuft ein einfaches Programm. Endorphine sind behilflich bei der Argumentation meines Egos gegenüber meines Kleinhirns, dass da lautet: „Wo der Elfer des Instruktors lang fliegt, kann auch mein Elfer lang fliegen!“ Der Fuß bleibt unten, die Drehzahl explodiert. Das PDK hämmert auf dem Bergab-Stück die Gänge hinein.
Im tiefen Anflug auf die Sachsen-Kurve fühlt man eine leichte Kompression, bevor man den Anker wirft und die Pirelli P-Zero in den Infight um maximale Verzahnung mit dem Asphalt des Sachsenring gehen.
Ein kurzes, letztes Stück gerade aus. Vor einem baut sich die Asphaltbahn einer Achterbahn gleich in den Himmel auf. Ein letztes hartes Anbremsen. Die Vorderachse verlangt nach einer Korrektur, als das Heck leicht wird und die Nähe zum Kurvenrand sucht. Ein letztes Gespräch mit dem PSM auf Du und Du – bevor es auf die Start-Ziel-Passage geht. Die kurze Verschnaufpause könnte man nutzen, um die nächste Runde im Erlebnis „Fahrdynamik 911“ nun ohne das sensibelste ESP-Programm der Welt (PSM) erleben zu können. Doch die Anweisung war klar: „Immer mit PSM!“
Da ich auch in Zukunft die ambivalente Porsche-Welt aus der Lust an der Perfektion, der Effizienz und Professionalität für lange Strecken und „Langstrecken-Rennen“ erleben will, kann ich leider wirklich nicht beschreiben, wie sich der Elfer ohne PSM fährt. Angemerkt sei nur:
Auch ohne PSM wird aus der Elfer-Vorstellung am Sachsenring ein Luststpiel und kein Drama!
Edit:
- Mit vor Ort, Jan – der auto-geile.de
- Mit dabei: Can Struck
- Mit dabei: Nicole Y. Männl