English ecstasy: ASTON MARTIN Vantage V12 S

„Wir stellen unser neues Modelljahr vor. Wollen Sie da nicht auch vorbeikommen und sich mit der Marke Aston Martin beschäftigen?“ So oder ähnlich klang es in einer Email vor einigen Tagen. Aston Martin. Zuckt es bei ihnen da auch kurz über die Haut? Stellen sich die Haare auf, läuft es wohlig den Rücken hinunter, gluckst es fröhlich im Bauch, als wären Schmetterlinge eingefallen und versetzten sie zurück in die erste Phase der großen Liebe?

Aston Martin Termine nimmt man an. Immer. Der erste Grundsatz des Petrolheads. Natürlich sind die Engländer schrullig. Doch wer seinen Autoschlüssel ernsthaft, ohne die Gesichtsmuskulatur verrutschen zu lassen, „emotion control unit“ nennt, den sollte man ernst nehmen – es könnte die Wahrheit sein.

Aston Martin V12 Vantage S

„Emotion Control Unit“

Kaum vergehen ein paar Jahre, da trifft man die Aston Martin Modelle mit ihrem Charaktergesicht wie eine alte Liebe aus der Schulzeit. Kühlergrill und Proportionen der Aston Martin aus der Neuzeit haben sich binnen kurzer Zeit eingebrannt in die Hitliste der emotionalsten Automobile. Ganz oben. Wie das Gesicht der ersten Liebe. Du erkennst sie sofort wieder. Auch einen Aston Martin erkennst du immer – sofort. Sportwagen-Proportionen lassen sich nicht besser darstellen. Solange du im Bereich der GT bleibst, der Gran Tourismo. Und das ist das Spielfeld der James-Bond Hausmarke.

Wer sich nicht tiefer mit den Modellen der Marke auseinandersetzt, wird sagen: Die sind doch alle ganz gleich. Ja. Irgendwie sind alle Aston Martin gleich, geil. Klassisches Layout, Motor vorne, Getriebe an der Hinterachse angeflanscht, Heckantrieb, der Sitzplatz möglichst weit in Richtung Hinterachse verschoben. Die Nase charaktervoll gezeichnet, feistes Räderwerk.

Als der Vantage geboren wurde, besaß er eigentlich einen Achtzylinder. Freisaugend. Himmlicher Sound. Und dann muss man in Gaydon an einem warmen Sommertag auf die Idee gekommen sein, warum nicht den eher überschaubaren Vantage (knapp 4.4 m) mit dem 6.0 Liter V12 verbandeln? Jetzt passt nicht einmal mehr der Wind unkomprimiert durch den Motorraum, aber dafür steht vor mir der V12 Vantage, Roadster S. Ohne Dach. Weil, Sound kommt am besten ohne Filter an!

Test Fahrbericht04 Aston Martin Vantage V12 s roadster

SSSsssssssssssurrr-katschummmpp. Das Startergeräusch eines V12 ist die letzte ungeschlagene Bastion, bevor wir uns alle in selbst fahrende Elektrokübel setzen. V12 starten, eine Aufgabe, die auf jeder Bucket-List vorhanden sein sollte. Das Unnachahmliche und nicht in Buchstaben zu fassende „Surren des Anlassers“ und das darauf folgende Bellen der zwölf Zylinder, wenn aus 6 Liter Hubraum der erste Stoß verbrannten Kraftstoffs enteilt. Gänsehaut.

Test Fahrbericht01 Aston Martin Vantage V12 s roadster

Einen Vantage V12 S Roadster fährt man offen. Auch wenn dir die Sonne Kaliforniens das Hirn wegbrutzeln will. Glücklicherweise fahren wir den Vantage in der Eifel. Nahe der legendären Nürburgring-Nordschleife. Oben ohne geht hier auch im Sommer, es findet sich schon ein Wölkchen oder zwischen den Wäldern ein kühler Schattenplatz. Aston Martin hat dort oben am Ring seit einigen Jahren ein Test-Center. Nicht nur für die PR-Arbeit, auch ganz bodenständig wird an den Performance-Qualitäten gefeilt. Und den Feinschliff spürt man.

Gerade beim V12 Vantage. Trotz 12 Zylinder, nahe an der Vorderachse, fehlt jede Form von erfahrbarem Übergewicht. GT-Roadster haben sowas ja manchmal, fällt einem auch nicht auf, wenn man an der Coté d’Azur lässig im Standgas vor den Yachten auf und ab bummelt. Aber hier – auf dem Flickenteppich der L10 zwischen Hoher Acht und Adenau begreifst du den Feinschliff, den man in Gaydon und eben am Entwicklungszentrum in der Eifel in diese britischen Sportler gepackt hat. Es ist kein Zufall, wenn du in der Haarnadel vor Adenau genau spürst, wie viel Grip die Vorderachse beim Verzögern noch aufbauen kann. Einlenken auf den Punkt, die lange Motorhaube fällt flach vor deiner Nase ab, der Kurvenscheitel wird vom Carbon-Flipper des Vantage V12 S geköpft.

Test Fahrbericht09 Aston Martin Vantage V12 s roadster
573 PS oben ohne

620 Nm ganz ohne Aufladung – linear über dich herfallend. Frei saugende Motoren dürfen das, was schnöde als „Verbrennungsvorgang“ bezeichnet wird, in einer Dramatik herausposaunen, da wird bei Turbo-Motoren aus Neid die Abgasanlage rot.

Dabei gehört der Aston Martin V12 Vantage nicht zu den Modellen, bei denen man die Extraportion Adrenalin erst im Grenzbereich geliefert bekommt. Einsteigen, Leder spüren. An die Aluminium-Karosse denken, die erotische Form des Hinterns mit seinem effektvollen Bürzel und den im Super-GT Bereich fast bescheiden wirkenden Endrohren.

Dass man Tempo 323 erreicht, glaubt man den Briten, ohne auf der Autobahn gewesen zu sein. Erschütternd für den Erstkontakt ist das solide Gefühl, mit dem sich der Aston Martin V12 Vantage Roadster vorstellt. Auch hier in der Eifel zappelt der Innenraum nicht, es knistert nichts. Trotz Dach unten, massiver Gewalt der Elemente und fröhlich brüllender Verbrennungsmaschine wirft sich der Vantage Roadster in die nächste Spitzkehre mit einer Kontrolle, die man einem Kunstwerk nicht zumutet.

Test Fahrbericht07 Aston Martin Vantage V12 s roadster

Mehr Skulptur denn Sportwagen?

Emotion Control Unit – eigentlich der richtige Namen  für die ganze Firma Aston Martin, nicht nur für einen Schlüssel! 

Der Aston Martin V12 Vantage S Roadster ist Skulptur, Kunstwerk und GT. Von 0 auf 100 wird er rund 4 Sekunden benötigen. Je nachdem, wie man am Gaspedal rupft und wie erfolgreich die Porno-Power des V12 in die Landstraße gestempelt werden kann.  Dass man zudem mit knapp 300 Liter Kofferraumvolumen mehr als nur zwei Kreditkarten mit auf die Reise nehmen kann, wirkt beruhigend. Wenngleich der Blick in die Preisliste für Herzkasper-Alarm sorgt.