Das erste voll elektrische Reisemobil

Die Knaus-Tabbert-Gruppe präsentiert auf dem Düsseldorfer Caravan-Salon ihre Vision: Das elektrische Reisemobil der Zukunft -mit vielfältigen Möglichkeiten für die zeitnahe Serienumsetzung.

Im ersten Moment ist es eine Enttäuschung. Das Reisemobil, das Knaus-Tabbert-CEO Wolfgang Speck zur Weltpremiere in die Messehalle 1 des Düsseldorfer Caravan-Salons steuert, sieht völlig unspektakulär aus. Wie ein ganz normaler Knaus-Teilintegrierter, Modell Van TI 650 MEG Vansation. Nur das akustische Erlebnis lässt erahnen, um welch „epochales Ereignis“ es hier geht, wie Wolfgang Speck im Überschwang der Gefühle vollmundig verkündet. Man hört nämlich – nichts. Flüsterleise rollt die Studie eines ersten, seriennahen Elektro-Reisemobils auf die Ausstellungsbühne. „Knaus e-Power Drive“ ist die Bezeichnung der zukunftsweisenden Studie, bei der lediglich das veränderte Cockpit mit dem großen 12-Zoll-Display in der Mitte sichtbar von der fortschrittlichen Technik zeugt.

Mit Verstärkung zum E-Mobil

Speck lässt keinen Zweifel daran, dass die aktuell vom Dieselmotor dominierte Welt der Reisemobile elektrisch werden muss. „Das ist keine Frage des Ob, sondern nur eine Frage des Wann“, erklärt der CEO und formuliert einen eigenen Anspruch als Innovationsführer der Branche.

Das erste voll elektrische Reisemobil
Der E‐Motor leistet bis zu 180 kW/245 PS und ermöglicht mit dem vollwertig‐ausgestatteten viersitzigen Wohnmobil Reisegeschwindigkeiten in der Spitze bis 140 km/h und im Dauertempo bis 120 km/h

Weil es aktuell in absehbarer Zeit keinen Chassis-Hersteller gibt, mit dem sich die Ansprüche an ein reisetaugliches E-Mobil umsetzen lassen, hat sich das Unternehmen aus dem bayerischen Jandelsbrunn einen kompetenten Kooperationspartner ins Boot geholt: HWA Engineering aus Affalterbach. Hinter den drei Buchstaben verbirgt sich Hans-Werner Aufrecht, der Gründer des Mercedes-Motorsport-Ableger AMG. HWA verfügt aus der Formel 1 und Formel E über großes Knowhow in Sachen Elektro- und Hybridantrieb, könnte gemeinsam mit Knaus ein völlig eigenes Chassis entwickeln und zu Anfang auch in Kleinserie bauen.

Hat genug an Reisegeschwindigkeit

Das Konzeptfahrzeug basiert allerdings noch auf einem Fiat-Ducato-Fahrgestell, das allerdings nicht mehr als ein Gerüst für das E-Mobil sein wird. Unterm Blech wurde nämlich viel Aufwand betrieben, um anstelle des bekannten Dieselmotors mit Getriebe eine intelligente Kombination aus Elektromotor und Reduktionsgetriebe unterzubringen. Der E‐Motor leistet bis zu 180 kW/245 PS und ermöglicht mit dem vollwertig‐ausgestatteten viersitzigen Wohnmobil Reisegeschwindigkeiten in der Spitze bis 140 km/h und im Dauertempo bis 120 km/h. Gespeist wird er von der im hinteren Unterboden des Fahrzeugs eingebauten Hochvolt‐Batterie mit einer Kapazität von 35,5 kWh. 

Damit schafft das e-Power-Reisemobil rein elektrisch bis zu 90 Kilometer. Ein sogenannter Range Extender, der ausschließlich als Generator fungiert und permanent die Batterie auflädt, sorgt allerdings dafür, dass der Knaus-Teilintegrierte auch weiterhin immer im Stromer-Modus unterwegs ist und mit Fug und Recht ein E-Kennzeichen tragen darf. So seien Reichweiten bis zu 600 Kilometer möglich, ehe nachgetankt werden muss, erklärt HWA-Entwickler Gordian von Schöning.

Doch noch als Benziner

In der Studie arbeitet als Range Extender ein hochmoderner Wankelmotor. Die Vorteile dieses Dreischeiben‐Rotationskolbenmotors sind: kompakte Abmessungen, einfacherer Aufbau und weniger Bauteile als ein Hubkolbenmotor (keine Nockenwelle, keine Ventile, keine Steuerkette), laufruhig und leise im Betrieb, nutzbar im idealen Drehzahlband. In der zeitnah versprochenen Serienausführung sei zunächst ein kleiner 1,0-Liter-Vierzylinder-Benziner vorgesehen. Da der Verbrenner gleichzeitig den Wohnaufbau mit Energie versorgt, kann er über einen DC/AC-Wandler (Gleichstrom/Wechselstrom) auch handelsübliche 230 Volt in den Wohnbereich liefern und somit die Autarkie des Fahrzeugs erhöhen. 

Das erste voll elektrische Reisemobil
Der künftig konsequent gasfreie Betrieb des E-Mobils bietet auch Potenzial für eine Gewichtseinsparung -ohnehin wahrscheinlich die größte Herausforderung für die Entwickler

Das langfristige Ziel der Knaus-Tabbert-Forschung sieht allerdings anstelle des Drehkolben-, Benziner- oder Dieselmotors eine Brennstoffzelle als Range Extender vor. Da würde des E-Reisemobil völlig abgasfrei fahren, lediglich Wasser emittieren. Der benötigte Wasserstoff würde dann – crashsicher angeordnet – in einem speziellen Druckbehälter an Stelle des konventionellen Dieseltanks gespeichert.

Universell einsetzbares System

Das alles sei möglich, weil es sich bei dem Elektroantrieb um ein modulares System handelt, das alle Möglichkeiten offenhält, verdeutlicht Knaus-Geschäftsführer Gerd Adamietzki. „Nicht nur, was den Range Extender angeht. Das System wird es daher in allen unseren Reisemobil-Klassen und über alle Marken einsetzbar sein.“ Deshalb müsse das erste Serienfahrzeug auch nicht – wie die Studie – unbedingt auf einem Fiat Ducato aufbauen, verrät Adamietzki. 

Mit Umweltprämie bezahlbar

Fragen nach dem Preis werden freilich noch ausweichend beantwortet. Der Mehrpreis soll sich in ähnlichen Dimensionen wie bei den Elektroautos darstellen. Wenn das Fahrzeug aber noch in den Genuss der Umweltprämie kommen sollte, wie Knaus ankündigt, müsste der Preis unter rund 77.000 Euro (netto 65.000 Euro) bleiben. Da der aktuelle Van TI 650 MEG Vansation mit Dieselmotor ab rund 60.000 Euro brutto angeboten wird, sollte das machbar sein.

Der künftig konsequent gasfreie Betrieb des E-Mobils bietet auch Potenzial für eine Gewichtseinsparung -ohnehin wahrscheinlich die größte Herausforderung für die Entwickler. Denn das ehrgeizige Ziel von Knaus-Tabbert lautet, auf jeden Fall ein im Fahrbetrieb für vier Personen zugelassenes Basis‐Reisemobil in der 3,5‐Tonnen‐Klasse mit einer sinnvoll nutzbaren Zuladung anzubieten zu können.

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