Den Namen (Tipo) kennen wir und die Strategie, den Markt von der sensiblen Preisseite her aufzurollen, kennen wir auch. Doch dieses Mal könnten die Dinge anders liegen, auch wenn die ersten FIAT-Händler bereits der lange konditionierten Taktik des „Wir sind die Rabattkönige“ unterliegen und bereits vor offiziellem Marktstart mit echten „Billig-Attitüden auffallen“. Dem Hersteller dürfte das nicht gefallen, der Kunde könnte sich jedoch freuen. Denn dieser Italiener ist anders.
Der neue FIAT TIPO im ersten Fahrbericht
Der Preis ist heiß
10.798 € für einen FIAT Tipo mit Tageszulassung und 10 km auf der Uhr. Quasi ein Neuwagen. Und ein Auto aus dem C-Segment, der klassischen Golf-Klasse. 1.4 Liter Hubraum, 95 PS und die Grundausstattung „Pop“ mit Klimaanlage und Radio sowie die mittlerweile üblichen Goodies a la ZV mit Fernbedienung und elektrischen Fensterhebern (vorne). Das sind 3.192 € weniger als FIAT in die Preisliste schreibt. Oder anders: 22 % Rabatt.
Man kennt die Sache mit den Tageszulassungen auch bei anderen Herstellern. Fiat bedient die Rabatt-Gelüste aber gleich noch mit einem anderen Mittel. Man reduziert den Listenpreis für die Limousine zum Start (begrenzter Zeitraum) gleich selbst um 2.000 €. Aus den 13.990 € werden somit 11.990 €. Eine 2.000 € Eintauschprämie setzt FIAT auf den eigenen Listenpreis.
Drei Karosserie-Varianten, 4 Motoren und drei Ausstattungslevel
Dass die Limousine den günstigsten Einstieg bietet, liegt am Kunden-Interesse. Im Tipo-Segment (wir Deutschen nennen es die „Golf-Klasse“) fährt die 5-türige Steilheckvariante in den Stückzahlen ganz klar vorneweg, darauf folgt die Kombi-Version, die aber wiederum eigentlich nur wir Deutschen wirklich lieben.
FIAT bietet die jüngste Tipo-Generation gleich in diesen 3 Varianten an. Dem Spießer-Stufenheck, dem klassischen Steilheck und der Pampersbomber-Variante namens Kombi. Unter der Haube stecken Motoren mit einer Leistung von 95 bis 120 PS. Diese Spannbreite teilen sich, für den dt. Markt, zwei Benziner und zwei Dieselmotoren. Für eine erste Testfahrt rund um das FIAT-Herz Turin standen uns der „Steilheck“ und der Kombi zur Verfügung. Dummerweise wird der Kombi erst im 3. Quartal in Deutschland eingeführt, eine offizielle Preisliste ist noch nicht erhältlich. (Stand: 10. Mai 2016)
Die Ausstattungslevel sind „Pop“ für die Basis, darüber rangiert „Easy“ und darüber die Lounge-Variante. Dem in der Türkei gefertigten FIAT Tipo fehlt es in der Preis sensiblen Grundausstattung eigentlich schon an nichts. Billig? Sicher 15″-Stahlfelgen mit Radzierblenden sind auf Neuwagen eher ungewöhnlich geworden, aber hey, es funktioniert auch mit Stahlfelgen. 6 Airbags sind immer mit an Bord, die Außenspiegel sind elektrisch verstellbar und selbst das Lenkrad lässt sich in zwei Dimensionen einstellen. Dazu die Klimaanlage mit Pollenfilter. Ernsthaft, eine ärmliche Ausstattung sieht anders aus. Dazu kommt das gelungene Innenraum-Design. War die eigene Erwartungshaltung vor dem Kontakt mit dem FIAT Tipo noch eher in Richtung: „Ah, der Italiener macht jetzt auf Dacia“, muss man sich danach eher fragen: Warum kann man bei FIAT ein vollständiges Auto zu einem so attraktiven Preis anbieten?
Der Verzicht auf „Premium“ und die Produktion in der Türkei sind wohl ein Teil der Antwort.
Nicht „Premium“, aber komfortabel!
Schwarzes Plastik, schwarze Stoffsitze – ja, so wirkt das alles ein wenig trist. Doch ab der „Easy-Ausstattung“ zieht auch ein 5-Zoll Touchscreen-System mit dem „Uconnect-Multimediasystem“ des FCA-Konzerns ein und im Instrumenten-Panel findet sich dann auch ein TFT-Display wieder. Das wirkt dann alles weder ärmlich, noch billig. Und darüber rangiert dann noch die Lounge-Ausstattung. Wobei der Einzug von 16-Zoll Leichtmetallrädern, Chromzierleisten und Tempomat dann auch mit dem Basispreis von 15.990 (5-Türer) erkauft wird. Weit entfernt von teuer. Aber auch nicht mehr dem „Billig-Segment“ und der magischen 10.000 €-Grenze zuzuordnen.
So fahren sich die MultiJet-Dieseltriebwerke
Theoretisch bietet Fiat drei Benziner und zwei Dieseltriebwerke an. Der eine Benziner ist der in Italien sehr beliebte Motor für Autogas, den hat man sich für Deutschland erst einmal gespart. Bleiben der 1.4 Liter Vierzylinder Benziner mit 95 PS und der T-Jet mit 1.4 Litern, Turboaufladung und 120 PS. Das ganz klar modernere Triebwerk. Zusätzlich steht für die Automatikvariante noch ein 1.6 Liter Vierzylinder-Benziner mit 110 PS zur Verfügung. Den gibt es derzeit leider nur für die Stufenheck-Variante.
Während der Fahrveranstaltung rund um Turin waren die Benzinmotoren eher rar gesät, so dass wir die ersten Meter im neuen Tipo in den beiden Dieselvarianten gefahren sind. Wer sich für den Benziner-Tipo interessiert, wird sich bei Kollegen der anderen Medien umschauen müssen. Leider.
Die beiden Diesel-Triebwerke passen jedoch perfekt zum Tipo. Die Benziner können den guten ersten Eindruck eigentlich nur trüben. Sowohl der kleine 1.3 MultiJet mit 95 PS als auch der 1.6 MultiJet mit 120 PS nageln deutlich hörbar vor sich hin. Erinnert man sich an den Preis, empfindet man das alles jedoch sofort wieder als „sehr relativ“. Dem 1.6 Diesel mit seinen 320 Nm geht, anders als dem 200 Nm starken „kleinen“ Diesel, natürlich alles ein wenig leichter von der Hand. FIAT gönnt dem stärkeren Diesel zudem ein 6-Gang Getriebe, der 95 PS 1.3 MultiJet muss mit deren 5 auskommen.
Wir sind sowohl die Steilheck als auch die Kombi-Variante gefahren und auch wenn beide Fahrzeuge mit einer sehr simplen Fahrwerks-Architektur aufwarten – vorne McPherson, hinten eine Verbundlenker-Achse – so überzeugen beide mit einem extrem ausgewogenen Fahrverhalten. Sehr komfortabel abgestimmt, deutliche Seitenneigung, aber dafür unanfällig für derbe Fahrbahnen und Landstraßen mit groben Flicken. Das Augenmerk lag ganz klar auf dem Bereich: Fahrkomfort. Die Lenkung lässt sich für den Stadtverkehr noch weiter „unterstützen“, der City-Mode hat es auch in den Tipo geschafft. Man braucht diese Unterstützung eigentlich so wenig, wie große Leichtmetallräder mit dünnen, aber breiten Reifen. Der Tipo fährt sich ein wenig wie eine mobile Zeitreise. In eine Zeit, in der Autos vor allem praktisch und komfortabel sein mussten. Als man nicht mit Pseudo-Sportlichkeit punkten wollte. Das tut gut. Das erdet.
Günstig: ja, komfortabel: ja – aber auch innovativ?
Noch stecken Apple CarPlay und Android Auto nicht im Uconnect System, aber FIAT spricht von einer „nahen Zukunft“, in der beide Systeme integriert werden sollen. Prima. Vor allem, wenn man bedenkt, Uconnect ist bereits ab der „Easy“ Ausstattung inklusive.
City-Notbremsassistent und die üblichen 6 Airbags sind auch an Bord, dazu gesellt sich, wer das jeweilige Tech-Paket ordert, dann auch gerne noch das Parkpiepser-Set. Wie gesagt: Einfach nur Dacia kopieren kam zum Glück, trotz der Preisansage, nicht in Frage.
Der 5-Türer, wie ein Golf – nur billiger
Wer sich für den neuen Tipo als Steilheck entscheidet, den großen Diesel und die Lounge-Ausstattung genehmigt, der hat 20.190 € auf dem Wunschzettel stehen. Dafür gibt es dann den 4.37 Meter langen Golf-Gegner mit seinem großen Kofferraum. 440 Liter lassen sich dort im 5-Türer verpacken. Ein VW-Golf mit 1.6 Liter TDI und 110 PS (5-Gang manuell) liegt da mal eben gute 20% darüber. Und da hat man beim freundlichen FIAT-Händler nicht einmal die Preiskeule ausgepackt.
Ernsthaft. Natürlich ist der FIAT Tipo als „Golf-Gegner“ nur schwer zu verschlagworten, zu offensichtlich versucht man es nicht über die Argumentationskette der Talente und Fähigkeiten in Turin, sondern rein über die Preisschiene. Ist es deshalb schlecht? Nein.
Fazit: Anders, weil billig UND gut!
Ja, er ist billig. Gerade die in Deutschland nicht angesagte Limousinen-Variante ist zu einem fast schon erschreckend niedrigen Kurs erhältlich. Dabei ist der Tipo gut gelungen. Ein gutes Auto. Sicher nichts, was uns schlaflose Nächte einbrockt, aber ein bequemes Auto mit solider Verarbeitung (erster Eindruck), guter Ausstattung (zweiter Eindruck) und problemlosem Fahrverhalten. Manch einer will ja gar nicht mehr von seinem Auto …
Günstig soll er sein? Neu? Und FIAT klingt gut? Dann ist der TIPO in seinen drei Modellvarianten die richtige Neuwagenwahl.