Skoda Vorstand Bernhard Maier sprach von einem Gamechanger. Die Premiere des „großen“ Kompakt-SUV Kodiaq in Berlin war perfekt vorbereitet. Alles sollte einen Sinn ergeben. Hippe Videos, Live-Musik, Bären und die weite Welt auf der riesigen Leinwand im riesigen Event-Ort, dem Berliner Kraftwerk. Industrie-Habitat und Botschafter für die Faszination von „think big“. Dass man mit den Kodiak-Bären zudem die Natur einbinden konnte – ein genialer Marketing-Move. Überhaupt: „Kodiaq“, benannt nach dem Bären und der Insel vor der Küste Kanadas. Nur mit Q anstelle des zweiten K im Namen. Aber auch dafür gab es eine Erklärung und einen flotten Film. Selbst die Bürgermeisterin von Kodiak war vor Ort. Für den Schutz der Kodiak-Bären hat Skoda dann auch gleich einmal einen Spenden-Scheck ausgepackt. Ein Schauspiel der PR, fein abgestimmt und stimmig in sich. Doch was ist der „Gamechanger“, von dem der Vorstand sprach? Ein weiteres SUV? Oder das erste SUV der Tschechen?
Kann 2017, wenn der Kodiaq zu den Händlern kommt, ein SUV noch etwas Besonderes sein? Wohl kaum. Dann ist der Kodiaq ein Elektro-SUV? Oder wenigstens ein Plug-in Hybrid? Nein. Nichts davon. Der Kodiaq ist einfach nur ein SUV. Drei Benziner, zwei Diesel und selbst fahren kann er auch nicht. Wenn der Vorstand vom „Gamechanger“ spricht, dann muss er wohl eher die Absatzzahlen im Blick haben.
Der Abend der Weltpremiere in Berlin stand unter der Headline: Discover new grounds. Auch das muss man eher metaphorisch verstehen. Damit sind nicht die Offroad-Talente gemeint, nicht die SUV-Gene, auch nicht der Besuch auf der kurzerhand in „KodiaQ“ umgetauften Insel Kodiak, es sind die neuen Absatzmärkte, die sich mit diesem SUV erschließen lassen sollen. Auf geht es in fremde Gefilde. Neue Märkte und eventuell auch der Eintritt auf den US-Markt? Dort wäre man mit Fabia & Co verloren, ein Superb und ein Kodiaq könnten in den USA jedoch einen starken Start hinlegen.
Was also macht den Kodiaq aus? – Die Weltpremiere im Rückblick
Auch wenn der Kodiaq erst einmal vor allem ein typisches SUV ist, so bringt er doch einige Details mit, die für Skoda an sich neu sind. Wie es typisch ist für den tschechischen Automobilbauer, macht er aus den gebotenen Möglichkeiten das Maximale. Der Kodiaq basiert auf dem MQ-Baukasten des VW-Konzerns und ist somit ein enger Verwandter von Volkswagen Tiguan und Seat Ateca. Das zeigt die Marschrichtung. Denn auch wenn der Kodiaq größer ist als der Tiguan, er hält einen konstruktiven Respektabstand zum Touareg. Dass der Kodiaq ein „Kompakt-SUV“ ist, lässt sich bei gut 4.7 Meter Länge kaum noch einsortieren. Aber so läuft das bei den Tschechen. Dort gab es schon immer etwas mehr Auto für das Geld. Da sich der Kodiaq der „Kompakt-SUV-Klasse“ anheim fühlt, sind seine 720 bis 2.065 Liter Kofferraumvolumen von nun auch der Maßstab in der Klasse.
Auch die serienmässig weit verschiebbare Rückbank ergibt einen Sinn. Mehr Platz im Kofferraum, oder maximale Beinfreiheit für die Reihe zwei? Gegen Aufpreis lassen sich 2 weitere Sitzplätze im Kofferraum aus dem Boden falten.
Der Kodiaq erhält auch als erster Skoda überhaupt das neue verstärkte 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe. Jetzt sind Motoren bis 600 Nm mit dem 7-Gang DSG verwendbar. Bei den Motoren muss man sich erst einmal in Geduld üben. Wer den großen 240 PS TDI sucht, der sucht vergebens. Hier wird man einen zeitlichen Respektabstand zur Konzernmutter einhalten. Und so spannt sich die Palette bei den Benzinern von 125 über 150 bis 180 PS und bei den Dieseln kann man zwischen 150 und 190 PS wählen.
Die Kombination aus „starkem“ Diesel, 4×4-Antrieb und DSG erlaubt dann auch den Einsatz als Zugfahrzeug mit bis zu 2.5 Tonnen Anhängelast. Doch ein nicht unerheblicher Anteil der Kodiaq-Käufer wird sich mit weniger zufrieden geben. Der 125 und der 150 PS Benziner sind als reine Frontantriebsvarianten erhältlich, ebenso der 150 PS Diesel. Der 4×4-Kodiaq wird über rund 20 Zentimeter Bodenfreiheit verfügen. Nicht spektakulär, aber ausreichend, um sich auch mal abseits der Trampelpfade zu bewegen.
Neu ist auch die Chance zum virtuellen Rundumblick. Areal View nennt Skoda die Kombination aus vier Außenkameras und einer virtuellen 360°-Umsicht im Monitor des 8-Zoll Multimediasystems. Überhaupt hat Skoda bei den Sicherheits- und Assistenzsystemen aufgerüstet. Der Tow-Assist lenkt den Kodiaq mit Anhänger rückwärts, die Einparkhilfe bremst nun auch bei der rückwärtigen Fahrt und der Sparhalte-Assistent ermöglicht einen „Traffic-Jam Assist“, der bis Tempo 65 die nervige Fahrt im Stau erleichtert. Allerdings nur in Kombination mit dem DSG und dem adaptiven Tempomaten. Driver Alert überwacht zudem den Fahrer auf Müdigkeitserscheinungen und mahnt wenn notwendig zur Pause. Neu auch die Option des Emergency Assist, der im Falle eines Fahrer-Notfalls den Kodiaq selbstständig in der Spur hält und bis zum Stillstand abbremst. Insgesamt hat sich Skoda großzügig an den Sicherheits- und Assistenzsystemen der gehobenen Mittel- und Oberklasse bedient. Und natürlich befindet sich der Eiskratzer im Tankdeckel. Simply clever nennt es Skoda, einfach praktisch sagen wir. Mittlerweile hat Skoda rund 30 solcher „simply clever“ Lösungen. Der Kodiaq ist zum Beispiel der erste Skoda, der nun auch einen ausklappbaren Türkantenschutz besitzt. Eine schmale Plastikschiene, die beim Öffnen der Türen ausklappt und so vor Parkschäden schützt.
Dass man für die zweite Reihe kleine ausklappbare Tische bekommt, eine Möglichkeit, um Tablets an den Vordersitzen zu befestigen oder auch die kleine herausnehmbare Taschenlampe, die ansonsten als Kofferraumbeleuchtung dient. Dazu der Regenschirm in der Türverkleidung. Es sind genau diese Kleinigkeiten, die man zu schätzen lernt.
Offizielle Preise hat Skoda noch nicht verkündet, aber wir rechnen mit 24.900 € für den Einstieg und gute 39.800 € für die Top-Varianten mit großen Diesel, DSG und Allrad. Nein, der Kodiaq erfindet das Thema SUV nicht neu. Er bietet auch keine Antworten auf Fragen die noch nicht gestellt wurden – er ist, einfach nur, mal wieder, ein wenig mehr SUV als dies andere Marken in seiner Klasse anbieten können. Ein Gamechanger? Nein, nur ein Garant für Verkaufserfolge und das war bei Skoda ja bereits bislang Teil des Spiels …
Ach ja, da war noch was: Die Plug-in Hybridtechnik und E-Mobilität sollen greifbar nah sein bei Skoda, immerhin eine Botschaft, die wirklich neu war.