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ToggleDer DS9 ist ein neues Modell, wird aber nicht nur deshalb in Deutschland ein eher seltener Anblick bleiben. Die in China gebaute Limousine hat zwar ihre Vorzüge, aber hierzulande setzt man in der Business-Class andere Prioritäten.
Menschen stellen sich heute vor allem in den sozialen Medien gerne als unverwechselbare, mindestens ganz besondere Individuen dar. Die Wirtschaft hat dies schon längst erkannt und versucht, ihren Produkten einen ähnlich einmaligen Anstrich zu geben. Was kurioserweise zur Folge hat, dass zum Beispiel die Autowerbung so verwechselbar wie vielleicht nie zuvor ist. Etwa, wenn hippe, junge und auf jeden Fall divers gemischte Kleingruppen in stylischen elektrischen Autos durch coole Innenstädte der Zukunft gleiten.
Man muss sich von den Schwestermarken unterscheiden…
Schwer ist es allerdings, wenn die Aufgabe gestellt wird, aus eigentlicher Massenware teurer zu verkaufende Edelvarianten herzustellen, wie es viele Autohersteller inzwischen mit ihren Submarken versuchen. Bei Stellantis nimmt DS diese Rolle ein und will dabei vergessen machen, dass man auch hier selbstverständlich auf die Baukästen und Antriebsstränge von PSA und damit weniger glamouröser Marken wie Peugeot oder Opel zurückgreift.
Wenn aber der Kern eines teuren Automobils letztlich komplett identisch mit günstigeren Produkten ist, bleibt nur, sich über Design, Komfort oder im besten Fall auch Verarbeitungsqualität von den bürgerlichen Schwestermarken abzuheben. Dem DS9 als Spitzenmodell der noch jungen Premium-Marke müsste dies der Logik nach noch am ehesten gelingen.
Auffälliges Erscheinungsbild
Die 4,93 Meter lange Limousine will mit den üblichen Insignien der Business-Class glänzen und hat sich dafür in eine klassische Stufenheck-Form gekleidet. Mit seinem für die Marke üblichen großen Kühlergrill im Diamant-Design fällt der Fünftürer allerdings gerade im Vergleich mit den seriöser – man könnte auch sagen langweiliger – auftretenden Wettbewerbern wie 5er BMW oder Audi A6 auf der Straße gleich auf. Zumal über die Motorhaube mittig eine Spange läuft, die erst kurz vor dem Kühlergrill mit einem farbigem Markenemblem endet.
Ehrlich: Für uns ein wenig zu viel des Blings, aber sicher nett für China, wo – psst – das Auto ja auch gebaut wird. Und wer vergessen haben sollte, dass der Namensgeber der Marke die unvergleichliche Citroen DS ist, den erinnern die beiden Positionsleuchten an der C-Säule an die einst 1955 debütierende „Göttin“. Eine Reminiszenz der netteren Art.
Sieht man von diesen Gestaltungsspielchen ab, kann der auf 19 Zoll Rädern stehende DS9 mit einer fast wie ein Fließheck in den Kofferraum mündenden Dachlinie eine gewisse Verwandtschaft zum etwas kürzeren, aber auf der gleichen EMP2-Plattform aufbauenden Konzernbruder 508 nicht verleugnen. Platz immerhin ist reichlich vorhanden vorne viel, hinten sehr viel (Stichwort: Chauffeurslimousine) und mit 510 Litern fällt auch der Kofferraum groß genug aus.
Ist der DS9 sinnvoll?
Problematischer ist allerdings die Bedienung, die den Neufahrer vor manches Rätsel stellt. Man kann zum Beispiel kaum verstehen, warum sich der DS9 die überflüssige Extravaganz erlaubt, die vier Fensterheber in die Mittelkonsole zu verfrachten. Klar, so hat auch der Beifahrer Zugriff auf alle vier Fenster, aber letztlich ist es Platzverschwendung und wenig ergonomisch. Oder musste man etwa sparen? Denn in der „nackten“ Fahrertür finden sich keinerlei Schalter, auch nicht für die elektrische Außenspiegelverstellung.
Sei´s drum, die Schalter in der Mittelkonsole, zu ihnen gehört zum Beispiel auch einer für die Zentralverriegelung, sind dort fehl am Platz und zudem, weil auf silber-edel getrimmt, sehr schlecht ablesbar. Kaum zu verzeihen ist zudem, dass man im DS9 noch nicht einmal gegen Aufpreis ein Head-up-Display erwerben kann. Schon häufig bei PSA-Produkten haben wir zudem den wenig berührungsempfindlichen Startknopf moniert, was wir auch hier tun müssen. Modern, aber konventionell geht es bei den Digitalinstrumenten zu. Wie bei vielen neuen Modellen blickt auch hier der Fahrer durchs Lenkrad auf ein 12,3 Zoll großes Kombiinstrument und mittig auf einen 12 Zoll großen Touchscreen.
Beim Antrieb haben wir uns für die Plug-in-Variante (E-Tense 225) entschieden. Sie leistet wie der reine Benziner 225 PS, holt diese aber nicht allein aus dem 1,6-Liter-Turbo. Der ist auch an Bord, begnügt sich hier aber mit 132 kW/180 PS, der E-Motor legt nochmal 81 kW/110 PS drauf. Addieren darf man hier die Leistungen allerdings nicht, als System schafft der PHV eben jene 165 kW/225 PS, die auch für den Benziner zu Buche stehen. Da herrscht Verwechselungsgefahr, die allerdings nur bis zum Motorstart anhält. Denn da bleibt es leise.
Denn der Plug-in hat ja einen E-Motor und eine Batterie an Bord, eine wie für diese Art Hybrid-Antrieb üblich eher kleine mit 11,9 kW/h. Damit soll der DS9 knapp 50 Kilometer rein elektrisch fahren, was er natürlich mitnichten tut. Vorsichtig gefahren schafft man 35, höchstens 40 Kilometer. Da heißt es fleißig nachladen, wenn man die Ökobilanz retten will.
Steuern sparen mit Dienstwagen
Oder geht es beim Kauf doch nur ums Geld, wie es Käufern dieser Art Autos häufig nachgesagt wird? Tatsächlich haben die Marketingstrategen die Limousine so kalkuliert, dass ihr Preis von 46.885 Euro (nach Abzug von 5.925 Euro Innovationsprämie) sogar noch knapp 700 Euro unter dem des reinen Benziners landet. Zudem winkt eine 0,5-Prozent-Besteuerung für den, der den DS9 als Dienstwagen nutzt. Aber wehe man lädt dann nicht regelmäßig den Akku voll. Wer sich nur auf den kleinen Benziner verlässt, wird wegen des hohen Fahrzeuggewichts mit Verbräuchen von über 8 Litern je 100 Kilometer bestraft.
Auf jeden Fall macht die schon aus anderen Modellen bekannte Antriebskombination ihre Sache gut, sogar besser als der Solo-Benziner, weil durch die E-Unterstützung gerade im unteren Drehzahlbereich mehr Drehmoment zur Verfügung steht. Der Wermutstropfen: Um Platz zu schaffen fällt der Tank 18 Liter kleiner aus als beim Verbrenner-Modell. Und 42 Liter sind für eine solche Limousine klar zu wenig.
Komfort hat seinen Preis
Zufrieden stellen die Fahrleistungen, in 8,7 Sekunden fährt der DS9 auf Tempo 100, bis zu 240 km/h sind möglich, machen aber in einem solchen Auto nicht viel Spaß. Der China-Franzose ist ein Gleiter, zudem sehr komfortabel abgestimmt und hat nur mit kurzen Querrillen leichte Probleme. In der Version Rivoli (+ 2.750 Euro) ist auch das kameragesteuerte aktive Federungssystem (Active Scan) enthalten, das Fahrbahnunebenheiten schon im Vorfeld erkennt und die Stoßdämpfer entsprechend voreinstellt. Das erinnert dann schon stark an den für damalige Verhältnisse überragenden Federungskomfort einer DS. In der Basisversion Performance Line kostet das System 1.100 Euro Aufpreis.
Hier also wird der DS9 den Erwartungen gerecht, an anderer Stelle weniger. Aber vielleicht darf man das Modell auch nicht immer mit seinen teutonischen Rivalen vergleichen. Die Limousine will eigene Akzente setzen und es bedarf keiner großen prophetischen Kunst, um ihr einen schweren Stand in Deutschland vorherzusagen. In Frankreich dagegen, dürfte sie als das klassenhöchste inländische Luxusmodell ihren Absatz finden.
Technische Daten
Fünftürige, fünfsitzige Limousine der oberen Mittelklasse; Länge: 4,93 Meter, Breite: 1,93 Meter (mit Außenspiegeln: 2,08 Meter), Höhe: 1,46 Meter, Radstand: 2,90 Meter, Kofferraumvolumen: 510 Liter
1,6-Liter-Turbobenziner (132 kW/180 PS) + Elektromotor (81 kW/110 PS) = Systemleistung 165 kW/225 PS, Batteriekapazität: 11,9 kWh, elektrische Reichweite: 48 Kilometer, maximales Drehmoment: 300 Nm bei 3.000 U/min, Achtgang-Automatik, Frontantrieb, 0-100 km/h: 8,7 s, Vmax: 240 km/h, Normverbrauch: 1,6 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 34 g/km (WLTP), Effizienzklasse: A+, Abgasnorm: Euro 6d, Preis: ab 52.810 Euro – 5.925 Euro Innovationsprämie = 46.885 Euro
Kurzcharakteristik
Warum: eine Alternative zur deutschen Dominanz; komfortabel und gut ausgestattet; dank Innovationsprämie im Vergleich günstiger als der gleichstarke Benziner
Warum nicht: zu kurze elektrische Realreichweite; deutliche Bedienschwächen; kein Head-up-Display verfügbar
Was sonst: die Spitzenversion des DS9 mit zwei E-Motoren, Allrad und 360 PS für schlappe 64.250 Euro