Vor ein paar Tagen habe ich in der Huffington Post einen Artikel von Benjamin Prüfer gelesen. Er hatte 5 Thesen zum Automobilmarkt der „Zukunft“ aufgestellt. Und er hat sich vom „Statussymbol Auto“ verabschiedet!
Fünf Thesen zum Automobilmarkt der Zukunft
Tschüss Statussymbol?
Erst wollte ich schreiben: Alles Bullshit-Bingo. Alles nur Panik. Das übliche Listen-Posting, über das man auf Medien wie der HuffPo einfach ständig stolpert. Die 10 tollsten Titten der Welt. Die 10 besten Burger-Bestecke der Welt. Die 5 geilsten Jojo-Tricks der bartlosen Hippster. Die 10 besten Wählscheiben-Sounds der Vergangenheit. Aber dann fiel mir ein Denkfehler in meinen angedachten Rant auf:
„Benjamin spricht über die Zukunft – aber er sagt nicht, über welche!“
Morgen? In drei Jahren? In fünf? Fünfzehn? Fünfhundert?
Benjamin macht es sich in seinem Artikel sehr leicht. Am Ende steht nicht nur „mit Material der DPA“, auch im Artikel selbst bezieht er sich so gut wie nur auf Aussagen anderer. Auf Studien, auf Befragungen, auf vorgefasstes Material. Die eigenen Gedanken zum Automobilmarkt der Zukunft scheinen begrenzt – dennoch (oder deshalb?) – will ich seine fünf Punkte zum Anlass nehmen und meine eigenen Gedanken hierzu verbloggen.
1.) Selbstfahrende Autos werden sich durchsetzen
Völlig richtig. Wenn auch seine These: „Bis 2025 könnten 25% aller Neuwagen alleine fahren“, nur wenig konkret erscheint. In 10 Jahren? Ganz sicher werden wir in 10 Jahren einen Markt haben, der „selbstfahrende“ Autos anbietet. Mercedes-Benz arbeitet mit Hochdruck an diesem Thema und wenn in Detroit im Januar 2016 die neue E-Klasse vorgestellt wird, dann werden wir in diesem Fahrzeug bereits die ersten „teilautonomen“ Assistenten erfahren können. Die Zukunft ist schneller akut, als wir uns das Stand heute vorstellen können.
Dabei dürfen wir nicht vergessen: Die Techniken zum autonomen Fahren kommen nicht von den Automobil-Herstellern, sie kommen von den Zulieferern. Automobil-Hersteller sind nur diejenigen, die der Technik eine schicke Hülle verpassen.
Das autonome Automobil ist keine „Frage der Zukunft“ – das autonome Mobil ist bereits heute faktisch machbar. Es ist der „Markt“, der es akzeptieren muss.
2.) Apple und Google drängen in den Automarkt
Ich glaube eher an eine Zulieferer-Rolle von Apple und ganz sicher bei Google. Einen guten Grund liefert der Autor im übrigen in „These 4“ und verdreht dabei Ursache und Wirkung. Apple und Google werden „Machbarkeits-Studien“ zur „mobilen Autonomie“ liefern. Beide Hersteller sehen das Automobil als „Werkzeug“ an, nicht als Produkt.
Wie der Autor in These 4 anmerkt, sind sowohl Google als auch Apple mit Produkten vertraut, die eine gänzlich andere Marge versprechen. Beide Unternehmen sind in erster Linie Software-Produzenten, Hardware überlassen beide anderen. Daran wird sich auch beim Mobilitäts-Thema eher nichts ändern.
Die These müsste daher lauten: Apple und Google wollen Software für die Mobilität der Zukunft anbieten.
3.) Autos werden zu Smartphones auf Rädern
Autos werden nicht zu smartphones. Autos werden Mobilität mit sozialer Interaktion im virtuellen Raum verknüpfen. Sie werden Arbeitsplätze und „second home“ werden. Im F015 hat Mercedes-Benz eine sehr prägnante Vision vom „Automobil der Zukunft“ präsentiert. Allerdings sollte man in dieser „Vorhersage“, bei dieser These, auch mal die Eier haben und sich auf einen Zeitraum festlegen. Bis wir uns dem „autonomen Fahren“ vollständig hingeben und Konzepte im Innenraum akzeptieren, wie diese zum Beispiel im F015 gezeigt werden, vergehen locker 25 weitere Jahre. Es wird eine ganze Generation überdauern, bis aus smartphone-Usern smart-mobile User werden.
Und hier sehe ich auch den Markt der Zukunft für Apple und Google. Über alle „smart devices“ hinweg wird man Nutzern Angebote machen wollen. Google wie auch Apple suchen den Weg in das Automobil, weil dieses bislang das letzte Refugium für Offliner ist.
Die Automobil-Industrie zeigt derweil eine massive Unfähigkeit, die eigenen Entwicklungszyklen derart zu beschleunigen, dass man das „smarte automobil“ auch ohne die beiden Silicon Valley-Größen umsetzen kann. Eine Kooperation wird daher unausweichlich werden.
4.) Die traditionellen Autohersteller werden zu Zulieferern der Software-Unternehmen.
Der Satz ergibt alleine unter der Betrachtung der Strukturen in der Automobil-Industrie schon keinen Sinn. Die „autonome Zukunft auf Rädern“ , die derzeit – wohl vermutlich – sowohl bei Apple als auch bei Google untersucht und realisiert wird, kommt nicht ohne die klassischen Zulieferer der Automobil-Industrie aus.
In seiner These widerlegt der Autor seine Vermutung jedoch gleich wieder. Automobil-Hersteller wie Mercedes-Benz oder BMW besitzen einen enormen Vorsprung bei der Entwicklung von Automobilen. Und sie verfügen über die Produktionsstätten. Anders als bei „Mobil-Telefonen“ lässt sich diese Infrastruktur nicht „mal so eben“ errichten. Und auch für „Bargeld-Giganten“ wie Google und Apple stellt eine solche Infrastruktur eine Investitionsgröße dar, die man sich mehrfach überlegen wird.
Die „traditionelle Autohersteller“ werden die Kooperationen suchen. Man wird sich für Software- und eventuell Mobilitäts-Lösungen (Infrastruktur auf Basis von Userdaten) verständigen. Das Auto der Zukunft wird auch in – und jetzt lege ich mich fest – 50 Jahren kein Logo von Apple oder Google tragen. Es werden Global-Player vom Schlage GM, Ford, Toyota, Mercedes-Benz oder Volkswagen sein.
5. Autos werden keine Statussymbole, sondern reine Fortbewegungsmittel sein
Vermutlich. Ja. So in 100 Jahren. Oder mehr. Doch bis dahin ist es Generationen von Autofahrern durchaus immer noch wichtig, welches Auto man fährt. In seiner These verweist der Autor des Artikels auf der HuffPo nur auf weitere Studien. Eigene Gedanken, wie man diese in einer These vertreten sollte, findet man leider auch bei diesem durchaus kontrovers zu diskutierenden Punkt nicht.
Seit bald 5 Jahren geistert diese „Studie“ von den „jungen Menschen, denen das smartphone wichtiger ist als das eigene Auto“ durch die Medien. Und immer wieder wird vergessen, dass wir nicht der Nabel der Welt sind. In Wachstums-Märkten wie China besitzt das Auto einen extrem hohen Stellenwert als Statussymbol.
Selbst in US-Großstädten ist die Frage nach der Mobilität ungebrochen. Denn neben den Mega-Citys sind es „Urbane-Flächen“, in denen „gependelt“ werden muss. Und da bleibt die individuelle Mobilität auch ein „Stil-Faktor“. Was denkt der Nachbar? Was meine Arbeitskollegen? Der Status des eigenen Autos ist noch lange nicht in Gefahr.
Am Ende bleibt die Frage offen. Über welche Zukunft spricht der Autor? Denn wenn er das „ganz große Bild“ sieht, ja – dann – aber auch nur dann, sind einige der Thesen vermutlich stimmig. Bezieht sich der Kollege auf die Zukunft in 150 Jahren? Dann ist mein Rant vergebens – denn dann erinnert sich a) niemand mehr an seine Thesen und b) wäre mein Rant nicht sinnig.
Warten wir es ab …