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TogglePremiere für BMW. Mit dem i4 bringen die Bayern ihr erstes rein elektrisches Auto, bei dem das Erbgut der Marke in die neue Zeit gerettet wird.
In der DNA steckt alles, was uns Menschen ausmacht. Jeder ist einzigartig und doch einer Familie zuzuordnen. Auch bei Schöpfern von Automobilen spielt die DNA eine entscheidende Rolle. Wie gebe ich das Erbgut an die nächste Modell-Generation weiter, sodass dies einwandfrei als Kind der Marke zu identifizieren ist? Eine Frage, die auf dem Weg in die Elektromobilität an Brisanz noch gewinnt. Denn vielmehr als bei den Verbrennern, sind E-Antriebe meist frei von einem eigenen, charaktergebenden Wesen.
Elektrischer Fahrspaß
Wie also baut man emissionsfreie Fahrfreude? BMWs Antwort heißt i4. Es ist BMWs erstes E-Auto, bei dem sich alles um die Freude am Fahren dreht. Die Münchner sagen: Die Elektromobilität erreicht mit dem i4 den Kern der Marke. Aus dem Marketingdeutsch übersetzt: Der i4 muss Motorheads überzeugen. Denn eines weiß BMW auch: es gibt keine Hintertür mehr raus aus der Elektromobilität.
Ab November werden zwei i4-Varianten ans Stromnetz gehen: der BMW i4 eDrive40 mit 250 kW/340 PS, Hinterradantrieb und 590 Kilometer Reichweite (nach WLTP) und das von uns gefahrene erste vollelektrische Performance M-Modell, der BMW i4 M50 mit 400 kW/544 PS, serienmäßigem Allradantrieb und Hinterachs-Luftfederung. Versprochene Reichweite 521 Kilometer. Der Normverbrauch (WLTP) liegt bei 18 bis 22,5 kWh.
4er Gran Coupé als Vorbild für den i4
Die Karosserie des 4,78 Meter langen i4 hat nur rund 30 Prozent Gleichteile zum Dreier, ist dem 4er Grand Coupé technisch viel näher. Die Spur vorne fällt um 2,6 Zentimeter breiter aus als beim Dreier, hinten sind es 1,2. Die Türen sind mit dem 4er Gran Coupé identisch, auch Sitze und Lenkrad sind gleich. Sonst ist fast alles neu: Lenksäule, Bremsbaukasten, die Achsen vorne und hinten. Neuartige Torsionsstreben und ein fest mit dem Batterie-Gehäuse verbundener Vorderachsträger sollen eine möglichst steife Karosseriestruktur garantieren.
Für einen besseren Cw-Wert (0,24) und noch bessere Performance, liegt der Fahrzeugschwerpunkt um bis zu 5,3 Zentimeter tiefer als bei der Dreier-Limousine. Das bringt laut BMW 80 Kilometer mehr Reichweite. Möglich macht das auch die extrem flache Bauweise der Batterie, die eine Zellenhöhe von nur 11 Zentimetern hat. Spezielle Alu-Räder mit Plastikeinlagen sind zudem 15 Prozent leichter, bringt nochmal 15 Kilometer mehr.
BMW setzte viel daran, dass der i4 ein eigenständiges Auto wird. Dafür sorgt schon mal das E-Power-Werk im Kellergeschoss. Die Architektur des Baukastens ist flexibel und modular aufgebaut. Technisch ist der E-Antrieb weitgehend mit dem des neuen iX identisch. Bei der BMW eDrive Technologie der fünften Generation sitzen Elektromotor, Leistungselektronik und Getriebe in einem gemeinsamen Gehäuse, was zu einer besonders hohen Leistungsdichte und einem hohen Wirkungsgrad führen soll.
795 Newtonmeter!
Der Hochvolt-Akku des i4 xDrive 50 hat eine Leistung von 83,9 kWh (brutto). Beim 544 PS starken Performance-M-Modell kommt vorne und hinten je ein Elektromotor zum Einsatz. Das maximale Systemdrehmoment gibt BMW mit beeindruckenden 795 Newtonmeter an. Technisches Leckerli: Das magnetische Feld der Synchronmotoren wird elektrisch erzeugt. Dadurch brauchen sie keine Permanentmagneten. Den Kraftfluss zwischen den beiden E-Maschinen übernimmt eine intelligente Regelelektronik.
Die sogenannte „Aktornahe Radschlupfbegrenzung” optimiert dabei die Traktion in dynamischen Situationen, von vorne nach hinten wird die Leistung in hundertstel Millisekunden verschickt. Eine Segelfunktion kann den Antrieb auf freier Strecke komplett entkoppeln und so zusätzlich Energie sparen.
Hinterm Steuer des i4 sieht vieles normal aus. Super Sportsitze, in denen man tief verwurzelt im Auto sitzt. Das iDrive mit seinem Controller in der Mittelkonsole ist viel besser ablesbar als beim überdesignten iX. Von dem übernimmt der i4 das große, stylische Curved-Touch-Display und das neue Bediensystem – das einen entweder fasziniert oder irre macht. Es ist lernfähig und die meisten Funktionen lassen sich auch per Sprachbefehl aufrufen. Doch wer nicht ständig bis spät in die Nacht am PC daddelt, bekommt nur schwer die Kurve.
Ein Mega-Angebot an Funktionen, Menüs und Untermenüs von Untermenüs fordern reichlich Aufmerksamkeit und ein gutes Gedächtnis. Wo war das nochmal….? Ein System, das spielwütige Chinesen und Nerds im Silicon-Valley lieben werden. Überlebende der Musikkassetten-Generation müssen sich da mühsam rein arbeiten.
Keine Grenzen
Natürlich kann sich auch jeder über das Menü seinen M so konfigurieren, wie er es mag. Härter, weicher, die Lenkung straffer und direkter, das Ansprechverhalten aggressiver. Alles geht. Überhaupt ist der in München gebaute i4 mit allen digitalen Wassern gewaschen. Das System lässt sich Over-The-Air updaten und kann Daten per Mobilstandard 5 G übertragen. Rund 40 fleißige Assistenten kümmern sich um Komfort und Sicherheit, eine adaptive Rekuperation nutzt Navigationsdaten für eine intelligente, vorausschauende Rückgewinnung der Energie.
Auf die Ohren gibt es auf Wunsch ebenfalls eine digitale Dosis aus der Retorte. Sechszylinder-Brabbeln war gestern. Heute wird jeder Tritt aufs Gaspedal mit einem künstlich erzeugten Klangteppich unterlegt. Komponiert von Oskarpreisträger und Filmmusik-Gott Hans Zimmer. Wird der IconicSound aktiviert, klingt der i4 beim Beschleunigen wie Raumschiff Enterprise, wenn Scotty im Maschinenraum den Warp-Reaktor zündet.
Der Effekt ist übrigens ganz ähnlich. Pedal to the metall – und es folgt aus dem Nichts eine Explosion Marke Kernschmelze. Weil die Elektronik alles im Griff hat, und praktisch keine Traktionsverluste zulässt, schießt der i4 nach vorne wie eine Kugel aus dem Revolver. Wer den Katapultstart per Launch-Control wagt, sollte einen gesunden Magen haben. Unterwegs empfiehlt es sich für Freunde der Achterbahn den Sport-Boost zu aktivieren. Der bündelt für rund zehn Sekunden alle Kräfte und beschleunigt den i4 nochmal mit einer Vehemenz und Leichtigkeit, als wären physikalische Gesetze nur eine freundliche Empfehlung. Die Höchstgeschwindigkeit von 225 km/h erreicht der i4 in wenigen Wimperschlägen. Erst dann wirft die Elektronik den Anker und man läuft gegen eine imaginäre Faust.
M-Power in der neuen Generation
Wer mit dieser Mega-Power auf der Landstraße überholt, sollte beide Hände fest am Lenker haben und immer schön lächeln. Die Fotos vom Amt sehen dann einfach freundlicher aus. Dieses M-Gerät hat Kraft bis zum Abwinken und bringt sie auch extrem souverän auf die Straße. Das für einen Sportwagen nicht gerade schmeichelhafte Übergewicht (2.050 Kilogramm) kaschieren die Regelsysteme bis zur Unkenntlichkeit, wie ein weites Oberhemd die Wohlstandsplautze. Die Fahrdynamik bis in den Grenzbereich ist überragend, wenngleich nicht mehr so hautnah wie früher, bei den rein mechanischen M-Modellen. Und trotzdem schafften es die Ingenieure, das typische BMW-Gefühl zu transplantieren. Operation gelungen.
Die Emotionen per Kabelanschluss kosten mindestens 69.900 Euro. Gerne auch deutlich mehr. Denn eines ändert sich in der schönen neuen Steckerwelt leider nicht: die Aufpreisliste ist weiterhin vollgeladen.
Technische Daten
Fünftürige Limousine mit elektrischem Allradantrieb; Länge: 4,78, Breite: 1,85 Meter, Höhe: 1,45 Meter, Radstand: 2,86 Meter, Kofferraumvolumen: 470 – 1.290 Liter
Antrieb mit zwei Elektromotoren, Systemleistung 400 kW/544 PS, Systemdrehmoment 795 Nm, Eingang-Automatikgetriebe, Batterie 83,9 kWh (brutto). 0-100 km/h: 3,9 s, Vmax: 225 km/h (elektronisch limitiert), Stromverbrauch: 18,0 – 22,5 kWh/100 km (WLTP kombiniert), max. Reichweite 416 – 521 km (WLTP), Preis ab: 69.900 Euro
Kurzcharakteristik
Warum: weil der i4 beschleunigt, als wäre der Teufel hinter ihm her
Warum nicht: weil doch das hautnahe M-Feeling fehlt
Was sonst: Tesla Model 3, Polestar 2, Audi e-tron GT, Porsche Taycan
Wann kommt er: ab November