Detroit 2014 – Alles wird gut.

Eine Kolumne von Peter Schwerdtmann:

[dropcap] N [/dropcap] ehmen wir es doch mal als symbolisch: Cadillac, die Luxus-Marke von General-Motors (GM) bekommt ein neues Logo. Die auf dem alten Markenzeichen beruhende flachere, stromlinienförmige Wappenversion soll ab Mitte des Jahres alle Cadillac-Modelle von der schnöden automobilen Umwelt abheben. Und bei der North American International Auto Show (bis 26. Januar) versucht das Unternehmen seit Tagen, die Fassade des gegenüberliegenden Hotels mit dem neuen Logo formatfüllend zu verhängen. Vergeblich.

Man muss ja nicht gleich Böses dabei denken und etwas anderes als eine Panne vermuten. Dennoch nehmen es hier viele der anwesenden Europäer mit leisem Spott zur Kenntnis, zumal Mutter GM seit einiger Zeit mit lautem Selbstbewusstsein auftritt. Die Tage, in denen die Zukunft des Unternehmens und damit auch die von Messe und der Stadt Detroit auf dem Spiel standen, sind längst vergessen – weil mit Unmengen von Steuerzahlergeld gerettet. To big to fail.

Und ein bisschen erinnert das Verhalten des Unternehmens an das der Banken: alles vergessen. Aber vergessen wir das. Vergleichen wir das Schicksal von GM auch nicht mit dem von Chrysler, die in diesen Tagen zur Fiat-Tochter werden, oder mit Ford, die sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen haben. Doch wirkt die Lehre aus den Vorgängen um GM wie ein Auszug aus dem Lehrbuch der Marktwirtschaftler. Wer zu groß ist, um kaputtzugehen ist oft auch zu groß, um zu lernen.

Den Willen zum Lernen darf man aber auch GM unterstellen. Für viele Experten erweist sich die Entscheidung, sich in Europa auf Opel zu konzentrieren und den Standort Europa gerade auch bei Forschung und Entwicklung zu stärken, als unverzichtbare Strategie. Denn wo sollen die pfiffigen oder luxuriösen oder die weltweit vermarktbaren Kleinen und Kompakten denn anders herkommen als aus Europa?

Ford hat diese Entscheidung längst vollzogen. Bei denen sind die Kompakten mit europäischen Genen in der Zwischenzeit so stark vertreten, dass sich das Top-Management gern mit Modellen wie dem Focus zeigt, ohne auf deren Entstehung in Europa hinzuweisen. So hat die Globalisierung für die Entwickler von Fahrzeugen auch Nachteile: Ein Weltauto hat immer nur den CEO als „Vater“.

Über den Weg von Chrysler kann man heute nur spekulieren und hoffen, dass der alte Auto-Fuchs Sergio Marchionne weiß, wohin der führen kann. Im Moment haben nicht nur die Chrysler-Arbeiter den Eindruck, Fiat nehme den US-Hersteller aus. 4,4 Milliarden US-Dollar für 41 Prozent der Chrysler-Anteile wollen auch erst einmal finanziert werden von einem Konzern, der auf der amerikanischen Seite auf nicht gerade taufrischen Modellen basiert und auf der europäischen Seite mit nur wenigen Modellen gegen die Absatzkrise anarbeitet.

Immerhin: Die Stadt Detroit erblüht ganz vorsichtig wieder – trotz des Insolvenzverfahrens. Überall engagieren sich privaten Investoren, räumen andere die Trümmer der Vergangenheit beiseite, in der Hoffnung, damit neues Bauland geschaffen zu haben. Man sieht wieder Fußgänger auf der Straße, sogar European Americans – oder wie umschreibt man hier die Weißen?

Die Europäer glänzen in Detroit wieder mit ihrem Messebau. Aber die amerikanischen Unternehmen ziehen nach. Der Ford-Stand ist nicht nur groß. Er macht auch den besten Eindruck unter den Amerikanern. Doch bei allen drei dominieren die Riesen optisch die Ausstellung. Muscle Cars, Trucks, Pick-ups und große SUV ziehen die Augen eben eher auf sich als Elektroversionen à la Hybrid, Batterie oder Brennstoffzelle. Aber sie sind vorhanden. Beim kalifornischen Elektro-Pionier Tesla beherrscht die Elektrizität selbstverständlich und selbstbewusst den kompletten Messeauftritt.

Bei den deutschen Herstellern fuhr Mercedes-Benz mit der neuen C-Klasse einen Klassensieg bei den Medien ein. Daselbe gilt für den Porsche 911 Targa. Auch BMW hat Detroit als Bühne für Weltpremieren gewählt, von denen die der 2er-Serie wohl die für das Unternehmen bedeutendste darstellte. Volkswagen hielt sich in diesem Jahr mit dem Dune eher zurück. Das wird sicher nicht das Modell werden, das den Verkauf in den USA ausreichend beflügelt.

Dennoch: Wie gut diese NAIAS anlief, wird deutlich mit dem Vergleich im Krisenjahr 2008/2009, als sich alle zurückhielten, besonders aber die Amerikaner, die nach ihrem grandiosen Fehlgriff des Auftritts der drei großen CEO vor dem Ausschuss des US-Senats ihre Unternehmen nur noch in Sack und Asche auftreten ließen. Damals standen die US-Modelle wie geparkt auf den Flächen, die die Unternehmen für ihre Stände gebucht hatten. Stände aber gab es nur rudimentär, Licht gar nicht, auch keine Personal, das man hätte ansprechen können.

Pessimismus war das beherrschende Gefühl. Und nur die Deutschen predigten hier Optimismus: Wir halten durch und investieren in unsere Technologien war damals die trotzige Botschaft von Matthias Wissmann, dem Präsidenten des Verband der Automobilindustrie. Was damals in Detroit wirkte wie das Pfeifen im dunklen Keller, zahlt sich heute aus. Wenn überhaupt, dann können die Japaner den deutschen Herstellern das Wasser reichen.

Optimismus ist dieses Jahr angesagt. Deswegen glauben wir fest, dass bis zum Ende der Messe das Riesenposter von Cadillac mit dem neuen Markenzeichen hängen wird. Alles wird gut.

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