Mercedes V-Klasse in China

China ist nicht nur der weltweit größte Markt für die Mercedes S-Klasse. Auch die V-Klasse steht bei Maos Enkeln hoch im Kurs. Denn auch wenn die Chinesen in Gruppen reisen, wollen sie auf einen gewissen Luxus nicht verzichten.

Bentley, Rolls-Royce, Maybach, dicke SUV von Porsche oder Lamborghini und die üblichen Flachmänner aus Italien oder England – wenn es Abend wird im Ausgehviertel Sanlitun, dann fährt die PS-Gesellschaft in Peking groß auf. Doch zwischen all den Prunklimousinen, Protzpanzern und Supersportwagen ragt überraschend oft ein Mercedes auf, den man auf dem Boulevard der Eitelkeiten eher selten erwartet hätte: Die Mercedes V-Klasse. Denn bei uns noch immer mit dem spröden Charme eines aufgehübschten Nutzfahrzeugs behaftet, ist der Raumkreuzer in China längst als Luxusauto akzeptiert und wird deshalb als geräumige Alternative zur S-Klasse gerne genommen – vor allem, wenn wie so oft ein paar Kollegen gemeinsam auf die Walz gehen und keiner danach mehr selbst fahren möchte.

Beliebter Geschäftswagen in China

Niemand weiß das besser als Adam, der einen eigenen Shuttle-Dienst betreibt, und bisweilen mehrere Dutzend Autos durch die Nacht schickt. „Immer öfter bleibt da die S-Klasse stehen und wir werden explizit nach der V-Klasse gefragt“, sagt der Dienstleister, „vor allem, wenn wir nicht für ausländische, sondern für lokale Kunden fahren.“ Kein Wunder, dass mehr als die Hälfte aller V-Klassen in China als Geschäftswagen im Einsatz sind, um Businesspartner, VIP-Gäste oder Führungskräfte zu chauffieren – was sich nicht zuletzt in den Modellbezeichnungen niederschlägt: „Pilot“, „Exclusive“ und „Luxury“ klingt schon ein bisschen anders als „Avantgarde“ oder „Edition“.

Das Faible für die V-Klasse kann man schnell verstehen, wenn man mit Männern wie Adam durch die Nacht fährt. Denn in einer Stadt, in der die Rushhour 24 Stunden dauert und es auch um Mitternacht oft nur im Schritttempo vorangeht, kann ein Auto für die Passagiere nicht komfortabel genug sein. „Und Platz ist da ein ganz wichtiges Argument“, sagt Adam, „erst recht, wenn man mit mehreren Leuten unterwegs ist.“ Natürlich sind die für China eigens gestreckte E-Klasse, die S-Klasse oder der Maybach für Einzelgäste oder Zweiergruppen unschlagbar. „Aber wenn Kollegen zusammen sind, dann wollen sie auch zusammen fahren und nicht den halben Abend alleine im Auto sitzen“, sagt Adam und lässt stolz den Blick über die Flotte seiner Sternkreuzer schweifen, die vor dem Noblen Opposite House auf ihre Passagiere warten.

Wichtige Kunden für Mercedes

Den gleichen Stolz sieht man auch auf dem Gesicht von Marcus Breitschwerdt, dem Leiter Mercedes-Benz Vans, wenn er aus dem Fernen Osten berichtet: „China ist für uns ein überaus wichtiger und stetig wachsender Markt und die V-Klasse ist hier eindeutig der wichtigste Wachstumstreiber für uns: Jede vierte V-Klasse weltweit fährt auf chinesischen Straßen.“

Kein Wunder also, dass Breitschwerdt seinen wichtigsten Kunden bereitwillig entgegenkommt: Das kann man wörtlich nehmen, nachdem die Schwaben die V-Klasse seit 2016 im Joint-Venture mit Fujian Benz Automotive im über 600.000 Quadratmeter großen Werk in Fuzhou produzieren. Und das gilt natürlich auch im übertragenen Sinne. Denn während die Europäer noch lange auf konventionellen Sesseln sitzen mussten, hatten sie in China schon Lounge-Chairs in den Fond geschraubt, die fast so viel Lehnenneigung und Fußablage bieten wie die Executive Seats aus der S-Klasse – das kuschelweiche Kissen auf der Kopfstütze inklusive. Und als sie vor ein paar Wochen auf der verspätete Motorshow in Peking ein Facelift für die V-Klasse enthüllt haben, dürften die Langnasen im fernen Westen ein wenig neidisch geworden sein. Denn während das aufgewertete Interieurdesign mit einer kunterbunten Ambientebeleuchtung und besonders viel Holz im Fond natürlich eine Frage der regionalen Vorlieben ist, weckt die serienmäßige Luftfederung durchaus ein wenig Missgunst. Während unsereins dafür tief in die Tasche greifen muss, bekommen die Chinesen dieses Extra gratis. Denn Komfort ist dort das A und O, heißt es aus der Zentrale in Peking, außerdem sitzen die wichtigsten Passagiere in der V-Klasse in China eben meistens hinten statt vorn. Und weil eine Leben ohne WeChat für die Chinesen schier unmöglich ist, versteht sich MBUX nicht nur mit Apple CarPlay und Android Auto, sondern integriert auch den omnipräsenten Messenger- und Bezahldienst in das erweiterte Infotainment-System – das ist ein Entgegenkommen, auf das andere Märkte lange warten können.

Auch Shuttle-Dienstleister Adam wird sicher bald auf die neue Generation wechseln und die Nachtschwärmer aus Sanlitun im Morgengrauen durch die Hauptstadt kutschieren. Für WeChat und die Musik auf dem QQ-Server dürfte sich dann allerdings kaum mehr jemand interessieren, sondern allein für das wolkenweiche Fahrwerk und die bequemen Sitze. Denn kaum losgefahren, sind die meisten Passagiere schon eingeschlafen.

 

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