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ToggleEinen Mercedes-Benz bewirbt man nicht mit Rabatten und Nachlässen. Nein. Dabei hat die Bundesregierung gerade eine Summe von 4.000 € vom durchaus schmerzlichen Preisschild der B-Klasse 250e abgezogen. Damit geworben wird nicht. Eventuell auch, weil man eh 50% der E-Mobilitätsförderung selbst tragen muss – und weil ein stolzer Preis ja auch von einer beeindruckenden Wertigkeit zeugen kann. Doch ist es wirklich richtig, dass die B-Klasse als „electric drive“ die teuerste B-Variante darstellt? Teurer als ein 211 PS starker B250 mit 4matic-System? Und fast 3.000 € teurer als die annähernd gleich starke Dieselvariante B220d? Wir finden es heraus.
electric reif
Test und Fahrbericht der Mercedes-Benz B-Klasse ED
B 250e und das B steht für Baby-Tesla? Ähm. Nein. Die B-Klasse ist zwar seit 2014 auf dem Markt und wurde mit der Hilfe von TESLA geboren – immerhin stammt der Antriebsstrang von TESLA – aber die B-Klasse steht für eine bekannte Fahrzeuggröße bei Mercedes-Benz. Mit dem kleinen „e“ im Namen wird aus dem Altherren-Taxi jedoch eine spannende Alternative für den Alltag.
Die Vorteile der B-Klasse – aufrecht sitzen, gute Kopffreiheit und eine Übersichtlichkeit, wie man sie heute kaum noch bekommt – bleiben auch mit der Elektrifizierung des Antriebsstranges erhalten. Dass der von TESLA stammende 132 kw starke E-Motor unter die vordere Haube passt, war eh klar. Aber auch die Batterien werden in der B-Klasse ordentlich untergebracht. Das 28 kWh-Batteriepaket kommt fast vollständig im doppelten Boden der B-Klasse unter. Das wirkt ganz so, als hätte da jemand richtig mitgedacht.
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Weil 132 kW mehr sind als 180 PS
Okay, natürlich sind 132 kW genau 179,52 PS – aber das Drehmoment eines Elektromotors ist eben einfach sofort da. Die Kraft, die man spürt, 340 Nm, stellt sich weder nach einer Turbo-Gedenksekunde ein, noch sind Drehzahl-Eskapaden notwendig. Und auch der richtige Gang muss nicht erst gesucht werden. 340 Nm sind immer da. Und geschaltet wird auch nicht. Die bis zu 9.900 Umdrehungen des E-Motors reichen aus, um bis Tempo 160 zu beschleunigen.
Um sich aus dem Stand auf Tempo 100 zu zoomen, sind 7.9 Sekunden notwendig. Allerdings zählt das im Alltag nichts. Denn mit dem E-Mobil wird man lockerer. Unverkrampft lässt es sich durch die Landschaft gleiten. Stop & Go-Verkehr wird zur Partyzone des E-Motors. Völlig frei von Zugkraftunterbrechungen geht es über Land und hier ist es vor allem der Sprintwert von 60 auf 100 km/h, also die klassische Disziplin des LKW Überholens, die so richtig beeindruckt. 60 auf 100 km/h, ohne die Gänge zu sortieren, auf Ladedruck zu warten oder Drehzahlleitern zu erklimmen, binnen 3.9 Sekunden abgehakt.
Über Landstraßen zu gleiten, ist neben dem Stop & Go in der Stadt die Königsdisziplin der B-Klasse ED. So um die 100 km/h das Frontrader nutzen, um frühzeitig zu rekuperieren, anstatt hinter einem voraus Fahrenden zu bremsen. Die elektrische B-Klasse nutzt den Radarsensor im Kühlergrill, um effizienter zu bremsen. Leider hat man bei Mercedes jedoch vergessen, diesen Sensor auch gleich für den Tempomaten zu nutzen, denn dieser kommt leider ohne jede adaptive Funktion. Merkwürdige Entscheidung.
Alt-Herren Gehhilfe oder Vorbote einer besseren Zeit?
Mehr Reichweite, auf Knopfdruck
Der elektrische Antrieb und das Lithium-Ionen Paket schlagen beim Leergewicht natürlich heftig ins Kontor. Mit 1.73 Tonnen ist die B-Klasse leicht als adipös zu bezeichnen. Auf der anderen Seite verleiht ihr dieses Gewicht, das zudem glücklicherweise tief unten sitzt und damit den Schwerpunkt senkt, eine gewisse Reife auf der Landstraße. Die B-Klasse wirkt nicht schwerfällig oder überladen, sondern gereift und erwachsen. Handlich ist etwas anderes, von Behäbigkeit jedoch keine Spur. Es ist eher das satte Fahrgefühl einer großen Limousine. Dass man dabei aufrecht im Innenraum Platz findet, die A-Säule einem nicht den Scheitel neu setzen will, das alles sind Zusatzpunkte des guten Fahrgefühls.
Und wie weit kommt man damit? Es ist die absolute Standardfrage. Und es ist immer noch ein K.o.-Kriterium für viele. Von bis zu 200 km spricht Mercedes-Benz, mit Range Plus noch einmal 30 Kilometer weiter. Die Reichweitenangabe basiert jedoch auf den – wie immer- üblichen Laborwerten und muss relativiert werden. Je nach Fahrmodi gibt der Bordcomputer eine Reichweite aus, die auf den zuvor erreichten Stromverbrauchswerten basiert. Da kann im S-Modus (volle Leistung, spontan und kraftvoller Antritt), trotz des vollen Akkus, der Wert von 128 km im Bordcomputer auftauchen. Wer auf E oder E+ stellt, überzeugt die Anzeige dann zu einem „um die 140 bis 155 km“. Allerdings ist das noch immer das größte Problem. 155 km? Selbst wenn die Reichweite ausreicht für den Alltag von 99% aller Autofahrer, man fährt mit einem E-Auto aktuell noch nicht mit einem guten Gefühl auf die 0 km Reichweite zu. Ein Sicherheitspolster von 20 km würde ich als normal betrachten. Bleiben 100 bis 130 km in der realen Welt.
Weiter mit RANGE PLUS
Gegen Aufpreis bietet Mercedes-Benz den „Range Plus“-Taster an. Wer diesen auf der Fahrt drückt, der vergrößert den Wirkungshub und das Ladefenster der Batterie und damit die Reichweite. Ein Plus von bis zu 30 km gibt Mercedes-Benz an. Zieht man die üblichen Prozente aus dem Normverbrauchsthema ab, dürften 20 km realistisch sein. Range Plus kostet Aufpreis und geht theoretisch zu Lasten des 28 kWh-Akkus. Da die 28 kWh jedoch nur die Nenn-Kapazität sind und der gesamte Akku eher im Bereich von rund 32-34 kWh liegen dürfte, arbeitet man bei Mercedes-Benz hier mit einem cleveren Lademanagement der Batterie. Die Technik an sich stammt von TESLA. Die Nutzung von RANGE PLUS nimmt keinen Einfluss auf die 8-Jahre Garantie, die man von Mercedes-Benz auf die Batterie gibt.
Mercedes.me
Ausgesperrt und schlecht informiert?
Digitalisierung ist das Schlagwort. Konnektivität spielt eine Hauptrolle. Auch bei Mercedes-Benz und deswegen gibt es Mercedes Me. Ein Portal, eine digitale Schnittstelle zwischen Nutzer und Auto, zu bedienen über das Web oder per App auf dem Smartphone. Der Test mit der ED-Version der B-Klasse zeigt jedoch die Mängel der aktuellen Mercedes Me-Generation. Mängel? Ja.
Wie voll ist eigentlich der Akku? Es ist die schlichtweg wichtigste Information, die man bei einem E-Fahrzeug benötigt. Wie voll ist der Akku? Eine App, die einem auf dem Smartphone den Ladezustand des Auto anzeigt, ist also mehr als sinnvoll. Die Digitalisierung des Automobils schreitet voran, Konnektivität zieht in die Autos ein – die B-Klasse ED verrät über die Mercedes-ME App jedoch nichts vom Ladestand der Batterien, über Restlade-Zeit oder mögliche Reichweiten. Merkwürdig.
Mach mal das Auto zu! „Das Fahrzeug ist nicht verschlossen.“ Wer seinen Mercedes verlässt und das Fahrzeug nicht verschließt, den erinnert Mercedes.Me per App. Soweit die App installiert und das Fahrzeug in der App hinterlegt ist. Praktische Funktion. Denn die App bietet zugleich an, das Fahrzeug nun Remote zu verschließen. Sehr praktisch. Bis zu dem Punkt, an dem sich das Fahrzeug nicht mehr entriegeln lässt. Der Schlüssel lag im Fahrzeug, das Fahrzeug per App verriegelt und dann – vor dem Auto stehend, ließ es sich nicht mehr entriegeln. So etwas passiert natürlich an einem Samstag, die Mercedes.Me-Hotline arbeitet samstags jedoch nicht. Der Mercedes-Pannendienst ist hilflos. Das Fahrzeug abschleppen, einen Ersatzwagen erhalten zu erhalten, lautete das Angebot.
Noch während ich auf den Abschlepper wartete, entriegelte sich das Fahrzeug wieder … Sachen gibt es. Merkwürdig allemal!
Elektrischer Fahrspaß und Laden mit Weile
Auch wenn die gesamte Akku-Technik, der E-Motor und die Steuerungseinheiten von TESLA kommen, so richtig „schnell Laden“ hat Mercedes-Benz der B-Klasse nicht gegönnt. Gerade mal 11 kW lassen sich nachfüttern, da dauert das Vollladen dann über 2.5 Stunden. Warum man sich bei Mercedes-Benz so entschieden hat? Wir wissen es nicht. Aber wie genial wäre es gewesen, hätte sich Mercedes-Benz auf eine Kooperation mit TESLA und deren Supercharger-Netz eingelassen. Die Reichweite wäre ein noch kleineres Thema gewesen. Die Ladezeiten herzhaft verkürzt. So bleibt einem, will man die maximalen Reichweiten erreichen und nicht frühzeitig durch die Akku-Reichweitenanzeige in Panik versetzt werden, nur das Reduzieren der Leistung. Im E-Modus bleiben 98 kW und im E+-Modus wird sogar auf 65 kW begrenzt. Alles mehr als ausreichend im Alltag – aber hey, wenn 180 PS da sind, dann will man die auch nutzen.
Wer sich eine 400 Volt (16A) Wallbox leistet, der lädt die B-Klasse ED also in rund 2.5 bis 3 Stunden vollständig auf. Wir haben das Fahrzeug an unserer mobilen Wallbox (22kW) aufgeladen – einen Vorteil hat das nicht. Das Aufladen an der normalen 230 Volt-Steckdose dauert gute 9 Stunden!
Effizienz-Messung
623 Tassen Kaffee kochen oder eine Runde auf unserer Verbrauchsmessstrecke fahren. Mit 8.9 kWh für 42 Kilometern zeigt sich: Einfach mal so billiger fahren als mit einem „kleinen“ Diesel kann man auch mit einem E-Auto nicht. Es sind schon zwei Schritte auf einmal notwendig. Selbst gezapfter Strom zum Nulltarif verändert jedoch die gesamte Rechnung. Wer sich für die Effizienz-Messung der B-Klasse ED und unsere Gedanken zum Energiewandel interessiert, der liest hier den ganzen Artikel.
Merkwürdige Zeiten
Es sind merkwürdige Zeiten. Zeiten, in denen man sich über manches wundert, sich vieles verändert. Für den Otto-Durchschnittsfahrer sind über 140 km elektrische Reichweite mehr als ausreichend. Gespräche mit B-Klasse Fahrern während des Tests haben gezeigt: Interessiert an der e-Mobilität sind sie alle, das tolle Raumgefühl der B-Klasse ist für die Käufer immer ein Hauptgrund gewesen – aber nicht einmal 200 km Reichweite in der Realität? Ein Grund, zum Diesel zu greifen. Fragt man nach den Jahresfahrleistungen, bekommt man 12.000 km genannt. Am Tag? Selten mehr als 60 km. Eigentlich ideale Bedingungen für die E-Mobilität. Nur die Sache mit der „Veränderung“, die ist vielen dann doch unangenehm. Merkwürdig, oder?
Premium-Elektromobilität
Basispreis: 39.151 € sind eine Ansage. Und wer sich die üblichen Verdächtigen auf der Aufpreisliste aussucht, also elektrische Sitze mit Memory, das Range Plus Paket, Sitzheizung, Surround-Soundsystem, das Comand-System, Parkpilot und Rückfahrkamera, Sidebags im Fond und Pre-Safe, Keyless-Go und das Mode 2 Kabel für die Wallbox sowie den Fernlicht-Assistenten und das Intelligent Light-System ordert – der hat am Ende 52.633,70 € auf der Preisliste stehen. Da sind die 4.000 € Förderung der Bundesregierung nur ein Milli-Amperchen auf der Starkstromleitung.
Fazit:
Die Zeit ist drive. Electric Drive.
Ja, E-Autos sind teuer. Und ein Premium-Fahrzeug ist immer noch ein wenig teurer. Die Zeit ist jedoch reif. Und auch wenn Mercedes-Benz nicht mit der Prämie wirbt, die 4.000 € (von denen 50% eh der Hersteller tragen muss) sind nur der Anfang für die Preis-Diskussion mit dem Händler. Wer sich für ein E-Auto interessiert, dessen Extravaganz sich auf dem Level von Hildegard Knef bewegt und nicht auf dem Niveau von Amy Winehouse, der landet entweder beim e-Golf oder bei der B-Klasse von Mercedes-Benz. Und das ist gar nicht merkwürdig.
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„E wie einfach“
Alternative zu: e-Golf, Nissan Leaf
Passt zu: Premium fahren, aber keine Emission emittieren.
Das überzeugt: Die Optik und das Raumgefühl
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Bewegtbild: Das Video von Jan zum B250e (ausfahrt.tv)
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[toggle title=“Motor und Getriebe“]
Mercedes-Benz |
B-Klasse ED 250e |
Motor | Flüssigkeitgekühlter E-Motor von TESLA |
Hubraum | entfällt |
Leistung | 132 kW |
Kraft | 340 Nm |
Getriebe | entfällt |
Antriebsachse | Vorderachse |
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[toggle title=“Abmessungen und Fahrleistungen“]
Länge, Breite, Höhe | 4.393, 1.786, 1.557 mm |
Radstand | nn mm |
Leergewicht | 1.726 kg |
Wendekreis | – |
Höchstgeschwindigkeit | 160 km/h |
Beschleunigung 0-100 km/h | 7,9 sec |
Durchzug 60-100km/h | 3,9 sec |
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[toggle title=“Verbrauchswerte“]
m-a-b Minimalrunde | 21.2 kWh / 100 km |
Normwerte nach NEFZ | 16,6 kWh / 100 km |
Test, Text und Fotos: Bjoern Habegger
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