Toyota GT86: Die Stimmungskanone

Wie im Fahrsimulator. Tür zu, Knopf drücken, Kupplung, Gang rein, Kupplung raus und los. Der GT86 ist ein Fahrgerät mit viel Gefühl. Dort, wo man bei doppelt und dreifach so teuren Autos die Hand über edles Leder, Holz oder gebürstetes Leichtmetall laufen lässt, hat der Sportwagen aus Japan Mitgefühl mit der Brieftasche. Mehr braucht der Mensch nicht. Leistung, Qualität, Design, Klarheit.

Der Vierzylinder ist kein schüchternes Maschinchen. Zwei Liter Hubraum mit 200 PS laufen sich da vorn warm, es schneit, es ist Rosenmontag und die Jecken sind auf Vollgas getrimmt. Im Fernseher schieben sich die Motivwagen durch Köln, man wirft Lebensmittel in die Menge, Frauen werden von Männern in bunten Uniformen in die Luft gewirbelt und wieder aufgefangen. Es herrschen Stimmung und gute Laune.

Hier oben bei Hamburg wird Schnee geschoben. Lebensmittel liegen im Regal und müssen gegen Geld eingetauscht werden. Frauen werden nicht geworfen; und wenn doch, dann ist das ein Fall für Männer in Uniform plus Dienstausweis. Es herrschen Stimmung, Laune und Ruhe.

Der Toyota schnüffelt am Boden, ich hätte besser das Bodykit und die Tieferlegung geordert, der Landkreis hätte mich dann als Schneeräumdienst engagiert. So werde ich den Heckantrieb noch besser erleben können. Ein leerer Parkplatz und eine geordnete Rutschpartie ist gesichert. Vorher raus aus Hamburg, die Metropolisten hier sind bei Regen und noch schlimmer bei Schnee ungenießbar. Man schleicht oder hetzt. Je nach Gusto. Zudem soll es in Richtung Ostsee noch einige Karnevalisten geben, die heute aktiv umherziehen. Und mit einem Kölner Kennzeichen sollte ich doch als Motivwagen-Fahrer ein gern gesehener Gast sein. Wie sagt man hier oben eigentlich? Hellau? Alaaf? Keine Ahnung.

Toyota-GT-86-Fahrbericht-cockpit1

Auf der A24 Richtung Berlin/Rostock ist wenig los. Später biegt man links ab auf die A1 Richtung Lübeck, dann kurz vor Lübeck auf die A20. Zeit genug, alle Gänge des GT86 werden ausgefahren. Die Winterreifen erlauben nur 210 km/h, das langt locker, zumal man auf 70 Prozent der Strecke eh nur 120 fahren darf. Wichtiger ist die Beschleunigung. Der Japaner ist kein Top-Speed-Spezialist, er ist ein „Der-Weg-ist-das-Ziel“-Wagen. Wobei man dann lieber die Landstraße fahren sollte, Kurven, vor allem lange und offene, sind sein Revier. Raus – rein. Die deutlich knackige Lenkung, das griffige, kleine Volant und das direkte Gaspedal lassen genug Spielraum für das, was man sportliches Fahren nennt. Man spürt, dass der Sportwagen in seinem Sportwagen-Element ist. Direkt, ein wenig laut, aber nicht aufdringlich, die Balance passt, das Heck wird beim Heraus-Beschleunigen immer ein wenig neugierig, als wollte es zuerst sehen, was da hinter der Kurve kommt.

Foto-Collage-Toyota-GT86

Die 200 PS werden, ob auf der Autobahn oder in der Ortschaft, immer sehr sauber abgeliefert. Das bedeutet, der Wagen hat immer ausreichend Kraft, ohne dass man bei niedrigem Tempo zu sehr die Zügel anziehen müsste. Vielleicht stört das Organ des Boxer-Motors ein wenig, aber nur wenn man auf V8 oder auf Elektromotoren steht. Hier und da wünscht man sich einen 6-Zylinder, der durch Laufruhe und auch durch mehr Drehmoment glänzt. Im mittleren Drehzahlbereich spürt man die 205 Nm recht deutlich, am Berg zum Beispiel wäre mehr Drehmoment sinnvoll. Wobei es Menschen gibt, die behaupten, man könne nie genug Drehmoment haben. Für den geübten GT86-Fahrer bedeutet dies, Anlauf nehmen und früher einen Gang zurücknehmen.

An der Ostseeküste – die Fische im Wasser – der Schnee so weiß. Ein Lied zwo, drei, vier. Ein paar Fotos zur Erinnerung. Der Toyota trägt jetzt Bart. Im frischen Schnee laufen die Hinterräder besonders deutlich, man könnte Donuts bauen, ohne Abrieb. Jecken sind keine zu sehen. Nur ein paar Zaungäste schauen vorbei. Ich rufe Hellau, keine Antwort. Der Motivwagen rollt weiter, auf dem iPhone wurden extra für diesen Rosenmontags-Ausflug Spezialisten gespeichert. Margit Sponheimer, Frankfurter Ikone des Frohsinns, singt „So nen Mann gibt´s nur beim Bäcker“. Nach drei Minuten wird der Vortrag beendet. Ein Hamburger ist auch nur ein Mensch. Und die Karnevalisten auf dem Foto scheinen wenig begeistert.

GT86-Fahrbericht

Auf dem Rückweg nach Hamburg werden Erfahrungen sortiert. Der GT86 ist ein sehr gutes Auto. Das Verhältnis Gewicht-Kraft-Fahrwerk kann nahezu jede Fahrsituation meistern. Der GT braucht weder mehr PS noch Allrad-Antrieb, er begnügt sich mit wenig Futter (wir haben einen Verbrauch um die acht Liter gemessen) und er kann für zwei Personen plus Gepäck reichlich Raum anbieten. Die Sitze vorn sind bequem, aber auch sportlich. Für den Fahrer sind genug Knöpfe, Schalter und Instrumente vorhanden. Das Navi ist manchmal überfordert. Wer die Routeneinstellung „kürzeste Strecke“ wählt, muss mit Feldwegen rechnen. Aber all dies täuscht nicht darüber hinweg, dass der Toyota vieles genau so gut kann, wie ein doppelt so teurer Wettbewerber. Zudem sieht er sehr gut aus. Lange Nase, kurzer Arsch. Was bei Funkenmariechen nicht wirklich funktioniert. Die brauchen lange Beine und viel Humor. Schließlich werden die durch die Gegend geworfen. Den GT86 wirft man eher in die Kurve. Hellau, Alaaf, Kammelle, de Prinz kütt.

 

 

 

 

 

 

 

Text: Ralf Bernert

Fotos: Toyota/Ralf Bernert

 

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