Und Sascha Lobo fährt Fahrrad

Vom Auto und der Industrie dahinter hat er auf jeden Fall keinen blassen Schimmer. Anders kann man seine trübe spon-Kolumne nicht deuten. 

Bevor am Ende das “tl;dr” folgt, lässt Sascha Lobo so fette Bingo-Sätze fallen wie:

aber marktumwälzende Innovationen funktionieren stark über die Börsenstory

oder

Und nicht nur dort: Würde man einem Unternehmen zutrauen, einen Wagen mit 200 Stundenkilometern per Software zu lenken, der eben noch die Basics der Verschlüsselung nicht beachtet hat?

In einem schwer zu lesenden Rundumschlag will er gleich alle Baustellen der Automobil-Industrie, der Marktgesetze, der Vernetzung und dem autonomen Fahren mit einem Aufwasch abhandeln. Das ist am Ende so wenig sinnvoll wie erfolgreich, von richtig will ich gar nicht sprechen. Der Versuch von mir, meiner 8 Monate alten Tochter die Quantenphysik mit der Hilfe eines Küchenmixers erklären zu wollen, wäre ebenso zielführend.

Manche Dinge sind eben doch ein wenig komplizierter. Manche Vorgänge doch ein wenig komplexer, vor allem dann, wenn man denkt, man würde von der Meta-Ebene des “Märkte sind Gespräche” Experten hinabsteigen und die vierrädrige Welt aus Bedürfnissen und Wünschen voll umfänglich begreifen.

Und dann das notwendige Zitat, plakativ:

“Software will eat the world”

Ein Zitat vom Netscape-Erfinder Marc Andreessen. Nun, man kann mit Zitaten kommen und versuchen, damit die Welt zu erklären. Am Ende zeigt es einen Mangel an eigener Argumentationsstärke. Schade drum. 

Seine vier Weisheiten lauten:

1.) Autohersteller müssen Software-Konzerne werden

2.) Das Betriebssystem bedingt eine Verflüssigung des Produktes Auto

3.) Ökosystem und Infrastruktur entscheiden

4.) Auto-Automatisierung folgt anderen Markgesetzen

5.) Die Börse entscheidet

Vier Weisheiten und eine Forderung. 

Auto-Hersteller müssen Software-Konzerne werden. 

Bullshit. Auto-Hersteller müssen von Software-Konzernen lernen und die richtigen Partner für die Gestaltung und Umsetzung von UX-Konzepten finden. Der Automobil-Hersteller ist Automobil-Hersteller, weil er Autos fertigt. Das kann er gut. Mal mehr, mal weniger. Aber die Kompetenzen eines Automobil-Herstellers gehen eben weit über das hinaus, was man sich unter einer Smartphone Entwicklung vorstellen muss.  Wären Automobil-Hersteller auf dem Level von Apple, dann würden die Autos toll aussehen, eine fantastische User-Experience (UX) besitzen, wären jedoch zum Wegwerf-Produkt verkommen, nicht zuverlässig und von den Nutzungs-Szenarien eingeschränkt. Sorry, mit diesem Auto dürfen sie auf dieser Straße nicht fahren, bevor Sie nicht das folgende Firmware-Update geladen haben. Regen? Sorry, ihr Abo für Scheibenwischer ist gerade ausgelaufen. Bitte hinterlegen sie zuerst Ihre Kreditkarten-Informationen.

Auto-Hersteller müssen von den Software-Konzernen lernen. Aber bitte, die Kernkompetenz ist eine völlig andere und das ist gut so!

Das Betriebssystem bedingt eine Verflüssigung des Produktes Auto

Ich zitiere:

Das kommende System Auto basiert auf einem vernetzten Betriebssystem über das Einzelfahrzeug hinaus, aus dem sich neue Produkte und Märkte ergeben. Uber wird mit rund 40 Milliarden Dollar bewertet (sechs Mal mehr als Lufthansa), weil es das Betriebssystem für den Transportmarkt plant. Viele Anwendungsfälle des Produkts Auto können mit der richtigen Plattform anders abgebildet werden als durch den schnöden Produktkauf. Egal, ob Uber oder ein Wettbewerber den Transportmarkt software-seitig aufessen.

Ah ja.

Ich hab das zwölfmal gelesen. Aber das ist mir dann einfach zu sehr auf einer Meta-Ebene der Glaskugel-Vorhersage, da kann ich mich nicht einlassen. Oder doch.

Das Auto oder der Auto-Ersatz kann in vielen Fällen nicht einfach so durch ein neues Öko-System aufgebaut werden. Und Sascha Lobo vermischt hier die Notwendigkeit zur Produktion von Automobilen mit der Frage nach deren Finanzierung. Kaufen? Ist schon lange out. Und welcher Smartphone-Hersteller ist auch nur im Ansatz derart kreativ und erfolgreich in der Absatzfinanzierung wie die Banken der Automobil-Hersteller? Nein, hier reden wir schlicht von getrennten Welten. Nicht immer lassen sich alle “Industrie-Entwicklungen” per Schablone auf den nächsten Industriezweig abbilden.

Ökosystem und Infrastruktur entscheiden

Auch in diesem Punkt eine krude Vermischung von Fakten, Ideen, Visionen und getrennten Baustellen. Die Kritik an der “Hackbarkeit” der Auto-Systeme am Beispiel des BMW-Fail ist berechtigt. Deswegen zu denken, das Google-Mobil wäre frei von diesen Problemen, oder ein Apple-Car wären kritikfrei, ist absurd. Zudem ist Googles-Geschäftsmodell die Bereitstellung von Plattformen, nicht die Vermarktung von komplexen Eigenprodukten. Daher wird die Zukunft die Kooperation von Google und dem “Öko-System” der Automobil-Hersteller sein. Denn gerade das bestehende und stringent arbeitende Ökosystem aus Automobil-Herstellern und deren Zulieferern ermöglicht erst die Machbarkeit von Neu-Entwicklungen, an denen am Ende der Kunde in der Konsumkette steht. Ob das gekauft, finanziert oder geshared ist – ist egal. Das Produkt Auto muss entwickelt werden.

Der Punkt: Die Auto-Automatisierung folgt anderen Marktgesetze, ist ein bunter Misch aus bereits angekratzten Themen. Daher lasse ich den außen vor.

Die Börse entscheidet

So wie die Beurteilung von UBER. An den Börsen sind schon viele Luftblasen geplatzt. Ob UBER die nächste ist? Keine Ahnung. Aber Börsen sind Marktplätze und gehandelt wird dort mit Visionen, aber auch mit Fakten. Und für Fakten bedarf es Industrie-Unternehmen die diese schaffen. Wenn UBER dann mal eine Börsen-Historie hat  wie Daimler oder BMW, dann können wir noch einmal über deren aktuelle Fantasie-Bewertung diskutieren.

Lieber Sascha Lobo:

Du bist ein kluger Kopf. Und im Internet der bekannteste Charakter-Kopf. Aber ich habe nach Deinem Spon-Artikel das Gefühl, Du hast keine Ahnung von Autos. Nicht von deren Entwicklung. Nicht von deren Zukunft. Der gesamten Automobil-Industrie das Droh-Szenario “Nokiasierung” anzudrohen ist völlig absurd.

Alleine, weil es “die dt. Automobil-Industrie” gar nicht gibt. Ich wage zu behaupten, es gibt keinen Industriezweig, der globaler agiert, globaler entwickelt und globaler denkt als die Automobil-Industrie. Die Hersteller halten und pflegen weitgehende Partnerschaften. BMW mit Toyota, Mercedes mit Nissan-Renault, der VW-Konzern mit China und und und …

Denen ist bewusst, dass die aktuelle UX-Entwicklung der eigenen Systeme dem Smartphone-Interface nachhinkt. Aber das ist für den aktuellen Automobil-Käufer nicht der wichtigste Kaufgrund. Denn die Welt dreht sich nicht nur um die “Netz-Avantgarde” aus Berlin. Autos mögen dort eine Rand-Notiz oder auch mal einen SPON-Artikel wert sein – in der restlichen Welt kauft man ein Auto, weil man es braucht. Oder weil man es will.

Weil es Emotionen auslöst. Weil es Wünsche befriedigt. Weil es den Alltag bereichert. Und: Weil Autos einfach Spaß machen!

 

 

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