Wie von einem anderen Stern: Das E-Klasse Cabrio

Es gibt nicht mehr viele Cabriolets auf dem Markt und die meisten dieser wenigen gehören ins Luxussegment. Zu diesem zählt auch das E-Klasse Cabrio. Doch trotz hoher Grund- und Aufpreise ist das E 450 Cabrio bereits heute ein Lieblingstestwagen dieses Jahres. Warum? Lesen Sie selbst.

Im Zuge der modellgepflegten E-Klasse, wurden im vergangenen Herbst auch die zweitürigen Varianten Coupé und Cabriolet überarbeitet. Neben den üblichen optischen Retuschen stand vor allem der Innenraum im Mittelpunkt der Arbeit von Ingenieuren und Designern, zudem gab es neue Motoren. Das macht neugierig. 

Gründe für den teuren Spaß

Für unseren Test haben wir die stärkste zivile Variante ausgewählt, den 3,0-Liter-Benziner mit üppigen 270 kW/367 PS. Darüber rangiert nur noch die AMG-Version, die aus dem gleichen Motor sogar 435 Pferdchen zieht. Warum aber der teure Sechszylinder für mindestens 74.650 Euro? Es gibt die offene E-Klasse doch auch mit 2,0-Liter-Ottomotor und knapp 200 PS; die ist 17.000 Euro billiger, verbraucht weniger und ist auch im Unterhalt etwas günstiger. Wir aber sind der Meinung: Wenn schon ein Mercedes dieser Kategorie, dann auch der mit dem souveränsten Antrieb. 

Der Motor ist seit letztem Jahr neu im Cabrio, der alte V6 wurden gegen einen Reihensechszylinder ausgetauscht. Das hochmoderne Aggregat überzeugt mit seidigem Lauf, 500 Newtonmeter Drehmoment über ein breites Drehzahlband und sonorem Klang, der wirklich nur bei hoher Leistungsanforderung ganz kurz in ein Brüllen übergeht. Mercedes hält noch ein Schmankerl bereit: Wenn es, etwa bei einem Überholvorgang, noch ein wenig dynamischer sein muss, können aus dem Startergenerator kurzfristig weitere 22 PS und 250 Nm als Boost abgerufen werden. 

Schnell noch ein paar Sonnenstrahlen einfangen

Bei diesen Werten und einem serienmäßigen Allradantrieb ist es kein Wunder, dass die mit einem Leergewicht von immerhin zwei Tonnen aufwartende E-Klasse nicht nur in knapp über 5,2 Sekunden auf Tempo 100 stürmt und dann weiter bis 250 km/h, sondern dass dies auch bei jeder Witterung und in jeder Situation äußerst dynamisch, kontrolliert und sicher geschieht.

Wie von einem anderen Stern E-Klasse Cabrio
Man kann das Dach mit Hilfe des Schlüssels von außen öffnen

Diesen Motor gibt es in der gelungenen Verbindung mit der Neungang-Automatik zwar auch in anderen Mercedes-Fahrzeugen, aber nur hier ist er eben mit einem sehr hochwertigen Stoffverdeck kombiniert, das sich in 20 Sekunden öffnen lässt, übrigens auch während bei Fahrt bis Tempo 60. Letzteres ist durchaus sinnvoll, wenn man etwa von der Autobahn auf eine rote Ampel zurollt und die letzten Strahlen der in diesem Sommer so selten zu sehenden Sonne so schnell und so früh wie möglich mitnehmen will. Zudem kann man das Dach mit Hilfe des Schlüssels von außen öffnen, was nicht nur das Einsteigen durch die Vordertür vor allem in den knapp geschnittenen Fond erleichtert, sondern bei Hitze auch schon mal vorab frische Luft in den Innenraum lässt.

Mehr Platz im Kofferraum, aber viel auch nicht

Es ist erstaunlich, wie wenig Platz ein Fahrzeug von 4,83 Metern Länge auf den hinteren Sitzen bieten kann, das ist bei Cabriolets aufgrund der aufwendigen Dachsysteme aber öfter so. Im Mercedes sitzen zwei erwachsene Fondinsassen bei offener Fahrt immerhin noch so einigermaßen, ist das Verdeck geschlossen, wird es eng über dem Kopf. Dafür steigt das Kofferraumvolumen von 310 auf 385 Liter, was auch nicht gerade sehr viel ist. Also besser nur die Freundin oder den Ehemann oder wer weiß wen mitnehmen und die hinteren Sitze als zusätzlichen Gepäckraum nutzen.

Der überarbeitete Innenraum wirkt wie aus einem Guss, die Materialqualität und die Verarbeitung wie aus einer anderen Zeit. Dazu kommen dick gepolsterte, vielfach verstellbare und wirklich auf jede Größe anpassbare Sitze. Hier natürlich mit teurem echtem Leder bezogen, in der Basis gibt’s immer noch recht ansehnliches Kunstleder. 

Nur Ausstattung teuer

Kein Mercedes ist ein wirklich günstiges Vergnügen. Die E-Klasse sowieso nicht und ein Lifestyle-Ableger wie das Cabriolet erst recht nicht. Wobei wir zunächst vom Grundpreis sogar überrascht waren. 74.655 Euro, das ist viel Geld und ein Aufpreis von rund 8.000 Euro zur Limousine, aber angesichts der Motorisierung hätten wir fast noch mehr erwartet. Die Ernüchterung folgt, wenn man aus der E-Klasse eine gut ausgestatte E-Klasse machen will. Nicht alles aber sehr viel kostet Aufpreis: vom formidablen Sprachbedienungssystem MBUX-System und diversen Verschönerungen des Innenraums über eine Rückfahrkamera bis hin zu den meisten Assistenten. Selbst für einen adaptiven Fernlicht-Assistenten berechnen die knauserigen Schwaben noch 214 Euro.

Falls wir den richtigen Überblick über die vielen, teils auch in Paketen zusammengefassten Optionen behalten und richtig addiert haben, summierte sich unser Testfahrzeug auf etwa 108.000 Euro. Und schon wird zumindest dieses Auto für uns unerreichbar. 

Durstig ist das E-Klasse Cabrio

Mit der Anschaffung ist es aber ja sowieso nicht getan. Man muss sich ein solches Fahrzeug in dieser Motorisierung ja auch in der Folge leisten können. So fließen zum Beispiel nur bei absolut vorsichtiger Fahrweise unter 10 Liter je 100 Kilometer durch die Benzinleitungen. Auf der Autobahn können es bei Tempo 100 auch mal 7 bis 8 Liter werden, dafür schnellt der Verbrauch in der Stadt oder bei schnell gefahrenen Etappen extrem in die Höhe. Wir kamen über zwei Wochen auf einen Schnitt von knapp elfeinhalb Liter.

Wie von einem anderen Stern
Es ist erstaunlich, wie wenig Platz ein Fahrzeug von 4,83 Metern Länge auf den hinteren Sitzen bieten kann, das ist bei Cabriolets aufgrund der aufwendigen Dachsysteme aber öfter so

Trotzdem: Gerade angesichts der Tatsache, dass solche Motoren politisch gewollt nun auf die Zielgeraden ihres Daseins einbiegen, kann man Cabrio-Fans mit genügend Kleingeld zu diesem Fahrzeug nur raten. Fahrspaß und Komfort, Solidität und Sicherheit gehen hier eine äußerst gelungene Verbindung ein, die viele Jahre und vielleicht sogar einige Jahrzehnte halten könnte. Was dann ja auch eine Form der heute so vielzitierten Nachhaltigkeit wäre. 

Technische Daten


Zweitüriges, viersitziges Cabriolet; Länge: 4,83 Meter, Breite: 1,86 Meter (mit Außenspiegeln: 2,10 Meter), Höhe: 1,43 Meter, Radstand: 2,87 Meter, Kofferraumvolumen: 310 Liter – 385 Liter
3,0-Liter-R6-Turbobenziner; 270 kW/367 PS + 22 PS Boost, maximales Drehmoment: 500 Nm bei 1.600 – 4.500 U/min + 250 Nm Boost (Startergenerator), Neungang-Automatikgetriebe, Allradantrieb, 0-100 km/h: 5,2 s, Vmax: 250 km/h, Normverbrauch: 8,5 – 9,7 Liter/100 Kilometer (WLTP), CO2-Ausstoß: 193 -213 g/km (WLTP), Effizienzklasse: C, Abgasnorm: Euro 6d, Testverbrauch: 11,4 Liter/100 Kilometer
Preis: ab 74.655
Preis des Testwagens: 107.800 Euro 

Kurzcharakteristik


Warum: Verarbeitung und Bedienung auf höchstem Niveau; aufwendiges Verdeck; souveräne Motor-Getriebe-Kombination 
Warum nicht: teuer in Anschaffung und Unterhalt; hoher Verbrauch; hinten (zu) eng
Was sonst: BMW 440i xDrive; Audi S5 Cabriolet; Lexus LC Cabriolet

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