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ToggleWas verbrauchen unsere Autos?
Was ein Auto verbraucht, das steht im Prospekt und ist für viele Autokäufer ein wichtiges Kriterium bei der Neuanschaffung. Je höher der Verbrauch, desto höher die CO2-Emissionen. Das Umweltgewissen und der Geldbeutel, beide verlangen nach niedrigen Verbrauchswerten. Was aber, wenn Prospektwert und Alltag weit auseinander liegen?
Automobil-Zeitschriften und TV-Sendungen haben immer mal wieder die „weltfremde“ Verbrauchsermittlung nach NEFZ und die zum Teil absurd hohen Abweichungen im Alltag zum Thema gemacht. Und die Kritik ist berechtigt. Auch hier im Blog wird der NEFZ-Wert als „Laborwert“ kritisiert. So wird auf autohub.de der Verbrauchswert der Testfahrzeuge nicht im Labor ermittelt, sondern auf der Straße und anstatt eines einzigen Fahrerprofils haben wir uns drei Profile zu eigen gemacht. (Mehr Informationen zur „mein-auto-blog Drei-Typen-Methode“ klick)
Dennoch, der NEFZ-Normwert ist derzeit gültig und die daraus ermittelten Verbrauchs- und Emissionswerte bilden die Grundlage für die CO2-Flottenverbrauchs-Ziele der EU. Innerhalb des NEFZ wurde ein Prüfzyklus abgebildet, der eine Vergleichbarkeit unter den Fahrzeugen ermöglicht, aber aufgrund des gefahrenen Testzyklus nicht genug Aussagekraft für den täglichen Betrieb bietet. In dem Testzyklus wird innerhalb von ca. 13 Minuten mehrmals auf 50 km/h beschleunigt, dafür steht jeweils ein Zeit-Intervall von bis zu 26 Sekunden zur Verfügung. Was bereits völlig weltfremd ist. Die maximal gefahrene Geschwindigkeit beträgt 120 km/h und wird nur einmalig und für wenige Sekunden erreicht. Zudem wurde in einer 2013 veröffentlichten Studie des „T&E“ aufgezeigt, wie die Automobilhersteller bei der Zertifizierung des Normverbrauchs „schummeln“ oder wenigstens schummeln könnten.
So wird zum Beispiel das Nachladen der Batterie während der 20 Minuten im Zyklus nicht durchgeführt, die Radgeometrie wird optimiert auf weniger Rollwiderstand, der Reifenluftdruck wird noch höher angesetzt als auf einem Rollenprüfstand notwendig, das Fahrzeug ist immer das absolute Basismodell und damit besonders leicht, 4% Prüf-Toleranz werden abgezogen und T&E spricht zudem von optimierten Motorsteuergeräten.
Der Verbraucher ist enttäuscht
Das Ergebnis ist eine massive Täuschung des Verbrauchers. Natürlich könnte man nun sagen: Nein, der Verbraucher muss ja nur mit dem Auto so fahren, wie man das während des NEFZ-Testzyklus macht, schon passt das Ergebnis. Ach ja, und natürlich sollte er keine Sonderausstattungen ordern, die Klimaanlage und das Licht auslassen und bitte den Reifendruck auf ein gefährliches Maximum erhöhen.
Test vs. Realität
Die weltfremde Prüfnorm (NEFZ) ist eine reine Laborgröße. Hinzu kommt das Optimieren der Testfahrzeuge durch die Hersteller. Da wird am Rande der Legalität auf die Normvorgaben hin optimiert, der Alltag bleibt so ausgesperrt. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass der Wunsch des Verbrauchers nach einer „ehrlichen“ und verlässlichen Prüfnorm wächst.
Was verbraucht mein Auto später? Mit welchem Auto fahre ich günstiger? Was für ein Antrieb passt wirklich zu meinen Bedürfnissen?
Der neue Zyklus: WLTP – Die Pendler-Verbrauchsmessung!
Die UN hat im März 2014 den neuen „global“ geltenden Prüfzyklus WLTP abgesegnet. Anstelle von verschiedenen Verfahren in der EU, in Asien, Nordamerika und in China soll der WLTP für eine weltweite Vereinheitlichung des Messverfahrens sorgen. Nur die USA sind bislang nicht für den Zyklus zu haben. Abwarten also dort. Am Ende würden zwei Prüfnormen übrig bleiben. Aber vermutlich kommen die USA noch hinzu.
Gegenüber dem NEFZ, in dessen knapp 20 Minuten Prüfzyklus fast 25% Standzeit enthalten waren, wird der neue WLTP nicht nur über 30 Minuten gefahren, sondern zudem die Standzeit (Ampel-Simulation im Stadtverkehr) auf 13 % gekürzt. Während der NEFZ auf 11 km gefahren wurde, zieht sich der WLTP über gute 23 Kilometer.
Die Durchschnittsgeschwindigkeit im NEFZ betrug 34 km/h, beim neuen WLTP 46.6 km/h. Zudem wird die Sonderausstattung berücksichtigt und die Schaltzeitpunkte sind nicht mehr fix durch den Zyklus vorgegeben, sondern werden nach den optimalen Bedingungen ermittelt. Der WLTP ist in seiner Testform daher nun deutlich dynamischer als der NEFZ und die Angst der Automobil-Hersteller ist groß. Denn dieser Veränderungen klingen nach „Mehrverbrauch“.
Aber das war doch auch das Ziel, oder? Wenn man einen realistischeren „Normwert“ ermitteln will und bisher der NEFZ immer viel zu niedrig lag, dann müsste der WLTP ja einen ordentlichen Aufschlag bereithalten.
Gefahr für die 95 Gramm Flottenvorgabe der Automobilindustrie
Nun haben die Automobil-Hersteller natürlich Angst. Angst um die neuen Messwerte, Angst, bei der CO2-Vereinbarung zum Thema Flottenverbrauch überfahren zu werden. Angst, die technische Optimierung auf die Norm-Verfahren umsonst auf die Spitze getrieben zu haben. Was, wenn Downsizing und Start-Stopp-Systeme plötzlich keine Rolle mehr spielen? Es wurden doch eben erst ganze Motorengenerationen und Getriebevarianten auf die NEFZ-Norm hin optimiert.
Wer die Entwicklungszyklen der Automobilindustrie kennt, der versteht. Wenn der WLTP wirklich bis 2017 umgesetzt und ab 2018 verbindlich sein soll, dann steht die Automobil-Industrie vor großen Aufgaben. Was 2018 auf den Markt kommen soll, dreht heute bereits Testrunden in der Vor-Entwicklung.
Nicht zuletzt durch eine Initiative des VDA könnte die Lösung nun so aussehen: Der NEFZ bleibt für eine Übergangszeit das Messverfahren für die Zertifizierung neuer Automobile und damit die weltfremde Basis für die Ermittlung der Emission und der WLTP wird für den Endkunden als „realistischere“ Verbrauchsangabe eingeführt und als „Labelwert“ auf das Auto geklebt. Doppelte Arbeit. Halb so sinnvoll?
Aber ist der WLTP nun realistischer als der NEFZ?
Schaut man sich den Prüfzyklus an, dann empfindet man das Test-Szenario als umfangreicher und damit gefühlt auch als realistischer. Der TÜV SÜD hat nun in einem Workshop zum Thema NEFZ und WLTP interessante Erkenntnisse veröffentlicht:
„Minderverbrauch im WLTP“
Ein Mercedes-Benz C250 CDI hat während des WLTP-Zyklus im modernen Testzentrum in Pfungstadt 6.78 Liter Diesel auf 100 km verbraucht. Das gleiche Fahrzeug bei gleichen Bedingungen im gleichen Testcenter hatte am Tag zuvor im NEFZ-Zyklus 7.18 Liter verbraucht.
Nun könnte man sagen, es liegt am kräftigen Dieselmotor und dem manuellen Schaltgetriebe, hier kann man im neuen WLTP-Zyklus schlicht besonders effizient fahren. Denn für den WLTP werden Dutzende von Parameter erfasst, u.a. die günstigsten Schaltpunkte. Anstatt der fixen Schaltvorgabe im NEFZ kann man im WLTP die Gänge frei bestimmen.
Ein Einzelfall? Nein. Ein zusätzlich getesteter Mercedes-Benz C180 CGI wurde zwei Mal im NEFZ gefahren und mit 8.18 und 8.16 Litern und tags darauf mit 7.37 und 7.49 Litern im WLTP gemessen.
Diskrepanz NEFZ TÜV vs. NEFZ-Typprüfung
Sowohl der C250 CDI als auch der C180 CGI waren Fahrzeuge der Baureihe W204 und nicht aktuell. Zudem wurden beide Fahrzeuge unter „normgerechten“ Bedingungen getestet. Dass der WLTP-Zyklus geringere Werte herausfuhr als die NEFZ-Norm, liegt am neuen Prozedere. Die Strecke ähnelt einer typischen Pendlerstrecke und die längere Prüfdauer optimiert gegen Ende hin den Betriebszustand des Fahrzeuges.
Auch in den Drei-Typen-Methoden gibt es bei uns immer wieder Fahrzeuge, die im Öko-Test den NEFZ-Wert unterschreiten oder wenigstens sehr nah heran kommen. Das scheint jedoch nur für manuelle Getriebe und Motoren mit ausgewogenem Leistungsangebot zu gelten.
Ist der neue WLTP-Zyklus jetzt nicht sogar eine Hilfe für die Automobil-Industrie?
Nach dem Test beim TÜV SÜD in Pfungstadt könnte man den Eindruck bekommen, der WLTP hilft nicht dem Verbraucher, sondern der Automobil-Industrie. Warum also sträubt man sich auf deren Seite gegen die Umsetzung?
Und was hat denn nun der Verbraucher davon? Es sieht so aus, als wäre der Verbraucher wieder einmal der Dumme. Es sieht ferner so aus, als wäre der WLTP zwar nun ein dynamischer Fahrzyklus – und wer sich täglich auf genau diesen Zyklus begibt, um zur Arbeit zu kommen und dann knallhart alle Spartipps beherzigt, der wird auch die Normwerte erreichen – aber wenn der WLTP-Normverbrauch wirklich unterhalb des bisherigen NEFZ-Wertes liegt, dann wird es für viele Verbraucher ja noch unrealistischer.
Oder?
NEFZ-WLTP? Kontrolle tut not!
Der vom TÜV-SÜD ermittelte NEFZ-Wert des C180 CGI liegt mit 8.16 Liter um knapp 1.5 Liter oberhalb des NEFZ-Normverbrauch aus der ursprünglichen Typprüfung des Fahrzeuges damals. Hier wurde der getestete Mercedes-Benz C180 CGI mit 6.7 Litern angegeben.
Diese Differenzen – eine nachvollziehbare Erklärung konnte nicht geliefert werden – lassen einen Automobil-Blogger erst einmal ratlos zurück. Fest steht jedoch: Der WLTP hilft dem Verbraucher auch nicht mehr als der NEFZ bisher. Was unsere Autos wirklich verbrauchen, im Alltag, wird man auch weiterhin nicht aus einem Prospekt heraus lesen können!