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Es war ein Concours d’Élégance der Haute Couture: Vor 60 Jahren konkurrierten Paris und Turin bei der Kreation eleganter Coupés und Cabriolets. Bis Pininfarina das Beste beider Kapitalen im zweitürigen Peugeot 404 vereinte. Präsident Charles de Gaulle und die europäische Hautevolee waren begeistert
Heute gehörten die eleganten Linien der wenigen viersitzigen Cabriolets und Coupés eigentlich unter Artenschutz gestellt, en vogue sind nur noch hoch gelegte Crossover. Vor 60 Jahren dachte die Automobilwelt anders, damals war die Vorstellung des von Stardesigner Pininfarina entworfenen Peugeot 404 mit Faltverdeck (optional mit filigranem Hardtop) in Frankreich ein politisches Ereignis nationaler Bedeutung. So ließ sich Staatspräsident Charles de Gaulle die Premiere des neuen Spitzenmodells der Löwenmarke auf dem Pariser Automobilsalon 1961 nicht entgehen. Konnte er dabei doch zugleich Diplomaten und ausländischen Staatsgästen die Qualitäten des dynamisch gezeichneten Zweitürers vorstellen, der ab März 1962 auch als extravagantes Coupé trotz bescheidener Vierzylinder-Motoren in Nordamerika reüssieren und harte Dollar ins gallische Staatssäckel spülen sollte. Tatsächlich waren die beiden teuersten Peugeot 404 – die Preise bewegten sich auf Porsche- und Jaguar-Niveau – aus einem „American Dream“ entstanden, den die Peugeot-Niederlassung in New York träumte. Nach dem amerikanischen Achtungserfolg des stilprägenden 403, der als Cabriolet sogar zum Dienstwagen des in Hollywood ermittelnden TV-Inspektors „Columbo“ avancierte, startete deshalb der Nachfolgertyp 404 gleich in zwei Karosserievarianten als Cabrio und als Coupé. In italienischer Sportwagensilhouette schrieb das gallische Duo Geschichte, allerdings anders als bei Peugeot gedacht.
Waren die Peugeot 404 Coupé und Cabriolet so erfolgreich wie erhofft?
Die Pläne waren hochfliegend: 15.000 Einheiten vom neuen noblen 404-Doppel wollte die amerikanische Peugeot-Filiale pro Jahr absetzen. Zur Einordnung: Vom 1956 aufgelegten und mit Designpreisen dekorierten 403 Cabriolet konnte Peugeot in fünf Jahren weltweit nur 2.050 Einheiten absetzen, die alle im Werk La Garenne gebaut wurden. Jetzt aber sollte der Jahresausstoß um das 37-fache erhöht werden und dazu brauchte es neue Produktionskapazitäten. Diese erhoffte sich Peugeot bei Pininfarina in Italien. Überhaupt versprach sich das Marketing vom neuen „Peugeot-Farina“, wie die Amerikaner die elitären Cabriolets in Italo-Couture nannten, eine Wirkung, die die der auf Fifth Avenue und in Beverly Hills verbreiteten sportiven Lancia, Alfa Romeo Maserati und sogar Ferrari weit übertraf. Zugleich bot sich für Peugeot die Chance, das Premium-Renommee der Zweitürer auch auf die viertürigen Limousinen abstrahlen zu lassen und so seinen Ruf einer ersten Adresse für Designjuwelen zu festigen.
Für den Pionier unaufgeregt-eleganten Pontondesigns, den 1955 eingeführten 403, hatte Pininfarina den Korpus der Limousinen konturiert, aber die Transformation zum Cabriolet hatte damals noch Peugeot-Chefdesigner Henri Thomas vollzogen. Trotz aller berechtigten Bedenken, dass Pininfarina Probleme hatte, seine Verträge auseinanderzuhalten, die der Italiener damals mit über 25 Marken geschlossen hatte, vereinbarte Peugeot 1957 eine langfristige Kooperation mit der bei Turin sitzenden Carrozzeria. Fünf Jahr später zogen beide Parteien ernüchtert Bilanz: Peugeot war enttäuscht ob der Ähnlichkeit der 404 Limousine mit diversen britischen BMC-Produkten und den Fiat 1800/2100, noch übler war jedoch die fast zum Verwechseln nahe Verwandtschaft des 404 Cabriolets mit den Fiat 1200/1500 Sportlern. Fast schien es, als ob Pininfarina die Fiat-Formen für Peugeot recycelt hatte. Dass der Ferrari 250 Spyder ebenfalls Design-Gene des neuen Sonnenseglers 404 trug, war dagegen natürlich sogar eher positiv für Peugeot. Pininfarina wiederum musste konstatieren, dass viel weniger Rohkarossen in Italien geordert und per Lkw und Bahn zur Endmontage nach Frankreich geliefert wurden, als von Sochaux avisiert.
Teurer als ein Porsche
Kein Wunder: Der Absatz aller Europäer in Amerika war nach dem Debüt billiger Detroiter Compacts mit Reihensechsern und V8 kollabiert und für große Stückzahlen waren die Vierzylinder-Peugeot mit Leistungswerten zwischen mediokren 44 kW/60 PS und sportiv angehauchten 71 kW/96 PS schlicht zu hoch eingepreist. In den USA kostete das 404 Cabriolet ebenso viel wie das Supercar Jaguar E-Type. Und in Deutschland verlangte die Löwenmarke für das mit betörendem Hüftschwung und edlen Métallisé-Lackierungen wie Gris Clair oder Bleu Clair sowie optionalem Einspritzmotor aufwartende 1,6-Liter-Coupé ab 1963 rund 17.000 Mark, mehr als Porsche für den 356 oder Lancia für seine elitären Vierzylinder-Coupés in Rechnung stellte. Selbst der Mercedes 230 SL war nicht wesentlich teurer. Nicht weniger verstörend waren die Preise, die für den optischen Doppelgänger des 404, das Fiat 1500 Cabriolet aufgerufen wurden: Der französische Sonnenkönig kostete über 50 Prozent mehr als der temperamentvolle Italiener.
Dennoch entschieden sich beide Vertragspartner 1962 für eine Verlängerung der Design-Kooperation, vielleicht, weil es nur noch besser werden konnte. Maestro Pininfarina versprach auf Copy-and-Paste zu verzichten und hielt sich daran: Die 1968/69 eingeführten Modelle Peugeot 504 Coupé und Cabriolet waren einzigartig und zählen nach Ansicht vieler Fachleute zu den schönsten französischen Autos aller Zeiten. Bevor jedoch die Baureihe 504 die zweitürigen 404 beerbte, zeigten die gegenüber der Limousine auf 4,50 Meter gestreckten 404 Coupé und Cabriolet, welches Potential in ihnen ruhte. Das nicht nur als Gewinner manches Grand Prix d’Élégance, was sie zu Favoriten der europäischen High Society qualifizierte. Schließlich galten die Spitzenmodelle von Peugeot in nicht wenigen Ländern als französische Mercedes, vor allem, was die Qualität betraf.
Damals noch sportlich
Während die 404 Limousinen ihre Robustheit in Langstreckenrallyes bewiesen, glänzten Coupé und Cabrio noch mehr durch raffinierte Technologien. Etwa mit einem der weltweit ersten Großserien-Einspritzbenziner, für den die Techniker aus Sochaux eine neuartige und relativ zuverlässige Injektion beim Spezialisten Kugelfischer bestellten – eine Anlage ähnlich wie sie später bei den BMW TI-Typen berühmt wurde. Natürlich gab es auch die 404 Limousinen als 160 km/h schnelle Vierzylinder-Einspritzer (für dieses Tempo brauchten Opel und Ford damals noch Sechszylinder), aber Aufsehen erregte in erster Linie die Sportfraktion mit eigenständigem, besonders breitem Kühlergrill fürs Überholprestige.
Globale Schlagzeilen machte zudem ein zum Monoposto umgebautes 404 Cabrio, das einen laut nagelnden 2,2-Liter-Dieselmotor unter der Haube trug. Dieser Selbstzünder vom Typ 404 Diesel Record machte seinem Namen Ehre: Im Juni 1965 verblüffte der 50 kW/68 PS starke Diesel auf dem Rundkurs von Montlhéry bei Paris mit 40 Weltrekorden und 22 Rekorden bei einem Durchschnitt von 160 km/h über 5.000 Kilometer. Nie zuvor hatte die Welt einen derart aufregenden Diesel-Sportler in italienischem Design gesehen, für Peugeot war es der Beginn einer über 50-jährigen Ära als global größter Dieselmotorenhersteller. Selbstzünder gibt es bei Peugeot übrigens ungeachtet des Elektro-Hypes bis heute, aber die Haute Couture der Cabriolets und Coupés mit dem „f“ für Farina ist nur auf Oldtimerevents nicht vergessen.
Kurzcharakteristik
Chronik:
1951: Am 11. Mai unterzeichnen Peugeot und Pininfarina einen Vertrag zur Prototypenentwicklung. Erstes Projekt ist die Formenfindung für den Peugeot 403
1955: Marktstart für den 403. Zweites Projekt ist die Entwicklung des Peugeot 404. Frühe Prototypen des Peugeot 404 werden noch 1955 bei Pininfarina in Italien gebaut. Nicht so das Peugeot 403 Cabrio, das von Peugeot in Frankreich gezeichnet und ab 1956 gebaut wird
1957: Peugeot schließt mit Pininfarina einen Exklusivitätsvertrag für die Dauer von fünf Jahren. Die Pininfarina-Studie Florida II inspiriert das Design der Modelle 404 Coupé und Cabriolet
1958: Als erster Peugeot wird der 404 einem intensiven Crashtestprogramm unterzogen und dies auf dem Testgelände Belchamp. Der französische Karossier Marcel Pourtout entwickelt für Peugeot einen Roadster-Studie, die aber anders als die Pininfarina-Entwürfe für Coupé und Cabriolet abgelehnt wird
1960: Die offizielle Premiere des 404 Peugeot erfolgte am 13. Mai im Pariser Palais des sports an der Porte Versailles. Im April Vorserie und im Mai regulärer Produktionsanlauf für die 404 Limousine und im Dezember für den 404 in US-Exportausführung mit Abgasreinigung Coppolair und Scheibenbremsen vorn
1961: Im Juli läuft die Produktion des Peugeot 403 Cabriolets aus. Im Oktober ist der französische Staatspräsident Charles de Gaulle mit Diplomaten als Ehrengast bei der Weltpremiere des Peugeot 404 Cabriolet (optional mit Hardtop) auf dem Pariser Salon zugegen. Parallel zeigt Pininfarina die Zweitürer beim Turiner Salon. Die Bodengruppe der Limousine wurde auch beim Zweitürer verwendet, so fallen die Überhänge knapp aus und die langen Proportionen elegant. Allerdings ähnelt das Peugeot Cabriolet dem ebenfalls von Pininfarina entworfenen Fiat 1200/1500 Cabriolet zum Verwechseln – und ist um mehr als die Hälfte teurer. Pininfarina kann dem Recycling seiner Ideen für andere Kunden nicht widerstehen
1962: Auf dem Genfer Salon debütiert im März das 404 Coupé. Im April Serienstart für das 404 Cabriolet. Die Karosserien von Cabrio und ab 1963 Coupé werden bei Pininfarina in neuem Werk Grugliasco bei Turin gebaut – und dann per Bahn oder Lkw zur Endmontage zu Peugeot nach Sochaux/Frankreich geliefert. Vertragsabschluss zwischen Pininfarina und Peugeot über die weitere Zusammenarbeit, dabei verzichtet Pininfarina darauf, Designs für Peugeot auch an europäische Konkurrenten zu verkaufen
1963: Die Serienproduktion des Coupés kommt erst verspätet im April dieses Jahres richtig in Gang. In den USA wird das Cabriolet bereits zu Preisen ab 3.899 Dollar verkauft und damit zu Preisen, die auch für den Jaguar E-Type berechnet werden. Neben der Vergaser-Version gibt es die Peugeot auch als Einspritzer
1964: Der Benziner mit Vergaser erstarkt auf 51 kW/70 PS und der Einspritzer auf 65 kW/88 PS. In den USA wird das Peugeot 404 Cabriolet zur Absatzförderung bei allen Autoshows präsentiert
1965: Im Juni begibt sich ein Peugeot 404 Monoposto (auf Basis des Cabriolets) mit 68 PS leistendem Selbstzünder auf Rekordfahrt in Monthléry. Als Durchschnittsgeschwindigkeit über die Distanz von 10.000 Kilometern werden 161,49 km/h gemessen. Für das Modelljahr 1966 werden 404-Studien mit kleineren Heckflossen entwickelt, aber für den Serienstart gibt es keine Freigabe. Auch für das Modelljahr 1966 werden Vergaser- und Einspritzmotoren lieferbar
1966: 404 Coupé und Cabriolet Injection ab Herbst zum Modelljahreswechsel mit 71 kW/96 PS Leistung und außerdem mit Zusatzscheinwerfern im Kühlergrill. Aber auch die Vergaserversion ist weiterhin lieferbar. Alle 404 mit neuer Armaturentafel und Rundinstrumenten
1967: In Saarbrücken nimmt Peugeot Deutschland den Geschäftsbetrieb auf dem Gelände des früheren Importeurs Kochte und Rech auf. Das deutsche Händlernetz umfasst 588 Stützpunkte. Alle 404-Typen erhalten eine finale Modellpflege
1968: Im September wird der Peugeot 504 vorgestellt, wiederum im Pininfarina-Design. Die Produktion von 404 Coupé und Cabriolet endet im September, Nachfolger werden die Modelle 504 Coupé und Cabriolet im Pininfarina-Design. Die Fertigung des Cabriolets beginnt im November
1969: In Frankreich ist Peugeot zum zweitgrößten Automobilhersteller aufgestiegen und feiert die Auslieferung des fünfmillionsten Fahrzeugs der Löwenmarke. Auf dem Genfer Automobilsalon debütiert das Peugeot 504 Coupé
1978: Der 404 entfällt im Oktober aus dem europäischen Peugeot-Programm
1983: Produktionsende für Peugeot 504 Coupé und Cabriolet
1988: Im Mai endet die Produktion des 404 nach 2.885.376 ausgelieferten Einheiten in fast allen Ländern. Nur in Nigeria und in Kenia läuft die Montage des 404 Pick-up bis 1991 weiter
2021: Das 60-Jahre-Jubiläum von Peugeot 404 Coupé und Cabriolet wird von der Community und der Löwenmarke gefeiert. Mit Stand Mitte Oktober ermittelte der Peugeot 404 Club einen nachweislichen weltweiten Bestand von rund 2.500 Cabriolets und Coupés
Produktionszahlen:
Insgesamt 2.885.377 Peugeot 404 (Produktionsjahre 1960 bis 1988, zzgl. Montage in Nigeria und Kenia), davon 17.224 Cabriolets und Coupés
Peugeot 404 Cabriolet (Vergaser) mit 3.014 Einheiten
Peugeot 404 Cabriolet (Einspritzer) mit 7.375 Einheiten
Peugeot 404 Coupé (Vergaser) mit 1.638 Einheiten
Peugeot 404 Coupé (Einspritzer) mit 5.196 Einheiten.
Zum Vergleich: Vom Nachfolger Peugeot 504 entstanden 26.477 Coupés sowie 8.185 Cabriolets (1968-1983). Vom Vorgänger 403 Cabriolet baute Peugeot 2.050 Einheiten (1956-1961)
Wichtige Motorisierungen:
1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner (48 kW/65 PS bzw. 50 kW/68 PS bzw. 51 kW/70 PS bzw. 53 kW/72 PS bzw. 56 kW/76 PS bzw. 59 kW/80 PS bzw. 65 kW/88 PS bzw. 71 kW/96 PS bzw. als US-Version 44 kW/60 PS).